Von kleinen und großen Menschen

Die Frage, wie groß das eigene Kind wird, beschäftigt viele Eltern. Aber ab wann gilt man überhaupt als zu klein oder zu groß? Wer setzt die Norm einer Körpergröße fest? Das sind die Fragen, mit denen ich mich dem Thema angenähert habe. Von Geburt an werden Kinder regelmäßig vermessen. Aus diesen an allen Mädchen und Jungen gemessenen Werten werden Perzentilenkurven erstellt, die den Normbereich abbilden. Ist die Körpergröße außerhalb dieser Norm, liegt oft eine Wachstumsstörung vor. Oder die Größe ist rein genetisch bedingt: Kinder werden so groß oder so klein wie ihre Eltern.

Erst ab einem Alter von fünf Jahren nehmen Kinder ihre Körpergröße wahr und vergleichen diese mit anderen. Bereits dann kann Körpergröße – wenn sie aus der Norm fällt - zum Problem werden. Kleine Jungen werden oft nicht ernst genommen und sind im Sport benachteiligt. Mädchen macht es zu schaffen, wenn sie viel größer als ihre Klassenkameraden sind. Überhaupt werden sehr große Kinder oft überfordert, weil man sie viel älter einschätzt, als sie sind. Hänseleien müssen sie alle aushalten: Giraffe oder Zwerg, Langhals oder Winzling.

Die Diagnose „Kleinwuchs“ ist ein kompliziertes Unterfangen, denn es gibt über 600 verschiedene Ursachen. Manche Menschen lernen früh, sich und die eigene Größe so hinzunehmen. Sie „wachsen“ mental an ihrem Manko. Andere wollen unbedingt größer oder kleiner werden und suchen Hilfe durch Hormone oder chirurgische Eingriffe. Das hat auch viel mit Selbstbewusstsein zu tun. Für mich war es bewundernswert mitzuerleben, wie vergnügt und selbstsicher die kleinwüchsige Familie auftritt und dass die extrem große Familie alles dazu tun, das Beste aus ihrer Größe zu machen.

Die Größe eines Menschen wird überwiegend durch seine Gene bestimmt. Groß- und Kleinwuchs genau anzugeben, ist schwierig, da auch die durchschnittliche Körpergröße der Menschen einem steten Wandel unterworfen ist. Wird eine Größe von 1,50 Metern nicht erreicht, gilt Kleinwüchsigkeit als Behinderung. Dagegen rechtfertigt Großwuchs keine Anerkennung als Behinderung - es sei denn, es treten schwere körperliche Probleme auf.

Wo klein- oder großwüchsige Menschen auftauchen, ziehen sie die Blicke auf sich. Sie leben nicht nur mit den psycho-sozialen Folgen ihrer körperlichen Besonderheit. Oft müssen sich klein- oder großwüchsige Menschen häufig bücken oder strecken und leisten körperlich Schwerstarbeit. Das bringt auch gesundheitliche Einschränkungen mit sich. So treten Rücken- und Gelenkprobleme sowie Haltungsschäden bei beiden Gruppen häufig auf. Auch der Stoffwechsel und die Organe leisten Schwerstarbeit.

Besonders für kleinwüchsige Menschen gibt es viele Hürden. Während Großwuchs gesellschaftlich eher anerkannt ist, stellt Kleinwuchs meist ein großes Problem für die Betroffenen dar. Es gibt Alltagshürden wie zu hohe Türgriffe, mangelnde Inklusion oder unzureichende medizinische Versorgung. Das liegt sicher auch daran, dass etwa 650 verschiedene Formen von Kleinwuchs bekannt sind. In Deutschland leben bis zu 100.000 von Kleinwuchs betroffene Menschen. Dabei geht es auch um die "soziale Größe", denn Kleinsein ist oft ein Synonym für wenig kompetent und schwach. Generell werden in Deutschland Wachstumsstörungen bei Kindern oft erst spät erkannt, obwohl das regelmäßige Messen und Wiegen eigentlich zum Standardrepertoire beim Kinderarzt gehört. Quelle: dpa / epd