Betten können nicht belegt werden, weil es nicht genug Personal gibt, um die Kinder versorgen zu können. Operationen müssen verschoben, Kinder in weiter entfernte Kliniken verlegt werden. Pflegerinnen und Pfleger arbeiten am Rand der Belastungsgrenze.
Vollzeitstellen unbesetzt
Auf der neonatologischen Intensivstation der Medizinischen Hochschule in Hannover liegen die kleinsten Patientinnen und Patienten – und die kränksten. Martina ist Pflegerin auf der Früh- und Neugeborenenstation. An diesem Tag betreut sie den kleinen Raman. Er ist zu früh geboren, hat Probleme mit der Lunge und eine Hirnblutung. Ein so schwer krankes Kind wie er sollte eigentlich immer eine sogenannte Eins-zu-eins-Betreuung bekommen. Das heißt: eine Pflegekraft nur für dieses Kind.
Doch immer häufiger ist das nicht mehr zu realisieren, es sind einfach zu wenig Pflegerinnen und Pfleger pro Schicht. Es gibt 24 Betten auf der Neonatologie, doch gut ein Drittel davon ist leer – es gibt kein Personal, das die Patientinnen und Patienten versorgen könnte. Auf der Neonatologie sind zurzeit 16 Vollzeitstellen unbesetzt. So steht die Station immer wieder vor der Wahl: die Pflegekräfte mit zu vielen Kindern überlasten oder kranke Kinder abweisen.
100.000 Pflegekräfte fehlen
So wie in der Medizinischen Hochschule Hannover ist die Lage in den meisten Kliniken in Deutschland. Pflegeexpertinnen und -experten schätzen, dass schon jetzt circa 100.000 Pflegekräfte an deutschen Krankenhäusern fehlen. Der Grund: Schichtdienst, zu schlechte Bezahlung, zu wenig Wertschätzung.
Kinderkliniken sind noch mal besonders betroffen, denn Kindermedizin ist schlichtweg weniger lukrativ als andere Bereiche. Bezahlt wird eine Fallpauschale, also ein Durchschnittswert aller "Fälle", in dem Diagnostik, Behandlung und Pflege enthalten ist. Doch Kinder zu behandeln, braucht mehr Zeit, Aufmerksamkeit, Ansprache und Zuspruch. Auch sind ihre Fälle vielfältiger und daher schwieriger standardisiert abzubilden. Die Notfallquote ist höher als bei Erwachsenen. Zudem ist seit einigen Jahren die Pflegeausbildung generalisiert, dadurch entscheiden sich weniger Pflegende für die Kindermedizin, meint Chefarzt Dr. Omran vom Uniklinikum Münster.
"Wo ist ein Bett frei?"
Auch hier, in der Kinderklinik am Universitätsklinikum Münster, ist die Lage angespannt. Jede Frühbesprechung beginnt mit den Fragen: "Wo ist ein Bett frei, wen können wir entlassen oder verlegen, können wir heute ein Kind aufnehmen, wenn eine Anfrage kommt?" Auch hier ist das fehlende Pflegepersonal der begrenzende Faktor.
Franziska arbeitet auf der "Intermediate Care Station", eine Zwischenstufe zwischen Intensiv- und Normalstation. Dort liegen viele chronisch kranke Kinder, aber auch akute Notfälle. 16 Betten haben sie theoretisch, meistens können sie gerade einmal neun davon belegen. Erschwert wird die Lage im Winter 2022/23 durch RSV und andere Viruserkrankungen, mehr Kinder als gewöhnlich bräuchten einen Platz, die Isolierungsmaßnahmen kosten zusätzlich Zeit.
Milow ist mit seinem Vater zu einem geplanten Eingriff dort, sie müssen allerdings erst einmal auf dem Flur warten, bis ein anderes Kind verlegt werden kann und ein Platz für sie frei wird. Enno hat diesmal Glück gehabt, er hat direkt ein Bett bekommen. Er hat das Kabuki-Syndrom, einen seltenen Gendefekt. Deshalb muss er regelmäßig in die Klinik. "Das macht einem schon Angst, ob die Versorgung auch in Zukunft noch gewährleistet ist", sagt Ennos Mutter Esther.
Sechs Tage Arbeit am Stück
Der ständige Druck und der ständige Zeitmangel machen sich auch bei Franziska bemerkbar. "Manchmal hat man schon sechs Tage durchgearbeitet, und dann kommt am freien Tag der Anruf, ob man nicht doch einspringen könnte, manchmal sogar für mehrere Schichten am gleichen Tag. Da fragt man sich schon, wie soll das funktionieren?"
37 Grad begleitet Pflegekräfte in Hannover und Münster durch ihre stressigen Schichten am Rande der Belastbarkeit. Der Film zeigt die schönen und traurigen Momente im Alltag in zwei der größten Kinderkliniken des Landes. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen Pflegekräfte unter Druck, für die der Beruf trotzdem immer noch eine wirkliche Berufung ist.