Überstunden? Acht Stunden Tage? Vollzeitjob? Alles nicht mehr gesetzt für die Gen Z. Viele wollen, wenn überhaupt, nach ihrer eigenen Façon arbeiten. Wann, wo und wie es ihnen passt. Sehr zum Ärger mancher Personalchefs und Arbeitgeber, die die mangelnde Einsatzfreude und große Empfindlichkeit des Nachwuchses beklagen.
Wie die Gen Z geködert wird
Keine Frage: da ist etwas in Bewegung geraten in unserer Arbeitswelt. Während die einen Unternehmen über Nachwuchsmangel klagen, denken andere, wie der Kondomhersteller Einhorn bereits um und versuchen die Gen Z mit kürzeren Arbeitszeiten und besserem Gehalt zu ködern. Aber was bedeutet das alles für die Wirtschaft?
Nadia Shehadeh kritisiert in ihrem Buch "Anti-Girlboss: Den Kapitalismus vom Sofa aus bekämpfen" das Karrierebestreben im Kapitalismus. An die neoliberale Idee, die Leistung und Karriere belohnt, glaubt sie nicht. "Faulheit gibt's eigentlich nicht" sagt Shehadeh und auf die eigenen Bedürfnisse zu hören habe seine Berechtigung. Dass "Quiet Quitting" schon als provokant gilt, verwundert sie, da es lediglich bedeute, im Job nicht mehr zu leisten als man muss. Dass Arbeit nicht schon immer positiv und Müßiggang nicht von jeher negativ konnotiert war, hebt Shehadeh dabei auch hervor.
Wissen, was "Arbeit" heißt
Das Wort "Arbeit" kommt aus den Mittelhochdeutschen und heißt tatsächlich nichts anderes als "Beschwernis, Mühe, Plage". Die längste Zeit der Menschheit über wurde nicht im herkömmlichen Sinne gearbeitet. Als der Mensch um 10.000 v. Chr. sesshaft wurde, gab es mit Landwirtschaft und Tierzucht erstmalig Arbeit - aber nur so viel wie zum Überleben nötig. In der Antike wurde die Arbeit dann Sklaven überlassen, während Philosophen mit dem Denken beschäftigt waren. Mit dem Christentum kam erstmals die Arbeitsmoral auf und Müßiggang wurde verpönt. Im Mittelalter blühte das Handwerk auf, nur die Oberschicht rührte keinen Finger. Mit der Erfindung der Dampfmaschine, der industriellen Revolution und Fabriken erreichte ihren bisherigen Höhepunkt – jedoch ohne Absicherung für die Arbeitenden. Das änderte sich erst durch die Gewerkschaften. Heute wird die Arbeitswelt immer digitaler und mit der KI blüht die nächste Revolution. Doch gearbeitet wird immer noch.
Die Bestsellerautorin Sara Weber ("Die Welt geht unter und ich muss trotzdem arbeiten?") ist der Meinung, die Gen Z würde bewusster an Arbeit herangehen, psychische Gesundheit spiele eine größere Rolle und sich für den Job kaputt zu arbeiten, werde kritischer hinterfragt. Sie selbst kündigte aus Erschöpfung ihren Traumjob. Sie meint, Unternehmen anders zu besteuern und die künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt zu nutzen, könnten Lösungsansätze sein, um weniger Arbeitszeit möglich zu machen.
Über 30 Mitarbeitende der Schweizer Kreativagentur ZEAM gehören der Gen Z an und arbeiten wann und wo sie wollen. Oft halten sie sogenannte "Workations" in Kroatien, Berlin oder Italien ab und erwirtschaften dabei, nach eigenen Angaben, einen Umsatz von sechs Millionen Euro. ZEAM coacht diverse Unternehmen darin, sich als attraktive Arbeitgeber für die Gen Z aufzustellen. Yael Meier, die junge Gründerin von ZEAM, ist der Meinung, dass junge Talente auf dem Arbeitsmarkt durchaus Forderungen stellen können, denn sie werden dringend gebraucht. "Wahrscheinlich hatten junge Leute schon immer andere Forderungen und Ansprüche, aber heute müssen sie eben gehört werden", so Meier.
Firmen, die auf die Ansprüche der Arbeitnehmer:innen eingehen, gibt es bereits: Zum Beispiel der Heizungs-Sanitär-Betrieb Gutmaier in Berlin. Der Unternehmer Ralf Franzkowiak, ein selbsterklärter "Boomer", entschied sich dazu, eine 4-Tage-Woche einzuführen. Beim Berliner Kondomhersteller Einhorn wird der Arbeitsalltag bereits komplett neu gedacht: Wann wer arbeitet, ist komplett frei. Sogar den Lohn kann man als Mitarbeiter:in selbst mitbestimmen. 32 Stunden gelten bei dem Start-up als Vollzeit und werden dementsprechend vergütet.
Wer die neue Arbeitswelt bezahlt
Katty Salié macht den Realitycheck bei Clemens Fuest. Er ist Ökonom und Präsident des IFO-Institutes und stellt die Frage, wer die schöne neue Arbeitswelt eigentlich bezahlen soll? Ein Schlaraffenland gäbe es leider nicht. Noch hängt der Wohlstand unseres Renten- und Sozialsystems an der Vollzeitarbeit. Kürzen wir Arbeitszeit, so kürzen wir auch die Rente, so Fuest.
Dass es vielen jungen Arbeitsrevoluzzern nicht primär ums Geld geht, bestätigen die Ex-YouTube-Stars Roman und Heiko Lochmann, alias "die Lochis". Sie arbeiten rund um die Uhr, aber sie tun es leidenschaftlich. "Passion and Purpose" ist laut Heiko Lochmann ihr Antrieb. Sie räumen mit dem Vorurteil der faulen Gen Z auf. Mit dem Handy habe man seinen Arbeitsplatz die ganze Zeit in der Hosentasche, man sei durchgängig erreichbar und somit sei eine klar getrennte Work-Life-Balance nur schwer möglich, meint Heiko Lochmann. Die Gen Z über einen Kamm zu scheren wäre unfair, die Tendenz der jungen Generation bewege sich nur dazu hin, das Leben nicht mit Arbeit, sondern die Arbeit mit Leben zu füllen.
Kapitalismuskritischer Rapp
Der Rapper Disarstar prangert in seinen Texten das kapitalistische System an. Er findet es nur nachvollziehbar, dass die jüngere Generation der Arbeitsmoral und –ethik der älteren nicht mehr nacheifert und keine Lust auf schlechtbezahlte Arbeit hat. Arbeit sollte ihm zufolge ganz anders strukturiert werden – die Forderungen nach kürzerer Arbeitszeit und fairem Lohn, sollte entschiedener und aggressiver diskutiert werden. Denn: "wir sehen auf der ganzen Welt, es ist genug Reichtum da. Der Reichtum ist einfach nur ungerecht verteilt und wenn man ihn so verteilen würde, wie man ihn im Optimalfall verteilen könnte, dann würde, glaube ich, unsere ganze Definition von Arbeit und das alltägliche Leben eines Arbeiters in Deutschland und anderswo auf der Welt, anders aussehen."
Stab
- Moderation - Katty Salié