1927 in Wasserburg am Bodensee geboren, blieb Martin Walser am See und bereiste von hier die Welt. Am See spielt auch sein größter Bestseller, die Novelle "Ein fliehendes Pferd". Einen seiner letzten großen Roman nannte Martin Walser hellsichtig-trotzig: "Ein sterbender Mann". Er leugnete das Altwerden nicht, doch das Sterben nahm er nicht so wichtig.
Leben und Literatur untrennbar verbunden
Die ersten Jahre war Walser Radioreporter und Fernsehredakteur. Dann entstanden in rascher Folge Romane, Erzählungen, anfangs auch erfolgreiche Theaterstücke. Insgesamt ein Riesenwerk. Vollkommen zufrieden mit sich, ganz im Reinen, war Walser wohl nie. Unverwechselbar sein Ton, geschult an Kafka und Proust. Völlig ungeschminkt zeigte er sich in seinen Tagebüchern. Leben und Literatur waren für ihn von jeher untrennbar verbunden. Diese Tagebücher sind nicht Protokolle seines Lebens, sondern frühe Formen von Romanen. Wie immer bei Walser voller schmerzhaft genauer Beobachtungen, aber so schön formuliert, dass alles Niedere zu Höherem hinauf geschrieben scheint. Walser entblößte seine Figuren völlig, stellte sie aber niemals bloß.
Literarisches Zentralmassiv seiner Generation
Das Politische war nie Walsers größte Leidenschaft. Sondern die Liebe. Und die ist bei ihm nie zu trennen vom Schreiben. Dennoch fand er sich mit der geteilten Nation nicht ab. Und als wäre das noch nicht genug, sprach er 1998, ausgezeichnet mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, von Auschwitz als Moralkeule. Als geistiger Brandstifter wurde er nun beschimpft und in eine Ecke gedrängt, in die er nicht gehörte. Den Nobelpreis-Gipfel hätte Martin Walser nicht weniger verdient gehabt als Günter Grass. Mit ihm zusammen war er das beeindruckende literarische Zentralmassiv seiner Generation. Über den Tod nachdenken, doch sich gedanklich nicht ausliefern, dafür plädierte er bis zuletzt.
In der Sendung "Martin Walser - Ein Leben" vom 30. Juli 2023 wurde unter anderem der Konflikt mit dem Kritiker Marcel Reich-Ranicki behandelt, den Walser im Roman "Tod eines Kritikers" verarbeitete. In der ursprünglichen Fassung dieses Lebensbildes tauchte eine Abbildung der Hartgummi-Bücherstütze "Nörgeli" auf, die Marcel Reich-Ranicki karikierend darstellt und als antisemitisch kritisiert wird. Diese Abbildung wurde entfernt.