Geschlechtseintrag: Bundestag für Selbstbestimmungsgesetz

    Änderung des Geschlechtseintrags:Bundestag beschließt Selbstbestimmungsgesetz

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    Der Bundestrag hat einen Gesetzesentwurf beschlossen, der die Änderung von Geschlechtseintrag und Vorname erleichtert. Die Parteien sind beim Thema gespalten - das ändert sich.

    12.04.24, Berlin: Nyke Slawik von den Grünen spricht im Bundestag.
    Geschlechtseinträge können künftig einfacher geändert werden. Das ermöglicht das neue Selbstbestimmungsgesetz. 12.04.2024 | 2:26 min
    Der Bundestag hat einen Gesetzesentwurf beschlossen, der vorsieht, dass Geschlechtseinträge und Vornamen künftig per Erklärung gegenüber dem Standesamt geändert werden können - ohne ärztliches Attest, Sachverständigengutachten oder gerichtlichen Beschluss. 374 Abgeordnete haben für das Selbstbestimmungsgesetz gestimmt, 251 Abgeordnete dagegen. Elf Personen haben sich enthalten.
    Änderungen müssen demnach drei Monate im Voraus angemeldet werden und auch Jugendliche ab 14 Jahren sollen die Erklärung dazu selbst ausfüllen können.
    Bislang müssen trans- und intergeschlechtliche Menschen dafür Begutachtungen mit intimen Fragen durchlaufen, was von den Betroffenen oftmals als entwürdigend empfunden wird. Das bisherige Transsexuellengesetz soll aufgehoben werden.

    Im Fokus stehen laut Familienministerium drei Gruppen: Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen.

    Transgeschlechtliche Menschen - auch als Transmenschen oder Transpersonen bekannt - identifizieren sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Viele von ihnen leben mit dem Gefühl, im "falschen Körper" zu sein.

    Etwas anders ist es bei intergeschlechtlichen Personen: Sie haben angeborene körperliche Merkmale, die sich nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen. Das kann neben den Geschlechtsmerkmalen auch den Chromosomensatz oder die Hormonproduktion betreffen.

    Als nicht-binär bezeichnet man Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen.

    Warum stand das bisherige Transsexuellengesetz in der Kritik?

    Das Transsexuellengesetz, welches bisher galt, stammt aus dem Jahr 1980. Betroffene mussten bis dato eine langwierige und kostspielige Prozedur mit Gutachten und Gerichtsbeschluss über sich ergehen lassen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag samt Vornamen ändern lassen wollten.
    Bis 2011 mussten sich transgeschlechtliche Menschen dafür sogar noch sterilisieren lassen. Die geltende Rechtslage verletze die Würde des Menschen, sagte der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne). Auch der deutsche Psychotherapeutentag spricht sich seit längerem dafür aus, Hürden für Betroffene abzubauen.
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    Was ist mit Menschen unter 18 Jahren?

    Bei Kindern unter 14 Jahren sollen die Eltern die nötige Erklärung beim Standesamt einreichen können. Jugendliche ab 14 Jahren können dies selbst tun, allerdings nur mit Einverständnis der Eltern. Gibt es hier innerfamiliäre Konflikte, kann das Familiengericht die Entscheidung treffen. Maßstab soll das Kindeswohl sein.
    Die Jugendlichen, oder bei Unter-14-Jährigen die Eltern, müssen zudem eine Erklärung abgeben, dass sie sich zuvor haben beraten lassen. Diese Beratung kann durch einen Psychologen oder die Kinder- und Jugendhilfe erfolgen.
    Bundestag
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    Wie oft kann der Geschlechtseintrag geändert werden?

    Eine zahlenmäßige Begrenzung ist nicht vorgesehen. Allerdings soll es eine Sperrfrist von einem Jahr geben - erst danach ist eine erneute Änderung möglich. "Dies dient dem Übereilungsschutz und soll die Ernsthaftigkeit des Änderungswunsches sicherstellen", heißt es in dem Entwurf. Für das Inkrafttreten der Änderung des Geschlechtseintrags gilt eine Drei-Monats-Frist.
    Damit ist der frühestmögliche Termin für die Anmeldung von Änderungen der 1. August dieses Jahres, da die neuen Regeln ab dem 1. November gelten sollen.
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    Muss der Vorname immer mitgeändert werden?

    Prinzipiell schon, es sei denn, der alte Vorname passt auch zum neuen Eintrag. Grundsätzlich gilt: Der Vorname muss dem Geschlechtseintrag entsprechen. Wer also beispielsweise den Eintrag "männlich" wählt, kann als Namen nicht Bettina oder Julia eintragen lassen.
    Insgesamt gibt es wie bisher die Wahl zwischen "männlich", "weiblich" und "divers". Betroffene können sich auch entscheiden, keine Geschlechtsangabe zu machen.

    Wie sind die Positionen zum Gesetz?

    Nyke Slawik von den Grünen sprach sich klar für das Selbstbestimmungsgesetz aus. In der Bundestagsdebatte kritisierte sie, dass die Änderung ihres "Personenstandes" und ihres Vornamens zwei Jahre lang beantragt habe und sie dafür "knapp 2.000 Euro" gezahlt habe. Das bisherige Transsexuellengesetz bezeichnete sie daher als "unmenschliche Hürde".
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    Bundestagsdebatte zur Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag12.04.2024 | 57:10 min
    Familienpolitikerin Anke Mennig (SPD) betonte in ihrer Rede, dass das Selbstbestimmungsgesetz niemandem etwas wegnehme, sondern Unrecht beseitige. Auch Kinder und Jugendliche hätten genauso wie Erwachsene, "ein Recht darauf sich frei zu entfalten und dazu zähle auch die geschlechtliche Identität." Daher seien Minderjährige im Gesetzesentwurf bewusst mitgedacht worden, so Mennig weiter.
    Andrea Lindholz
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    Mareike Lotte Wulf (CDU) sprach sich dagegen eindeutig gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz aus. Sie kritisiert, dass das Gesetzesvorhaben "möglichem Missbrauch" nichts entgegensetze, da man "Vorname und Geschlechtseintrag voraussetzungslos" ändern könne. Zudem vernachlässige der Staat durch das neue Gesetz seine "Schutzfunktion gegenüber Kindern und Jugendlichen", so Wulf.
    Sahra Wagenknecht (Bündnis Sahra Wagenknecht, BSW) kritisierte einen möglichen Missbrauch der Namens- und Geschlechtsänderung durch das geplante Gesetzesvorhaben. Darüber hinaus bemängelte sie, dass eine freie Geschlechtswahl "im Kriegsfall" nicht gelte.

    Im Kriegsfall bleiben Männer dann eben doch Männer.

    Sahra Wagenknecht, BSW

    Die AfD fand teils drastische Worte. "Jeder soll plötzlich irgendwie alles sein können", meinte der Abgeordnete Martin Reichardt. Es sei ein "aberwitziges Gesetz", das seine Fraktion vollumfänglich ablehne.
    Kathrin Helling-Plahr von der FDP erklärte in ihrer Rede, dass das Bundesverfassungsgericht das "aktuelle Transsexuellengesetz immer wieder für Verfassungswidrig erklärt" habe, weil es zu übergriffig gewesen sei. Sie sah daher die Regierung in der Pflicht ein neues Gesetz zu beschließen.
    Quelle: AFP, ZDF, dpa

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