Widerstand gegen NS-Regime: Humor und Satire gegen die Nazis

    Widerstand gegen das NS-Regime:Curt Bloch: Humor und Satire gegen die Nazis

    von Christina-Maria Pfersdorf
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    Mehr als 70 Jahre standen die Kunstwerke des Deutsch-Juden Curt Bloch in einem New Yorker Wohnzimmer. Nun hat seine Tochter den Nachlass ihres Vaters nach Deutschland geholt.

    Widerstandsmagazine von Curt Bloch
    Im Zweiten Weltkrieg musste der jüdische Anwalt Curt Bloch vor den Nazis in die Niederlande flüchten und später auch dort abtauchen - er verfasste Satiremagazine gegen das NS-Regime mit Gedichten, die nun an die Öffentlichkeit gebracht werden.29.02.2024 | 5:41 min
    "Es ist eine deutsche Geschichte", sagt Simone Bloch. Deshalb hatte die New Yorkerin das große Bedürfnis, die Hefte, die ihr Vater während der Nazi-Zeit im Versteck in den Niederlanden schrieb, zuerst in Deutschland zu veröffentlichen.
    In den Jahren 1942 bis 1945 hatte Curt Bloch 96 Satirehefte gestaltet, die im Untergrund in den Niederlanden zirkulierten. Sie hießen "Het Onderwater-Cabaret" ("Das Unterwasser-Kabarett"). Bloch wählte diesen Titel, um auf seine Situation als Untergetauchter anzuspielen. Ihr Inhalt: Zeichnungen, Collagen, Satire, Gedichte. Curt Bloch schrieb die fast 500 Gedichte hauptsächlich auf Niederländisch und Deutsch.

    ... ist am 9. November 1908 als Kurt David Bloch in Dortmund geboren worden - er hatte zwei Schwestern. 1927 machte er in Dortmund Abitur und studierte Rechtswissenschaften. Als 1933 die Nazis die Macht übernahmen, er als Jude seinen Beruf nicht mehr ausüben durfte und auch körperlich angegriffen wurde, floh er in die Niederlande.

    Als auch dort 1942 die systematischen Deportationen begannen, tauchte Curt Bloch unter. Er überlebte die Zeit im Untergrund bis zur Befreiung im Jahr 1945. Nach dem Krieg blieb er noch drei Jahre in den Niederlanden und lernt dort seine spätere Frau Ruth kennen, eine Auschwitz-Überlebende. Die beiden heirateten und emigrierten in die USA. Am 14. Februar 1975 starb Bloch in New York.

    Quelle: www.curt-bloch.com

    Noch bis 23. Mai sind diese Wiederstandmagazine nun im Jüdischen Museum in Berlin ausgestellt, nachdem sie dafür aufwändig restauriert wurden: "Blochs Werk ist ein Akt künstlerischen Widerstands - gegen das nationalsozialistische Regime und die niederländischen Kollaborateur*innen", sagt Museumsdirektorin Hetty Berg. Und weiter:

    Die Ausstellung ergänzt gesellschaftlich vorherrschende Bilder vom Leben und Überleben im Versteck um ein detailliertes Zeugnis: um die Erfahrung Curt Blochs, zu der auch der Witz und die Produktivität gehören, mit denen er dem Terror zu begegnen wusste.

    Hetty Berg, Direktorin des Jüdischen Museums Berlin

    Die Titelseite des Magazins "Unterwasser Kabarett"
    Die Titelseite des "Unterwasser-Kabaretts" vom 18. Dezember 1943.
    Quelle: Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America

    Nazis richteten Menschen wegen Spottgedicht hin

    Diese Hefte waren so klein, dass sie in jeder Hosentasche unauffällig vom einen zum anderen transportiert werden konnten. Für die Leser und Boten war das höchstgefährlich. Sich mit einem Magazin, das sich über Hitler und andere Parteimitglieder lustig machte, erwischen zu lassen, hätte sie das Leben kosten können.
    Graphic-Novel-Motiv, das Adolf Hitler in braunem Hemd vor grauer Wand zeigt.
    "Der Aufsteiger" heißt die erste Folge der dreiteiligen ZDF-Dokumentation "Hitlers Macht", die das ZDF 90 Jahre nach Hitlers Regierungsübernahme am 30. Januar 1933 zeigt.17.01.2023 | 43:44 min
    Der Verfasser hatte trotzdem keine Angst: Als in Deutschland vier Personen hingerichtet wurden, die nur ein einziges Spottgedicht verfassten, schreibt er in einem Gedicht:

    Vier Leben für nur ein Poëm, da frag ich mich verwundert, was würde dann mit mir geschehn, ich habe fast vierhundert.

    Auszug aus dem Gedicht "Ein Ziel" von Curt Bloch

    Simone Bloch: Hefte zu verfassen, war "sein Weg zu kämpfen"

    Dass ihr Vater keine Angst hatte, erklärt Simone Bloch so: "Für ihn war das Verfassen der Hefte sein Weg, kämpfen zu können. Sterben hätte er ohnehin müssen, wenn sie ihn gefunden hätten. Egal ob er diese Hefte geschrieben hätte oder nicht." Seine Waffe war wohl der Humor.

    Ab Mai 1942 wurden auch alle Juden in den Niederlanden verpflichtet, sichtbar einen gelben Stern auf ihrer Kleidung zu tragen. Das war gleichzeitig der Beginn für die Deportationen. Insgesamt wurden mehr als 100.000 Juden aus den besetzten Niederlanden in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert; nur etwas mehr als 5.000 von ihnen überlebten.

    Parallel tauchten etwa 28.000 Juden in den Niederlanden unter. Sie mussten sich von ihren Familien trennen und versteckten sich oft auf dem Land. Es entstand ein gut funktionierendes Netzwerk von Menschen, das sich um die "Untergetauchten" kümmerte. So wurden immer wieder neue Verstecke gesucht wie Hühnerställe oder Dachböden.

    Dennoch wurde nach Schätzungen etwa ein Drittel der untergetauchten Juden entdeckt oder verraten und dann deportiert.

    Quelle: www.curt-bloch.com

    Und den behielt er sich, obwohl ihm und seiner Familie Furchtbares geschehen ist. Curt Bloch konnte seinen eigentlichen Beruf, Anwalt, nicht ausüben, weil Juden ab 1933 nicht mehr in Rechtsberufen arbeiten duften. Als er den Antisemitismus immer mehr zu spüren bekam, emigrierte er in die Niederlande. Auch dort musste er sich ab 1942 verstecken. Unter anderem lebte er bei Familien auf dem Dachboden. Dass er als einziger aus seiner engsten Familie überlebt hat, erfuhr er erst nach dem Zweiten Weltkrieg.
    Curt Bloch , Paula Bloch und Helene Bloch
    Curt Bloch mit seiner Mutter Paula (M.) und Schwester Helene im niederländischen Enschede.
    Quelle: Simone Bloch

    "Es ist eine Geschichte der Gegenwart"

    Obwohl die Hefte vor fast 80 Jahren verfasst wurden, sind sie aktueller denn je. Bei manchen Gedichten hat man das Gefühl, der Verfasser würde heute schreiben:

    Wenn man euch eure alten Fehler Nun wiederum vergessen lässt, Dann führt ein neuer Puppenspieler Euch zu nem neuen Schlachtefest.

    Auszug aus Gedicht "An meine deutschen Leser" von Curt Bloch

    Handgeschriebenes Gedicht auf vergilbtem Papier.
    Das handgeschriebene Gedicht "An meine deutschen Leser" von Curt Bloch.
    Quelle: Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America

    In diesem Gedicht richtet sich Bloch eindeutig an die deutschen Leser der Nachkriegszeit, denen er keine Vorwürfe macht. Er wollte sie davor warnen, dass sich die Geschichte wiederholen kann. Auch Simone Bloch geht es nicht um Schuld. Den Deutschen deshalb nicht die Hefte ihres Vaters zu überlassen, weil sie verantwortlich sind? "Niemand, der schuldig ist, lebt noch. Niemand." Vielmehr geht es auch ihr darum, zu warnen:

    Leider ist das alles keine Geschichte der Vergangenheit, es ist eine Geschichte der Gegenwart.

    Simone Bloch

    Margot Friedländer, Holocaust-Überlebende
    Sie überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt, wanderte aus und kam mit 88 Jahren zurück nach Berlin: Das ZDF hat ihr bewegendes Leben verfilmt: "Ich bin! Margot Friedländer"03.11.2023 | 2:29 min

    Jüdisches Museum: "Werke nach wie vor von großer Bedeutung"

    Das Jüdische Museum in Berlin schreibt begleitend zur Ausstellung: "In der heutigen Welt, in der Krieg, Desinformation, Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung weit verbreitet sind, sind Blochs Werke nach wie vor von großer Bedeutung".
    Deshalb war es Simone Bloch wichtig, neben der Ausstellung in Berlin das Werk ihres Vaters auch digital zu veröffentlichen. Damit erfüllt sie ihrem Vater den im Versteck geäußerten Wunsch, dass sein Werk eines Tages bekannt werden soll.

    Der Wiesbadener Designer und Autor Thilo von Debschitz hat mit der Hilfe von Sponsoren und einem internationalen Team ehrenamtlicher Helfer alle Hefte digitalisiert. Außerdem haben er und sein Team die Gedichte transkribiert, manche übersetzt und in einen historischen Kontext gebracht.

    Quelle: www.curt-bloch.com

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