Wie KI unser Vertrauen in Medien zerrüttet

    Interview

    Deepfakes und Desinformation:Wie KI unser Vertrauen in Medien zerrüttet

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    Das Rennen um die leistungsfähigste KI ist entbrannt. Medienexperte Pörksen sieht die Gefahr von einem "grundsätzlichen Manipulationsverdacht" und der Spaltung der Gesellschaft.

    Symbolbild Künstliche Intelligenz
    Eine von Künstlicher Intelligenz geschaffene Wirklichkeit wird unsere Gesellschaft in wenigen Jahren von Grund auf verändern. Der Kampf gegen Deepfakes wird unseren Alltag bestimmen.15.12.2023 | 5:28 min
    Immer mehr Deepfakes fluten das Netz. Zuletzt mussten das auch heute-journal-Moderator Christian Sievers und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erstaunt zur Kenntnis nehmen, denen jeweils mittels KI Falschaussagen in den Mund gelegt wurden.
    Fachleute unterstellen Politik und Gesellschaft hierzulande einen fast naiven Umgang mit der neuen Technologie. Denn die Entwicklung ist rasend schnell. Nach dem sensationellen Start des von Microsoft unterstützen ChatGPT vor einem Jahr hat nun ein weiterer Tech-Gigant nachgezogen.

    KI Gemini von Google soll bereits autonom entscheiden können

    Die multimodale KI Gemini von Google kann angeblich bereits einfache Probleme selbständig lösen und situationsabhängige Entscheidungen autonom treffen. Die KI verspricht also nicht nur Text zu verstehen und zu beantworten, sondern auch Bild, Video und bestimmte Codes zu verarbeiten, um daraus eigenständige Schlussfolgerungen zu ziehen.
    Was da alles noch auf uns zukommt und was das für die Wahrheit bedeutet, ordnet Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen genauer ein.
    Symbolbild KI
    Künstliche Intelligenz produziert Videos, die nur schwer als Fakes zu identifizieren sind. Welche Chance hat da die Wahrheit? Das ganze Interview mit Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen.15.12.2023 | 5:26 min
    ZDFheute: Wohin driftet die Welt?
    Bernhard Pörksen: Die Gefahr, die wir im Moment sehen, ist, dass eine ganz neue Dimension von Vertrauenskrisen entsteht. Das Wahrheitsempfinden der Gesellschaft wird durch diese neuen Möglichkeiten angegriffen. Desinformation war einst in Menschenhand und war damit teuer und einer natürlichen Beschränkung unterworfen. Wir erleben jetzt aber eine Demokratisierung und eine Effektivierung der medialen Manipulation.
    Jeder kann diese neuen Programme einsetzen, um Desinformationstexte in Hülle und Fülle und in hoher Geschwindigkeit zu produzieren.
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    Wie funktionieren Deepfakes? Dank künstlicher Intelligenz und digitaler Bilder lassen sich Fälschungen auf höchstem Niveau erschaffen. 14.06.2022 | 2:21 min
    Wir wissen längst, dass autokratische Herrscher diese Methoden sehr gezielt einsetzen, um schlicht und einfach das große Rauschen, die Produktion von sinnlosem Spektakel und von Spaltungsversuchen in der Gesellschaft zu steigern.

    Die Kerngefahr ist, dass nicht nur ein einzelnes Deepfake-Video kursiert, sondern dass sich so ein grundsätzlicher Manipulationsverdacht in der Breite der Gesellschaft zeigt.

    Prof. Bernhard Pörksen, Medienwissenschaftler, Universität Tübingen

    ZDFheute: Die Gesellschaft ist ja schon jetzt durch die sozialen Medien gespalten. Wo führt das hin?
    Pörksen: Der Technikhistoriker Melvin Kranzberg hat einmal gesagt, Technologie ist nicht gut, nicht böse und nicht neutral. Ich würde hinzufügen: Technologie wirkt verschärfend. Wir haben immer mehr Desinformation und immer mehr Informationen unklarer Herkunft. Damit wird sich die Wahrheits- und Vertrauenskrise in der Breite der Gesellschaft verstärken.

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    Intelligent bedeutet nicht kompetent. Wir Menschen fürchten uns vor der Künstlichen Intelligenz, doch die größten Risiken werden dabei übersehen.
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    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Mercedes Bunz
    ZDFheute: Und was macht das mit dem Einzelnen?
    Pörksen: Auf diesen grundsätzlichen Manipulationsverdacht muss die Gesellschaft reagieren. Es braucht Medienbildung und eine kluge Form von Plattformregulierung. Es bedarf aber auch klug gemachter Gesetze, die ja in einer merkwürdig paradoxen Spannung entworfen werden. Wir machen Gesetze für eine Welt, deren Verfasstheit wir noch gar nicht kennen, denn die Dynamik, die technologische Geschwindigkeit ist ungeheuer schnell.
    Ich nenne Ihnen nur eine einzige Zahl: 75 Jahre brauchte das klassische Telefon, um von hundert Millionen Userinnen und Usern gebraucht zu werden. GPT brauchte gerade mal drei Monate, um von hundert Millionen Menschen angewendet zu werden. Das ist eine völlig neue Dimension.
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    ZDFheute: Ist der AI Act, der von der EU gerade auf den Weg gebracht wird, um KI zu regulieren, quasi zum Scheitern verurteilt?
    Pörksen: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich finde das Regulierungsbestrebungen sehr gut sind. Der AI Act ist ja in massiver Weise kritisiert worden, aber hier geht es doch darum, bestimmte Anwendungen wie die der Überwachung, des Scorings und Belohnungssysteme, die wir aus China kennen, von vornherein zu verbieten. Also nicht eine einzelne Technologie zu stigmatisieren, sondern bestimmte Anwendungen, die mit unserem Menschenbild in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht vereinbar sind.
    Das Interview führte NANO-Moderator Ingolf Baur.
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    Quelle: ZDF

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