Familienforscher will Muttertag in "Elterntag" umwidmen

    Künftig nur noch "Elterntag":Familienforscher will Muttertag abschaffen

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    Frauen sollen nicht auf ihre Mutterrolle reduziert werden. Der Familienforscher Wassilios Fthenakis will den Muttertag zum "Elterntag" umwidmen. Ist der Muttertag noch zeitgemäß?

    Ein Papiererz mit der Aufschrift "Zum Muttertag" steckt in einem Blumengeschäft in einem Topf mit der Pflanze Flammendes Käthchen.
    Fast eine Milliarde Euro geben Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland in diesem Jahr voraussichtlich für Muttertagsgeschenke aus.
    Quelle: dpa

    Viele Menschen fragen sich, wie sie den Muttertag zeitgemäß begehen können. Und: Braucht es ihn überhaupt noch? Der Familien- und Bildungsforscher Wassilios Fthenakis würde den Muttertag (nächsten Sonntag, 14. Mai) in seiner jetzigen Form am liebsten abschaffen:

    Ich glaube, dass wir den Muttertag umwidmen sollten in einen Elterntag, sonst schieben wir der Mutter eine Verantwortung zu, die sie allein nicht wahrnehmen kann und auch nicht wahrnimmt.

    Familien- und Bildungsforscher Wassilios Fthenakis

    Der renommierte griechisch-deutsche Pädagoge Fthenakis (85) forscht seit Jahrzehnten, wie sich Familie in Deutschland wandelt und berät unter anderem das Bundesverfassungsgericht als Sachverständiger.

    Muttertag vor 100 Jahren in Deutschland eingeführt

    Auch der Vatertag könne entsprechend umgewidmet werden, schlägt Fthenakis gegenüber der Deutschen Presse-Agentur vor: Elterntag sei gedacht "als Tag der Liebe, des Miteinanders, des Verständnisses und Respekts." Keine Gesellschaft könne ohne Eltern bestehen. "Wir werden mit einem Modell nicht die ganze Vielfalt abbilden, aber den Geist, der dahintersteckt."
    s/w Drei Mütter schieben Kinderwagen.
    Mutter sein in Deutschland – manche Frau verspürt eine Art Rolle rückwärts in Sachen Emanzipation. Was anderswo selbstverständlich ist, braucht hier Druck.09.05.2021 | 27:03 min
    Vor 100 Jahren gab es den Muttertag erstmals in Deutschland, in den USA wurde er schon zuvor eingeführt: US-Präsident Woodrow Wilson machte den zweiten Sonntag im Mai 1914 zum nationalen Ehrentag für Mütter. Die Wurzeln des Muttertags liegen in der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert.

    Experte: Muttertag baut Druck auf

    Fthenakis betonte, Frauen dürften nicht auf ihre Mutterrolle reduziert werden: "Der Muttertag baut Druck auf Frauen auf, die tagsüber keine Zeit haben, sich um die Kinder zu kümmern." Mit dem Muttertag diktiere die Gesellschaft der Frau, wie sie zu sein habe.

    Der Muttertag ist ein Normierungsinstrument.

    Wassilios Fthenakis, Familien- und Bildungsforscher

    Elternforscherin: Muttertag "Ausdruck des schlechten Gewissens"

    "In westlichen Gesellschaften gibt es mit Blick auf Mütter so ein mulmiges Gefühl, aber den Umgang mit Müttern und wie es ihnen geht, hinterfragt man nicht", sagt Elternforscherin Waterstradt. "Der Muttertag ist ein Ausdruck des schlechten Gewissens - das besänftigt man, indem man einmal im Jahr sagt: Blumen, Schokolade, und dann ist aber auch gut." Zu der Idee eines Elterntags sagt Waterstradt:

    Eine Zeit lang habe ich auch gedacht, das sei eine gute Idee. Aber die große Gefahr dabei ist heute, dass man sich sehr modern fühlen möchte und deshalb die evolutionären, historischen und aktuellen Unterschiede von Mutterschaft und Vaterschaft schlicht verdeckt.

    Elternforscherin Désirée Waterstradt

    Ein Vater könne sich entscheiden, ob er kooperativ, fürsorglich und kindzentriert sein wolle - und wenn er sich dagegen entscheide, werde es ihm gesellschaftlich auch nicht übel genommen. "Für Mütter ist das völlig anders", sagte Waterstradt von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.
    Quelle: dpa

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