Leben im Exil: Iraner in der Türkei unterstützen den Protest

    Leben im Exil:Iraner in der Türkei unterstützen den Protest

    von Jörg Brase, Istanbul
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    Viele leben seit Jahren in Istanbul, andere kamen erst nach Beginn der Proteste Mitte September. Sie schauen mit Hoffnung, aber auch mit Angst auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

    Türkei, Istanbul: Menschen protestieren gegen das Regime in Iran. Archivbild
    Auch in Irans Nachbarland Türkei gehen die Menschen gegen das Regime in Teheran auf die Straße. (Archiv: Dezember 2022)
    Quelle: Dilara Senkaya/Reuters

    Milad und Shiva machen sich Sorgen um eine gemeinsame Freundin. Die Exil-Iranerin und der Exil-Iraner sitzen an einem Küchentisch in Istanbul. Die Stimmung ist gedrückt. "Ist Hero noch im Gefängnis", fragt Shiva. "Nein, sie ist wohl auf Kaution raus. Wir wollten ihr auf WhatsApp eine Nachricht schicken, aber die ging nicht durch", antwortet Milad.
    Informationen aus der Heimat Iran zu bekommen, ist schwer in diesen Tagen. Das Regime in Teheran blockiert das Internet, zensiert soziale Medien. Wurde ihr im Gefängnis Gewalt angetan, so wie es in vielen Berichten steht? Geht es ihr gut?
    Die Auslands-Oppositionelle Masih Alinejad telefoniert, während sie draußen ist.
    Die Proteste im Iran haben längst die Landesgrenze überschritten. Auch im Exil setzten sich Frauen für die iranische Bevölkerung ein. 25.12.2022 | 1:30 min

    Dem Regime im Iran entflohen, aber ohne Arbeit

    Sie fühlen sich hilflos. So geht das seit Wochen, seit Monaten. Shiva Ebrahimi kam vor einem Jahr aus Teheran nach Istanbul. Milad Movahedi zog vor zehn Jahren bereits an den Bosporus.
    Sie ist Schauspielerin, er Filmkomponist. Beide Intellektuelle, Künstler*innen, die es in der Islamischen Republik nicht mehr ausgehalten haben. Die Vorschriften, die Beschränkungen, die Lügen.

    Das hat sich nicht wie reales Leben angefühlt.

    Shiva Ebrahimi, Exil-Iranerin in Istanbul

    Sie wollte in Freiheit leben, da lag es nahe, in die Türkei zu gehen, nach nebenan sozusagen, wo Iranerinnen und Iraner kein Visum brauchen. Nun sitzt sie hier, bekommt keine Engagements, lebt vom Ersparten und sorgt sich um die Sicherheit von Familie und Freund*innen in Iran.

    Gewalt gegen Frauen in Iran und Türkei anprangern

    So wie Shiva geht es vielen der rund 165.000 Iraner*innen, die offiziell in der Türkei registriert sind. Hinzu kommen nach Angaben des Innenministeriums 1.400 iranische Staatsbürger*innen, die als politische Flüchtlinge anerkannt sind und im Westen Asyl beantragen wollen.

    Wir wollen die Stimme des iranischen Volkes sein.

    Baharar Salehniya, Exil-Iranerin in Istanbul

    Auch Baharar Salehniya ist Schauspielerin und schminkt sich Blut und blaue Flecken ins Gesicht. In einer halben Stunde beginnt die Vorstellung. "Frauentrakt" heißt das Stück. Sie schrieb es für die iranische Gemeinde in Istanbul und für interessierte Türk*innen. Es handelt von Gewalt gegen Frauen, in Iran, in der Türkei.

    Auch im Exil im Visier iranischer Sicherheitskräfte

    Sie schrieb das Stück vor einigen Monaten bereits. Kurz darauf starb Mahsa Amini in iranischer Polizeihaft. Die Proteste begannen, und Baharars Theaterstück wurde mit jedem Tag aktueller. Baharar geht es wie Shiva, Milad und all den anderen Exilant*innen:

    Manchmal will ich sofort in den Iran zurückgehen und mitdemonstrieren. Doch dann warnen mich Freunde und sagen, die nehmen dich direkt am Flughafen fest und stecken dich ins Gefängnis.

    Baharar Salehniya, Exil-Iranerin in Istanbul

    "Also bleibe ich, und fühle mich schuldig", sagt Baharar. Sie und die meisten Exiliraner*innen sind in den sozialen Medien aktiv, sammeln Informationen, posten sie auf Instagram, Facebook, Twitter. Und damit sind sie im Visier der Sicherheitskräfte des iranischen Regimes. Auch hier in der Türkei.

    Ist Türkei "Hinterhof des iranischen Regimes"?

    Im Publikum der Theateraufführung sitzt Kaveh Ahangar. Ein Schauspielerfreund von Baharar. Er sagt, er sei nicht sicher hier. Die Türkei sei der Hinterhof des iranischen Regimes, heißt es oft. Kaveh sagt, er habe das am eigenen Leib erfahren.

    Zwei Leute überfielen mich in meiner Wohnung, banden mir die Hände auf den Rücken und wollten mich kidnappen.

    Kaveh Ahangar, Exil-Iraner in der Türkei

    "Meine Nachbarn bemerkten es, riefen Freunde dazu, und da mussten die Angreifer abhauen", berichtet Kaveh weiter.
    Sadaf Khadem ist iranische Boxerin im französischen Exil
    Eine iranische Boxerin im französischen Exil hat ein eigenes Modelabel gegründet. Die Kleidung lässt sie in Iran fertigen, um so die Frauen dort bei ihrem Kampf für die Freiheit zu unterstützen. 22.12.2022 | 1:50 min
    Er ist überzeugt, dass es Häscher des Regimes waren, die ihn in den Iran zurückholen wollten, wo ihm Gefängnis und vielleicht sogar die Hinrichtung drohten. Seitdem, sagt Kaveh, wechsle er regelmäßig seinen Aufenthaltsort und die Telefonnummer.

    Demonstrantin: "Proteste werden Erfolg haben"

    Eine junge Frau, die nicht will, dass wir ihren Namen nennen, kam vor ein paar Tagen erst nach Istanbul. Sie war dabei, auf den Straßen in Teheran, schrie ihre Wut heraus, schluckte Tränengas.
    Ihre Eltern schickten sie in die Türkei. Das sei sicherer, für sie und für ihre Familie in Iran. Ja, sie habe Angst gehabt, aber die Proteste werden Erfolg haben. Davon ist sie überzeugt.
    Jörg Brase berichtet für das ZDF aus der Türkei und dem Iran.
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