Der Mord, den es nie gab? Der Fall Genditzki

    Tod in der Badewanne:Der Mord, den es nie gab? Der Fall Genditzki

    Petra Neubauer
    von Petra Neubauer
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    Im dritten Prozess um den sogenannten "Badewannenmord" deutet vieles auf Freispruch hin. Dann wäre der heute 63-jährige Manfred Genditzki über 13 Jahre unschuldig in Haft gewesen.

    Manfred Genditzki (M) sitzt vor Prozessbeginn im Wiederaufnahmeverfahren um den sogenannten Badewannen-Mordfall zusammen mit seiner Anwältin Regina Rick (r) im Gerichtssaal.
    Manfred Genditzki hofft, dass ihm das dritte Verfahren einen Freispruch bescheren wird.
    Quelle: dpa

    Auf diesen Tag hat Manfred Genditzki lange gewartet. Nie hat er die Hoffnung aufgegeben, auch wenn es oft schwerfiel. Diesmal, im Wiederaufnahmeverfahren, stehen die Zeichen gut.

    Mord oder Unfall in der Badewanne?

    Selbst die Staatsanwaltschaft hat in ihrem Plädoyer einen Freispruch gefordert. Die entscheidende Frage sei, ob überhaupt eine Tat, also ein Mord stattgefunden habe, sagte Staatsanwalt Michael Schönauer in seinem Schlusswort. Das könne nach den neuesten Erkenntnissen nicht mehr eindeutig bejaht werden. Stattdessen deute vieles auf einen Unfall hin.
    Es könnte der Schlussstrich sein unter einer schier unglaublichen Geschichte, die für viele ein gewaltigen Justizirrtum ist.

    Hausmeister kümmerte sich um alte Dame

    Am 28. Oktober 2008 wird die 87-jährige Liselotte Kortüm tot in ihrer Badewanne aufgefunden. In der Seniorenanlage in Rottach-Egern hatte sich Hausmeister Manfred Genditzki jahrelang liebevoll um die alleinstehende alte Dame gekümmert, für sie eingekauft, Geldgeschäfte getätigt, sie chauffiert.
    Das Obduktionsprotokoll vermerkt nach dem Tod keine Anzeichen von Fremdeinwirkung, später aber wird es geändert. Die Kriminalpolizei Miesbach nimmt Manfred Genditzki ins Visier. Er habe sich "eigenartig" verhalten, unaufgefordert einen Kassenzettel als eine Art Alibi vorgelegt und Schmuckstücke, die Liselotte Kortüm einst ihm oder seiner Frau geschenkt hat, zurückgegeben, erklärt die zuständige Ermittlerin.

    Trotz schwacher Indizien: Lebenslang in zwei Prozessen

    So steht Manfred Genditzki plötzlich unter Mordverdacht. Er habe Liselotte Kortüm geschlagen und dann in der Wanne ertränkt. Das Motiv: Er habe Geld unterschlagen. Als das widerlegt wird, ist von einem Streit die Rede. Trotz schwacher Indizien, trotz vieler Zweifel wird er im ersten und - nach der Beanstandung durch den Bundesgerichtshof - auch im zweiten Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt.
    Seine Anwältin bilanziert:

    Man hat jemanden verurteilt, gegen den nichts sprach, und hat eine Realität geschaffen, die es nie gab.

    Regina Rick, Anwältin

    In den dreizehneinhalb Jahren im Gefängnis hat Genditzki immer wieder seine Unschuld beteuert. Er könne nichts zugeben, was er nicht getan habe, sagt er und verzichtet somit als "Tatleugner" auf Erleichterungen in der Haft.

    PC-Simulation verhilft zu Wiederaufnahmeverfahren

    Gemeinsam mit Anwältin Regina Rick erkämpft er sich schließlich dieses Wiederaufnahmeverfahren. Überzeugt hat vor allem eine Computersimulation mit einem exakten Modell von Liselotte Kortüm hinsichtlich Größe, Gewicht und Gesundheitszustand. Es zeigt, dass vieles auf einen Sturz von Kortüm hindeutet. Genau das war in den bisherigen Prozessen immer ausgeschlossen worden.
    Seltsam, denn Kortüm litt unter Schwindelanfällen und war durch eine Durchfallerkrankung zusätzlich geschwächt.

    Gutachten deutet auf späteren Todeszeitpunkt hin

    Auch ein thermodynamisches Gutachten entlastet Genditzki. Es legt nahe, dass der Todeszeitpunkt von Liselotte Kortüm viel später war als angenommen, zu einer Zeit, für die Manfred Genditzki ein gesichertes Alibi hat.
    Nun also hofft er auf einen guten Ausgang. In seinem Schlusswort bedankt er sich bei der Kammer, die "zum ersten Mal Interesse an der Wahrheit" habe. Und er betont noch einmal:

    Ich bin unschuldig.

    Manfred Genditzki vor Gericht

    4.912 Tage zu Unrecht im Gefängnis?

    Seine Verteidiger wollen keinen Freispruch aus Mangel an Beweisen, sondern weil Genditzki Liselotte Kortüm "schlicht nicht umgebracht" habe. Es dürfe nicht der kleinste Makel an ihm kleben bleiben, fordern sie.
    Wahrscheinlich also saß Genditzki 4.912 Tage zu Unrecht im Gefängnis. Dafür würde ihm eine Entschädigung zustehen - 75 Euro pro Tag, macht 368.400 Euro.

    Hoffnung liegt auf Freitag

    Frederike Leuschner von der kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden hat sich in ihren Studien mit Justizirrtümern und Entschädigungen auseinandergesetzt. Wichtig für die Betroffenen sei, dass vonseiten der Justiz eine Anerkennung des Unrechts erfolge. Dabei sei es egal, durch welche Person und auf welche Art.
    Eine Entschuldigung oder Ähnliches gab es für Genditzki bislang nicht. Im Wiederaufnahmeverfahren fragt sich Staatsanwalt Schönauer am Ende, was man in diesem Fall Hilfreiches sagen könne. Er finde die passenden Worte sicherlich nicht.
    Die wichtigsten Worte für Manfred Genditzki werden die von Richterin Elisabeth Ehrl sein. Am Freitag um 10 Uhr verkündet sie das Urteil.
    Petra Neubauer ist Redakteurin im ZDF-Studio München

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