Vjosa - der erste Wildfluss-Nationalpark in Europa

    Interview

    Im Einsatz für den Artenschutz :Der erste Wildfluss-Nationalpark in Europa

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    Nach jahrelangem Protest hat Albanien den Fluss Vjosa unter Naturschutz gestellt. Ergebnis eines schweren Kampfes, erklärt Artenschützer Ulrich Eichelmann im ZDFheute-Interview.

    Der Verlust der Biodiversität ist eine globale Krise. Allerdings ist in den letzten Jahren die Bedeutung von Ökosystemen mit ihren zahlreichen Tier- und Pflanzenarten deutlich stärker in das Bewusstsein von Forschung und Politik gerückt. Auch bei der albanischen Regierung hat ein Umdenken eingesetzt.
    ZDFheute: Warum ist der Schutz des Wildflusses Vjosa so wichtig?
    Ulrich Eichelmann: Flüsse und ihre Lebensräume sind die am meisten gefährdeten Ökosysteme der Welt. Kein anderer Lebensraumtyp ist in den vergangenen 50 Jahren dermaßen stark zerstört worden. Das zeigt auch, dass unsere bisherigen Schutzbemühungen und -gebiete nicht funktioniert haben.





    Das Konzept des Wildfluss-Nationalparks ist speziell auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Flüsse zugeschnitten. An der Vjosa kann es erstmals gelingen, fast ein ganzes Flusssystem, das gesamte Adernetz zu erhalten. Das ist ein ganz neues Schutzkonzept, das gab es bislang weltweit nicht.
    ZDFheute: Was bedeutet das für die Region?
    Eichelmann: Ohne den Nationalpark hätten die Vjosa und ihre Nebenflüsse auf Dauer keine Chance, sie würden nach und nach durch Wasserkraftwerke, Wasserableitungen, Bauprojekte usw. zerstört werden.

    Artenschützer Ulrich Eichelmann küsst einen Frosch
    Quelle: RiverWatch

    ... ist ein "Flussmensch" wie er von sich selbst sagt. Schon als Kind war er an den Flüssen seiner Heimat unterwegs, heute ist er an Flüssen auf der ganzen Welt zuhause. Nach seinem Studium der Landespflege arbeitete der Ökologe und Naturschützer bis 2007 beim WWF Österreich und leitete dort zahlreiche Projekte und Kampagnen v.a. zum Schutz von Flüssen. Ulrich Eichelmann leitet zurzeit die Naturschutzorganisation RiverWatch, einen Verein zum Schutz der Flüsse mit Sitz in Wien.

    Für die Region ist der Wildfluss Nationalpark aber vor allem eine große wirtschaftliche Chance. Das Gebiet ist von Abwanderung betroffen: Die meisten jungen Leute ziehen weg, weil sie bislang keine wirtschaftliche Perspektive hatten. Das ändert sich nun. Der Nationalpark bietet ihnen die Möglichkeit auf ein Einkommen aus dem Tourismus.
    ZDFheute: Sie haben über zehn Jahre für die Vjosa gekämpft. Was waren die größten Herausforderugnen?
    Eichelmann: Angefangen hat alles vor mehr als zehn Jahren. Mit EuroNatur, einer Naturschutzorganisation mit Sitz in Radolfzell am Bodensee, und EcoAlbania, unserem Partner in Albanien, haben wir zunächst versucht, die Vjosa und ihre Bedrohungen durch die Wasserkraft überhaupt sichtbar zu machen. Die kannte ja damals niemand.
    Artenschützer Ulrich Eichelmann an der ehemaligen Kraftwerksbaustelle "Kalivac" an der Vjosa in Albanien. Das Staudammprojekt war im Bau und wurde dann aus Naturschutzgründen gestoppt
    Artenschützer Ulrich Eichelmann an der ehemaligen Kraftwerksbaustelle "Kalivac" an der Vjosa in Albanien. Das Staudammprojekt wurde aus Naturschutzgründen gestoppt.
    Quelle: Andrew Burr

    In Albanien war selbst Wissenschaftlern nicht klar, welchen Schatz sie dort hatten. Das zu verdeutlichen ist uns dann nach und nach gelungen, vor allem mit Hilfe internationaler Medien. Als die dann über die Vjosa groß berichteten, sprangen auch die nationalen Medien auf das Thema.
    Rückblickend gab es zahlreiche entscheidende Momente in der Kampagne. Eine ungeplante Überraschung war, dass sich plötzlich Hollywood Star Leonardo DiCaprio via social media zur Vjosa meldete. Das ging wie eine Schockwelle durchs Land. In fast jeder Abendsendung wurde im TV darüber berichtet. "Wie kann es sein, dass dieser berühmte Mann sich um unsere Vjosa sorgt, während unsere Regierung sie verstauen will" haben sich viele gefragt.
    ZDFheute: Warum haben Sie nie aufgegeben?
    Eichelmann: Die Chance, hier etwas Einmaliges zu erhalten, gibt es im Leben nicht oft. Der Vjosa Wildfluss Nationalpark ist natürlich ein schönes Erfolgserlebnis.
    Daneben gibt es noch etwas: Das Engagement der Menschen in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kosovo etc. für ihre Natur finde ich extremst motivierend. Die setzen sich für ihre Flüsse ein, protestieren gegen deren Zerstörung, blockieren Baustellen ... . Sie verteidigen ihre Heimat, ihre Landschaft.

    Plan B
    Quelle: ZDF

    Mehr Dokumentationen von plan b und Hintergründe dazu finden Sie jederzeit in der ZDF-Mediathek oder samstags um 17:35 Uhr im TV.

    ZDFheute: Was sind Ihre nächsten Pläne?
    Eichelmann: Die Vjosa und ihre Zuflüsse sind nun zwar rechtlich geschützt, aber wir müssen in den nächsten Jahren zweierlei erreichen: Zum einen soll der Nationalpark erweitert werden, vor allem das Delta muss mit hinein. Ebenso soll der griechische Teil des Flusssystems - also der Aoos - samt Zuflüssen Nationalpark werden. Dann hätten wir einen bilateralen Wildfluss Nationalpark, der rund 700 Kilometer Fließgewässer schützen würde.
    Zum anderen müssen wir erreichen, dass es einen guten Management-Plan gibt, der den Tourismus regelt - aber auch, wo wie gefischt werden kann. Ein entscheidender Punkt wird zudem sein, die negativen Einflüsse, die es noch gibt - wie Schotterentnahmen aus dem Flussbett, Verschmutzung oder anderes - zu beenden.
    Das Interview führte Eva Bayer

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