Großbritannien: Trinkgelage auf fremde Kosten

    Trinkspiel in Großbritannien:Die Traurigsten bekommen den Drink

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    Gemütlich ins Pub - und sich die Trinkrunde von Fremden per App bezahlen lassen. Es braucht nur einen überzeugenden Grund. Schräge Idee? Nicht für die Briten.

    Zwei Pints Bier stehen auf einem Tresen, aufgenommen am 23.01.024 in London
    Populäres Trinkspiel in Großbritannien: Fremde die Pub-Zeche zahlen lassen
    Quelle: dpa

    "Zwei abgebrannte Studentinnen feiern das Ende einer harten Studienzeit. Alle Getränke willkommen (außer Bier bitte)." Ein Foto zum Text zeigt zwei junge Frauen an einem Kneipentisch in Canterbury. Kurz danach geht es los: "Zwei Cider auf dem Weg", schreibt zum Beispiel ein Facebook-Nutzer. Das Besondere: Der Mann, der soeben die Getränke spendiert hat, kennt die jungen Frauen gar nicht. Er ist vermutlich nicht einmal in ihrer Nähe. Aber er spielt mit - beim derzeit wohl größten Trinkspiel in Großbritannien.
    Das Spiel geht so: Man sitzt mit Freunden, Kollegen oder Verwandten in einer Kneipe der vergleichsweise günstigen Pub-Kette Wetherspoon und postet in die Facebook-Gruppe "Wetherspoons The Game!" einen Text, warum man dort ist. Dazu ein Foto aller Begleiter. Und - ganz wichtig - den Namen des Pubs und die Tischnummer.
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    Getränkespenden in Hülle und Fülle

    Kommt man überzeugend dabei rüber, winken Getränke. Bier, Cider, Schnaps. Aussuchen kann man sich das nicht. Und es kommt vor, dass mehr spendiert wird, als man trinken will. Oder kann. Die Sponsoren bestellen - und zahlen - per App.
    Der Clou: Anders als bei den meisten Kneipen, die die Ortsbestimmung des Handys nutzen, kann von überall auf die Wetherspoon-App zugegriffen werden. Lautstarker Chef der Kette ist übrigens Brexit-Vorkämpfer Tim Martin, der jüngst wegen seiner Verdienste um die Wirtschaft zum Ritter geschlagen wurde.

    Alkohol ist ein Zellgift, das wasser- und fettlöslich ist. Er gelangt vor allem über die Schleimhaut des Dünndarms ins Blut. Dort verteilt er sich innerhalb weniger Minuten im Blutkreislauf und schließlich im gesamten Körperwasser. Organe wie Herz, Gehirn oder Muskeln werden beeinträchtigt. Über 90 Prozent des Alkohols baut die Leber ab. Sie trägt damit die Hauptlast der möglichen Schädigungen. Dennoch können durch Alkoholkonsum auch andere Körperorgane und Nervenzellen geschädigt werden.

    Das Spiel erfunden hat Chris Illman, bereits vor einigen Jahren und eigentlich für seine Kumpels:

    Als ich die Gruppe gegründet habe, war ich gerade von einer Krebserkrankung genesen, hatte mich scheiden lassen und schlief in meinem Auto. Ich wollte etwas, das mich positiv denken lässt.

    Chris Illman, Erfinder des Spiels, im "Guardian"

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    Mehr als eine halbe Million Gruppenmitglieder

    Seit November 2023 aber explodiert das Spiel. Offenbar hat Facebook einen Algorithmus geändert. Seitdem ist die Gruppe für etliche Nutzer zu sehen. In kürzester Zeit schoss die Mitgliederzahl von wenigen Tausend auf mittlerweile deutlich mehr als eine halbe Million. Illman nutzt die Popularität und ruft regelmäßig zu Hilfsaktionen auf, zum Beispiel um Obdachlose mit Essen zu versorgen.
    Er glaubt zudem, 90 Prozent der Mitspieler würden tatsächlich selbst einmal spenden. Eine Geste der Freundlichkeit also in schweren Zeiten und die Hoffnung, einmal selbst zu profitieren.
    Zwei Personen stoßen an einem Tisch mit einem Glas Sekt an
    Quelle: ZDF

    Kritische Stimmen: Gesundheitliche Risiken

    Angesichts der riesigen Mitgliederzahl des "Game" regt sich aber auch Kritik. "Dies wird langsam zu einer Bettelseite, und die meisten Leute haben nicht die Absicht zurückzuzahlen", kritisierte ein Nutzer das Foto der beiden Studentinnen aus Canterbury.

    Warum geht man überhaupt ins Pub, wenn man pleite ist?

    "Game"-Kritiker

    Hinzu kommen gesundheitliche Risiken. Alkoholische Inhalte in sozialen Medien könnten dazu führen, dass Jugendliche mit dem Alkoholkonsum beginnen und dass Erwachsene deutlich mehr trinken, als ihnen gut tue, sagte der Suchtexperte Alex Barker von der Universität Derby der "Daily Mail". Erst recht, wenn die Getränke kostenlos sind.
    Quelle: dpa

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