Afghanen-Visa ausgesetzt:Rechtsbruch im Baerbock-Ministerium?
von Armin Coerper und Julia Held
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Trotz erteilter Aufnahmezusagen verwehrt die Bundesregierung Hunderten Schutzsuchenden aus Afghanistan die Einreise nach Deutschland. Experten sprechen von einem Rechtsbruch.
Schutzsuchende aus Afghanistan dürfen derzeit nicht mehr nach Deutschland einreisen, auch wenn sie über eine Aufnahmezusage und gültige Visa verfügen.11.04.2023 | 8:51 min
Die Koffer der afghanischen Frauenrechtlerin Fatima* waren schon gepackt. Diese Woche sollten sie und ihre Familie vom Flughafen in Teheran abheben. Das Ziel: Berlin. Fatima zeigt die Pässe sämtlicher Familienmitglieder samt gültiger Visa, ausgestellt vor sechs Wochen von der deutschen Botschaft im Iran.
Doch jetzt wissen sie nicht mehr, ob sie jemals in Deutschland ankommen werden. "Als mein Mann letzte Woche um Unterstützung bei der Flugbuchung gebeten hat, haben wir eine Email bekommen, die uns sagte, dass wir nicht nach Deutschland einreisen dürfen", erzählt die Frauenrechtlerin mit Tränen in den Augen. Gründe für ihre Entscheidung nannte die zuständige deutsche Behörde, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), nicht.
Deutschland setzt Ausreise von Afghanen aus
Vor zwei Monaten seien sie und die Familie unter Lebensgefahr auf der Flucht vor den Taliban aus Afghanistan nach Teheran gereist, erzählt die Afghanin. Im Gepäck eine Aufnahmezusage des Auswärtigen Amts und das Versprechen auf eine sichere Zukunft in Deutschland.
Doch dann habe die deutsche Regierung die Ausreise aller Afghanen kurzfristig ausgesetzt "Was soll ich meinen Kindern sagen?" fragt Fatima.
Auswärtiges Amt verweist auf Sicherheitsmechanismen
Eine afghanische Frauenrechtlerin und ihre Familie, die trotz erteilter Aufnahmezusagen nicht nach Deutschland einreisen dürfen? Es scheint ein weiterer bizarrer Höhepunkt im ohnehin viel kritisierten deutschen Umgang mit Schutzsuchenden aus Afghanistan.
Auf Nachfrage erklärt das Auswärtige Amt, Hintergrund für den Aufnahmestopp seien vereinzelte Hinweise auf mögliche Missbrauchsversuche. Als Ergebnis habe man gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium vereinbart, optimierte Sicherheitsmechanismen zu ergänzen. "Bis zur Etablierung dieser Sicherheitsmechanismen, können erst einmal keine Einreisen nach Deutschland von aufgenommenen afghanischen Staatsangehörigen stattfinden", heißt es in einer Email.
Jurist spricht von Rechtsbruch
Eine Erklärung, wie lange das dauern wird und was das für diejenigen bedeutet, deren Visa ablaufen, gibt es nicht. Es bleibt bei standardisierten Antworten ohne Bezug zu den konkreten Verfahren. Bei diesem Vorgehen hat nicht nur der Jurist Matthias Lehnert rechtliche Bedenken: "Ein Visum, das einmal erteilt wurde, kann nicht einfach zurückgenommen werden. Dafür gibt es ein festgelegtes Verfahren, in dem die Personen angehört werden müssen", sagt der Experte für Aufenthaltsrecht.
Auch die Oppositionspolitikerin Serap Güler von der CDU hat Zweifel an der Entscheidung und übt scharfe Kritik an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne): "Wir reden hier über Frauenrechtlerinnen, über Frauen, die dem Taliban-Regime entkommen sind. Was passiert mit diesen Frauen, die jetzt in Teheran stecken und nicht nach Deutschland können? Oder zurück zu diesem Regime, zu den Taliban müssen?"
Hunderte Afghanen warten auf Ausreise nach Deutschland
Für Afghaninnen und Afghanen, die auf Schutz in Deutschland gehofft haben, kommt die Entwicklung zur Unzeit. Hunderte sitzen aktuell in den Nachbarländern Afghanistans, vor allem im Iran und Pakistan, und warten auf Ausreise. Keiner kann sagen, wie schnell die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen in den chronisch unterbesetzten Botschaften in Teheran, Islamabad oder im usbekischen Taschkent überhaupt eingeführt werden können.
Hinzu kommt: Auch das mit großem Stolz im Oktober 2022 angekündigte Bundesaufnahmeprogramm droht zur Blamage für die Regierung zu werden. 1.000 Personen mit besonderem Schutzbedarf sollten eigentlich jeden Monat aus Afghanistan aufgenommen werden. Die bisherige Bilanz: Keine einzige Person konnte bislang über das Programm nach Deutschland kommen.
Quelle: ZDF
Sehen Sie mehr zum Thema bei frontal, am Dienstag, 11. April 2023, um 21 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek.
Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in Gefahr?
Auch der renommierte Migrationsexperte Gerald Knaus sieht die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in Gefahr.
Und so hofft also nicht nur die Frauenrechtlerin Fatima in Teheran, dass Deutschland die Sicherheitsüberprüfungen schnellstmöglich verbessert. Sie habe Verständnis, dass die Sicherheit Priorität habe, sagt sie.
Aber wie sie ihren Kindern erklären soll, dass die deutschen Behörden Versprechungen machen, die sie dann offenbar doch nicht einhalten können, das weiß sie nicht.
*Name aus Sicherheitsgründen geändert
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