Am 19. April 1943 erhoben sich jüdische Aufständische in Warschau gegen die in das Ghetto einmarschierenden SS-Einheiten - nur wenige von Ihnen überleben. In Polen wird zum Jahrestag den Opfern des Aufstands gedacht.19.04.2023 | 2:32 min
Heute vor 80 Jahren begann der Aufstand im Warschauer Ghetto. Es war der größte bewaffnete Widerstandsakt von Juden in Europa gegen die
Nazis. Lesen Sie hier die Hintergründe:
Wie war die Situation der Juden im besetzten Polen?
Vor dem Krieg lebten in Polen so viele Juden wie in keinem anderen europäischen Staat. Bei der Volkszählung 1931 deklarierten mehr als drei Millionen Menschen die Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben. Zum Vergleich: In der Weimarer Republik waren es 1933 etwa 500.000.
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Nach dem Überfall auf Polen im September 1939 begannen die deutschen Besatzer mit ihrer Vernichtungspolitik. In den Städten sperrten sie die jüdische Bevölkerung in Ghettos ab – auf engstem Raum, mit Hungerrationen und völlig der Willkür der SS ausgeliefert. Fluchtversuche wurden mit dem Tode bestraft – das galt auch für Helfer auf der "arischen Seite". Wer den Terror im Ghetto überlebte, starb mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem der deutschen Vernichtungslager.
Wie war die Lage im Warschauer Ghetto?
Im Oktober 1940 hatten die Deutschen das Ghetto wegen angeblicher Seuchengefahr errichtet und Juden aus ganz Polen dort zusammengepfercht. Rund 450.000 Juden wurden dort zeitweise auf engstem Raum unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht.
Irena Likierman-Boldok erlebte die Gräuel des Warschauer Ghettos als Kind.19.04.2018 | 3:39 min
Sie litten unter Hunger und Krankheiten, Typhus und Gelbfieber breiteten sich aus. Zehntausende Menschen starben, die Straßen waren mit Leichen übersät. Von Juli bis September 1942 wurden zwischen 280.000 und 310.000 Menschen aus dem Ghetto in das NS-Vernichtungslager Treblinka deportiert und ermordet, etwa 10.000 starben während der Vertreibung und über 11.000 wurden in Arbeitslager in Trawniki oder Majdanek gebracht.
Was war der Auslöser für den Warschauer Ghettoaufstand?
Am 19. April 1943 sollten die letzten im Ghetto verbliebenen Menschen aus dem Ghetto geholt werden. Aus diesem Grund erhoben sich ihre Bewohner gegen die Übermacht von SS und Wehrmacht.
Etwa 750 spärlich bewaffnete Kämpfer setzten sich zur Wehr. Wie viele Waffen den Aufständischen zur Verfügung standen, ist weiterhin Gegenstand der Forschung. Klar ist: Sie reichten nicht aus, um einen ausgeglichenen Kampf zu führen. Laut mehrerer Quellen zogen sie mit wenigen Pistolen, Messern, Handgranaten und Molotow-Cocktails und Gewehren in den Kampf gegen gut ausgestattete und zahlenmäßig überlegene Soldaten, SS und Polizeikräfte - diese wurden durch Panzer, Artillerie und Luftwaffe unterstützt. Sie setzten außerdem Flammenwerfer ein.
Wie verlief und endete der Aufstand?
Das Überraschungsmoment war auf der Seite der Widerstandskämpfer. Sie schafften es, dass sich die SS-Männer zunächst zurückzogen. In den ersten Tagen des Aufstandes konnten die Kämpfer die Angriffe zurückschlagen, doch am Ende hatten sie keine Chance. Die Deutschen begannen unter dem SS-Gruppenführer Jürgen Stroop, das Ghetto systematisch in Brand zu stecken. Wie hoch die Verluste auf deutscher Seite waren, ist nicht eindeutig belegt. Der polnische Untergrund zählte knapp 100 Tote und etwa 400 Verwundete.
Insgesamt forderten die Kämpfe mehr als 12.000 Todesopfer. Weitere über 30.000 Menschen wurden anschließend erschossen, 7.000 in Vernichtungslager transportiert. Wenigen gelang die Flucht durch die Kanalisation. Die Kämpfe dauerten bis zum 16. Mai an. Nach der blutigen Niederschlagung des Widerstands wurde die Synagoge auf Befehl von SS-Gruppenführer Jürgen Stroop zerstört. Zur symbolträchtigen Sprengung schrieb er in seinem Tagesbericht: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk Warschau mehr."
Krystyna Budnicka ist eine der vielen Juden, die Richtung Hunger und Grausamkeit ins Warschauer Ghetto geschickt wurden. Und eine der Wenigen, die den Aufstand überlebt haben.
Milena Drzewiecka, Warschau
Quelle: ZDF, KNA, dpa, AFP