Nürnberger Prozesse: NS-Chefankläger Ferencz ist tot

    Nürnberger Prozesse:NS-Chefankläger Benjamin Ferencz ist tot

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    Benjamin Ferencz, der letzte Chefankläger bei den Nürnberger Prozessen, ist tot. Die Welt habe einen Anführer im Kampf für Gerechtigkeit verloren, schrieb das US-Holocaust-Museum.

    Benjamin Ferencz, 2018
    Benjamin Ferencz: "Wir müssen das Recht aller Menschen in jedem einzelnen Land schützen, in Frieden und Würde zu leben."
    Quelle: Imago

    Der letzte bisher noch lebende Chefankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen, Benjamin Ferencz, ist tot. Er starb am Freitag im Alter von 103 Jahren in einer Betreuungseinrichtung in Florida. Dies berichteten US-Medien unter Berufung auf seinen Sohn Don Ferencz. Das US-Holocaust-Museum schrieb auf Twitter:

    Die Welt hat einen Anführer im Kampf für die Gerechtigkeit für Opfer von Genozid und damit verbundenen Verbrechen verloren.

    US-Holocaust-Museum

    Spielszene: Männer in Uniform, teils mit Gewehren, sitzen am Lagerfeuer.
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    Ferencz wurde mit 27 Jahren Chefankläger

    Ferencz wurde 1920 im damals ungarischen Siebenbürgen als Sohn orthodoxer Juden geboren und wanderte als Kind mit seinen Eltern in die USA aus. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen in New York auf und studierte dank eines Stipendiums später an der Elite-Universität Harvard. Der Jurist war nicht einmal 30 Jahre alt, als er Nazi-Kriegsverbrechern in Nürnberg den Prozess machte.
    Vom 20. November 1945 an mussten sich in Nürnberg führende Nationalsozialisten und damit erstmals in der Geschichte Vertreter eines Unrechtsregimes vor Gericht verantworten. Die alliierten Siegermächte stellten 21 Führungspersönlichkeiten des Deutschen Reiches wie Adolf Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß und Reichsmarschall Hermann Göring vor ein internationales Gericht. Der Prozess endete nach fast einem Jahr mit zwölf Todesurteilen.
    Nuernberger-Prozesse
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    Ferencz kämpfte für Frieden und Gerechtigkeit

    Ferencz war Chefankläger in einem der zwölf Nachfolgeprozesse, die von 1946 bis 1949 auf das Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher folgten. 24 führende SS-Leute klagte er unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen an. Vor den Prozessen war er als US-Soldat bei der Befreiung mehrerer Konzentrationslager dabei. Die Sühnung der deutschen Kriegsverbrechen wurde zu seinem großen Lebensthema.



    "Es gab bei den Nazis Anweisungen, bei einer Mutter, die ein Baby hält, durch das Baby zu schießen, weil man so beide auf einmal umbringen kann. Das sind Horrorgeschichten, aber sie sind wahr und wir müssen uns mit ihnen beschäftigen, damit sie nicht noch mal passieren", sagte Ferencz in einem Interview im Jahr 2020.

    Ich habe das Gefühl, für die Opfer zu sprechen, für ermordete Männer, Frauen und Kinder. Kleinkinder, deren Köpfe an Bäumen zerschellten.

    Benjamin Ferencz

    Wegbereiter des Internationalen Strafgerichtshofs

    Die historische Rolle des Juristen geht über die Bedeutung der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse hinaus. Denn Ferencz fügte nicht nur den Begriff "Genozid" in die Gerichtspraxis ein, er gilt auch als einer der Geburtshelfer des Internationalen Strafgerichtshofs. Mit fast 90 Jahren eröffnete er 2009 symbolisch das erste Plädoyer der Anklage des Gerichts in Den Haag.
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    "Bens beständiges Streben nach einer friedlicheren und gerechteren Welt umspannte fast acht Jahrzehnte und hat die Art, wie wir auf die schlimmsten Verbrechen der Menschheit reagieren, für immer bestimmt", sagte die Direktorin des US-Holocaust-Museums. "Er hat in Nürnberg Geschichte geschrieben und tat dies auch weiterhin während seines außerordentlichen Lebens." In seiner 2020 erschienenen Biografie formuliert Ferencz selbst es so:

    Wir müssen das Recht aller Menschen in jedem einzelnen Land schützen, in Frieden und Würde zu leben. Das ist mein Ziel. Wenn ihr dieses Ziel auch habt: Tut dafür, was immer ihr könnt.

    Benjamin Ferencz

    UN-Menschenrechtshochkommissar Volker Türk zollte Ferencz via Twitter höchste Anerkennung. Sein Vermächtnis müsse "eine anhaltende Inspiration für Gerechtigkeit und Frieden sein".
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    Quelle: dpa, KNA

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