Migrationskrise: EU-Parlament stimmt für Asylreform

    Verschärfte Regeln :EU-Parlament stimmt für Asylreform

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    Jahrelang wurde über das Asylrecht gestritten - nun hat das EU-Parlament für eine Reform gestimmt. Grundsätzlich werden die Regeln für Asyl und Migration restriktiver.

    EU-Flaggen vor dem Europäischen Parlament
    Das EU-Parlament hat die umstrittene Asylreform endgültig verabschiedet. Damit sollen die Kontrollen an den Außengrenzen verschärft und Flüchtlinge fairer verteilt werden.10.04.2024 | 2:56 min
    Das EU-Parlament hat die umstrittene EU-Asylreform final gebilligt. Im Kern geht es um schärfere Asylregeln: Das Europaparlament hat nach jahrelangem Streit für die Reform gestimmt. Hauptankunftsländer wie Italien oder Griechenland sollen entlastet werden. Die Asylagentur der Europäischen Union hatte im vergangenen Jahr rund 1,1 Millionen Anträge verzeichnet, den höchsten Wert seit 2016. Das ist geplant:

    Was ist an Europas Außengrenzen vorgesehen?

    Erstmals soll es dort Asylverfahren geben, um Migranten mit geringen Aufnahmechancen an der Weiterreise zu hindern. Dies betrifft etwa Menschen aus Marokko, Tunesien oder Bangladesch, die eine höchstens 20-prozentige Anerkennungsquote in der EU haben.
    ZDF-Korrespondent Ulf Röller aus Brüssel
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    In die Grenzverfahren kommen zudem Migranten, die als Sicherheitsgefahr eingestuft werden, oder die die Behörden in die Irre geführt haben, etwa mit einem falschen Pass. Betroffene sollen einen kostenlosen Rechtsbeistand erhalten.

    Was passiert bei den Grenzverfahren?

    Die Migranten sollen in Grenznähe festgehalten und von dort aus direkt abgeschoben werden. Juristisch werden sie als nicht in die EU eingereist betrachtet. Das Asylverfahren und die Rückführung sollen im Regelfall bis zu zwölf Wochen dauern. Die Mitgliedsländer wollen zunächst 30.000 Plätze in Grenzlagern schaffen, nach vier Jahren sollen es 120.000 sein.
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    Warum war das umstritten?

    Die Bundesregierung und insbesondere die Grünen wollten neben unbegleiteten Minderjährigen auch Familien mit Kindern von den Grenzverfahren ausnehmen. Dies scheiterte jedoch. Auf Druck des EU-Parlaments sollen Familien mit Kindern aber als letzte in die Grenzverfahren kommen, ihre Anträge sollen als erste bearbeitet werden und sie sollen "geeignete Aufnahmebedingungen" vorfinden. Die EU-Asylagentur mit Sitz in Malta soll dies überwachen.

    Wo soll es noch Asylverfahren geben?

    Die Mitgliedsländer können Asylbewerber künftig in "sichere Drittstaaten" wie Tunesien oder Albanien zurückschicken. Voraussetzung ist, dass Migranten eine Verbindung zu dem Drittstaat haben, etwa durch Angehörige. Eine Durchreise reicht nicht aus. Eine EU-Liste sicherer Länder gibt es bisher nicht, sie soll aber erarbeitet werden.
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    Was ist bei der Verteilung von Migranten geplant?

    Auch künftig ist das Land der ersten Einreise in der Regel für einen Asylantrag zuständig. Es greift aber ein verpflichtender Solidaritätsmechanismus. So will die EU jährlich mindestens 30.000 Migranten aus Italien oder Griechenland umverteilen. Auf Deutschland kämen theoretisch rund 6.600 Menschen pro Jahr zu. Allerdings können Vorjahresankünfte abgezogen werden.
    Staaten wie Ungarn können sich von einer Aufnahme zudem freikaufen, im Gespräch sind 20.000 Euro pro Migrant. Alternativ können sie Grenzbeamte entsenden oder Projekte in Drittländern finanzieren.
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    Was ist mit der Erfassung der Migranten?

    Bislang kommen zahlreiche Menschen unregistriert in Deutschland an. Dies soll sich mit der Reform ändern. Grenzländer wie Italien oder Griechenland sollen biometrische Fingerabdrücke oder Fotos der Migranten in der Eurodac-Datenbank der EU registrieren. Erstmals sind Kinder ab sechs Jahren davon betroffen, bisher galt 14 als Untergrenze.
    Wer ein "Sicherheitsrisiko" darstellt, soll speziell gekennzeichnet werden, vor allem bei Verbindungen zu "Terrorgruppen". Der Schnell-Check soll maximal sieben Tage dauern.

    Was passiert bei Ankunft besonders vieler Geflüchteter?

    Das regelt eine Krisenverordnung. Auch Migranten mit bis zu 50-prozentiger Anerkennungsquote sollen dann die Grenzverfahren durchlaufen. Sie können dann sogar 18 statt zwölf Wochen festgehalten werden. Wenn Russland oder andere Drittländer Geflüchtete "instrumentalisieren", müssen sie vollständig in Grenzverfahren. Das träfe dann auch Syrer oder Afghanen, die mit die höchsten Anerkennungschancen in Europa haben.
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    Ab wann soll das neue Recht gelten?

    Vor den Europawahlen vom 6. bis 9. Juni wollen die EU-Länder den Asylpakt noch formell billigen. Danach haben sie zwei Jahre Zeit zur Umsetzung. Im Sommer, wenn wieder besonders viele Migranten in Europa erwartet werden, greift die Reform noch nicht.

    Was heißt das jetzt für Deutschland?

    Kurzfristig wird sich an der Situation in Deutschland nichts ändern. Denn bis die Regelungen greifen, werden noch Jahre vergehen. Die Reform könnte die Zahl der Geflüchteten in Deutschland verringern, denn ein Teil der Schutzsuchenden wird dann von den Außengrenzen direkt zurückgeschickt, und die verschärften Regeln könnten abschreckend wirken. Darauf hoffen neben den Verhandlern auch CDU und CSU sowie Länder und Kommunen.
    Quelle: AFP, dpa

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