Expertin Major: "Großer Erfolg" der Ukraine ausgeblieben

    Interview

    Sicherheitsexpertin Major:"Großer Erfolg" der Ukraine ausgeblieben

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    Die Ukraine wehrt sich weiter gegen Russlands Angriff - zuletzt scheint die Lage an der Front zu stocken. Expertin Major erklärt, welche Erfolge Kiew bisher verbuchen kann.

    Major: "Großer Erfolg ausgeblieben"
    Nach Einschätzung der Sicherheitsexpertin Claudia Major braucht die Ukraine mehr Hilfen westlicher Staaten, um in eine überlegene Position gegenüber Russland zu kommen.14.11.2023 | 5:38 min
    Die Sicherheitsexpertin Claudia Major sieht bei der ukrainischen Gegenoffensive gegen den russischen Angriffskrieg in erster Linie "kleinere Fortschritte". Im ZDF-Morgenmagazin sagt die Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP):

    Wir haben seit dem Beginn der ukrainischen Offensive im Juni gesehen, dass es (...) kleinere Fortschritte gab, also insbesondere mit Blick auf die Krim.

    Claudia Major, Sicherheitsexpertin

    Dort sei es der Ukraine gelungen, hinter die russischen Linien zu zielen und etwa Gefechtsstände zu zerstören. Dadurch seien auch ukrainische Getreidelieferungen per Schiffsverkehr wieder möglich gewesen.

    Aber insgesamt muss man sagen, dass der große Erfolg ausgeblieben ist.

    Claudia Major, Sicherheitsexpertin

    Sicherheitsexpertin Major: Ukraine braucht "Überlegenheit"

    Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, hatte Anfang November davor gewarnt, der Krieg drohe zu einem zermürbenden und unbeweglichen Stellungskrieg zu werden und sprach von einer "Pattsituation". Kurz darauf widersprach Präsident Wolodymyr Selenskyj allerdings den Aussagen. Dazu sagt Major, dass sich tatsächlich ein Stillstand an der Front entwickeln könne, sollte sich bei der Unterstützung der Verbündeten für die Ukraine nicht etwas fundamental ändern: "Das Risiko besteht."
     High Representative of the European Union for Foreign Affairs and Security Policy Josep Borrell arrives prior the start of a European Defence ministers council meeting in Brussels, Belgium, 14 November 2023.
    Die EU-Verteidigungsminister beraten in Brüssel über weitere Hilfen für die Ukraine. Offenbar gibt es keine einheitliche Position zur langfristigen Finanzierung von Militärhilfen.14.11.2023 | 0:23 min
    Die westliche Unterstützung sei zwar bisher sehr groß gewesen und habe es der Ukraine erlaubt, eine "gewisse Parität" mit Russland aufzubauen, doch:

    Wenn die Ukraine wirklich ihre Gebiete befreien soll, dann braucht sie Überlegenheit. Dann muss sie stärker sein, damit es ihr gelingt, Russland wirklich aus den besetzten Gebieten zu vertreiben.

    Claudia Major, Sicherheitsexpertin

    Fraglich sei, ob die westlichen Staaten bereit dazu sind, "diesen nächsten Schritt" zu gehen. Saluschnyj habe klare Forderungen gestellt: Luftüberlegenheit, elektronische Kriegsführung, Artillerieaufklärung. Wenn sich die westlichen Staaten nicht zu diesem "Extra-Schritt" durchringen könnten, drohe "wirklich der Stillstand", sagt Major.

    ZDF-Korrespondent: Es hakt bei EU-Zusagen an Kiew

    Florian Neuhann, ZDF-Korrespondent in Brüssel, betont, dass sich die EU zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht auf längerfristige Hilfen einigen könne.
    "Da liegt seit Wochen ein Vorschlag des europäischen Außenbeauftragten Josep Borell auf dem Tisch, der sagte, man solle sich nicht mehr von einer kleinen Tranche von Militärhilfen zur nächsten hangeln, sondern man wolle der Ukraine langfristig Planungssicherheit geben mit einer Hilfe von 20 Milliarden über die nächsten vier Jahre", sagte Neuhann. Doch der Vorschlag werde vor allem von Ungarn blockiert.

    Mit den europäischen Zusagen für Kiew, da hakt es gerade durchaus.

    Florian Neuhann, ZDF-Korrespondent in Brüssel

    Brüssel: Unterstützung für Kiew "hakt"
    Von den Geschossen, die der Ukraine versprochen wurden, sei erst ein Drittel geliefert worden, so ZDF-Korrespondent Florian Neuhann. "Mit den europäischen Zusagen für Kiew, da hakt es."14.11.2023 | 1:42 min

    Major: "Russland setzt immer noch auf Sieg"

    Bei den bisherigen Unterstützungen für die Ukraine müsse hinterfragt werden, wann diese greifen würden, sagt Sicherheitexpertin Major. So sei beispielsweise in den westlichen Unterstützerstaaten die Artillerieproduktion hochgefahren worden, "aber das wird sich erst 2025 bemerkbar" machen. Es fehle noch das Gesamtbild, wie die Ukraine in die "Überlegenheit" gegenüber Russland gebracht werden solle.
    Auf diplomatische Lösungen könne man derzeit nicht hoffen, betont die Expertin. Russland habe kein Interesse an "ehrlichen Verhandlungen".

    Russland setzt immer noch auf Sieg. Das heißt, die russische Vorstellung von Verhandlung ist de facto eine Kapitulation der Ukraine.

    Claudia Major, Sicherheitsexpertin

    Sollte die Ukraine aufhören, sich zu verteidigen, "wäre sie wahrscheinlich einer weiteren russischen Eroberung preisgegeben", sagt Claudia Major. Das Kriegsziel des Kreml, die Ukraine als souveränen Staat auszuradieren, habe sich nicht geändert.
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    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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    Quelle: ZDF
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