Niederlande: Asylpolitik um Geert Wilders rechte Koalition

    Analyse

    Migration in den Niederlanden:Rechtsradikale Töne bei Wilders Asylpolitik

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    von Britta Behrendt
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    Die neue niederländische Koalition um Geert Wilders ist sich einig: Die Asyl- und Migrationspolitik soll verschärft werden. Juristen bezweifeln, dass die Pläne durchsetzbar sind.

    Man sieht den niederländischen Politiker Wilders in einem Gang am Laufen.
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    "In den Niederlanden wird vieles anders: die strengste Asylpolitik, die wir jemals hatten", das hatte Geert Wilders von der rechtspopulistischen "Partei für die Freiheit" vergangene Woche bei der Präsentation des Koalitionsplans angekündigt. Monatelang war die Regierungsbildung in den Niederlanden eine Hängepartie.
    Asyl- und Migrationspolitik war dabei wohl das Thema, um das die vier Parteien der zukünftigen rechten Regierung am heftigsten gerungen haben. Für Wilders ist die Asylpolitik neben dem Kampf gegen den Islam seit der Gründung seiner Partei Hauptthema. "Niederländer wieder auf Platz 1", sein Wahlkampfslogan, ist in den Grundlinien, die noch in einen Koalitionsvertrag münden müssen, deutlich wieder zu erkennen.

    Partei für die Freiheit (PVV), Parteiführer Geert Wilders: Wilders wurde vor allem mit seinen Standpunkten gegen den Islam und Muslime groß, profiliert sich auch europaskeptisch und populistisch.

    Neuer Sozialvertrag (NSC) von Pieter Omtzigt: Omtzigt brachte als Parlamentarier der konservativen CDA den Kindergeldskandal ans Licht, will mit seiner neuen Partei mehr Rechtsstaatlichkeit schaffen.

    Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) von Dilan Yesilgöz: Yesilgöz hat die Parteiführung von Mark Rutte übernommen und profiliert sich als "Law&Order"-Partei, die in der Koalition für solide Finanzen sorgen will.

    Bauer Bürgerbewegung (BBB) von Caroline van der Plas: Die aus den Bauernprotesten und Unmut gegen einschneidende Umweltmaßnahmen entstandene Partei versucht vor allem, die Belange der Agrarunternehmer zu vertreten und hat eine große Fraktion in der ersten Kammer im niederländischen Parlament.

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    Grenzkontrollen sollen zurück kommen

    Die vier Parteien der zukünftigen Regierungskoalition wollen per Gesetz die "Asylkrise" ausrufen: Das noch vor wenigen Wochen verabschiedete Verteilungsgesetz für Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis soll wieder gekippt, Grenzkontrollen wieder eingeführt werden und Flüchtlinge nicht mehr bei der Zuweisung von Sozialwohnungen bevorzugt werden. Innerhalb der Europäischen Union wollen die Niederlande bei der Asylpolitik eine Ausnahmeklausel (Opt-Out) aushandeln, um so nicht mehr an Beschlüsse der EU gebunden zu sein. Solche Ausnahmeklauseln innerhalb der EU sind allerdings äußerst selten.
    Wilders will sein Land innerhalb Europas für Flüchtlinge so unattraktiv wie möglich machen: Mit dem Ausrufen einer Asylkrise will man die Zahl der Neuankömmlinge in den nächsten zwei Jahren verringern. Im Aufnahmezentrum Ter Apel im Norden der Niederlande herrschen katastrophale Zustände. Weil es nicht gelingt, anerkannte Flüchtlinge im Land unterzubringen, ist das Zentrum hoffnungslos überfüllt. Die neue Koalition will Asylsuchende zwar registrieren, jedoch das Verfahren zunächst aussetzen. Das bestehende Verfahren soll stark verschärft werden: Asylanwälte sollen nur noch in Ausnahmefällen eingeschaltet werden und es ist bei Abweisung keine Berufung möglich.
    Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis oder Identitätsdokument sollen an der Grenze zurück nach Deutschland oder Belgien geschickt werden. Wenn ein abgewiesener Asylbewerber nicht kooperiert, macht er oder sie sich strafbar.
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    Neue Hürden für Einbürgerung

    Viele Punkte der neuen Koalition richten sich auf kriminelle Asylsuchende. Sie sollen leichter aus der Unterbringung verwiesen, schneller abgeschoben und auch den Aufenthaltstitel wieder verlieren können. Überhaupt soll es keine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis mehr geben. Eingebürgert wird nur, wer Niederländisch auf B1-Niveau spricht und Wissen über den Holocaust nachweisen kann.
    "Rechtsradikale Akzente" nennt es René Cuperus vom Clingendael Institute Den Haag, im Bereich Asyl und Migration sei ein Rechtsruck festzustellen. Den Rechtsstaat sieht der Politikberater jedoch noch nicht bedroht. Wilders Freiheitspartei sei ja nicht allein in der Koalition. Seine rechtsradikale sei nur eine von vier Parteien. Die anderen drei repräsentierten die Region, hätten andere Themen, so Cuperus.
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    Wilders-Pläne wirklich mit EU-Recht vereinbar?

    Juristen bezweifeln, dass die Pläne der Wilders-Koalition durchsetzbar sind. Es ist zu bezweifeln, ob manche Pläne mit internationalen Verträgen und dem Grundgesetz zu vereinbaren ist. Innerhalb der EU werden die Niederlande mit dem Ausrufen einer Asylkrise auf Unverständnis, wenn nicht sogar offenen Widerstand der Mittelmeeranrainerstaaten, wie Italien, stoßen.
    Auf nationaler Ebene wird das einkassierte Verteilungsgesetz das Problem der fairen Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Provinzen und Gemeinden im Land eher vergrößern. Auch soll die Definition des sicheren Drittlandes, in die leichter abgeschoben werden kann, erweitert werden. Die Unterbauung davon soll sich auf ministerielle und nicht öffentliche Dokumente stützen.
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    In der Migrationspolitik schlägt die neue Koalition für Arbeitsmigranten neue Töne an und will sogar den freien Personenverkehr innerhalb der EU einschränken. Vor allem durch die große Wohnungsnot, will man die Zahl der ausländischen Studenten und hochqualifizierten Arbeitsmigranten einschränken. Auch sollen kriminelle Arbeitsvermittler verfolgt werden.
    In den Plänen zu Migration und Asyl werden die unterschiedlichen Auffassungen der vier Koalitionspartner deutlich. Eine klare Linie ist nicht zu erkennen, dafür viel Symbolpolitik. Wilders hat von vielen seiner radikalen Ideen und Islamkritik in seiner ersten Koalitionsvereinbarung vorläufig Abschied genommen.

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