Iran und Pakistan: Was hinter dem Raketenbeschuss steckt

    Gegenseitiger Raketenbeschuss:Droht Krieg zwischen dem Iran und Pakistan?

    Jörg-Hendrik Brase
    von Jörg Brase
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    Der Iran und Pakistan beschießen ihre Grenzregionen mit Raketen. Beide Länder erklären, es ginge um den Kampf gegen Terrorgruppen. Wie wahrscheinlich ist eine große Eskalation?

    Ein Mann sieht einen Nachrichtensender im Fernsehen in einem Geschäft, nachdem das pakistanische Außenministerium sagte, das Land habe Angriffe im Iran gegen militante Separatisten durchgeführt
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    Erst fliegen Raketen aus dem Iran Richtung Pakistan. Zwei Tage später antwortet die pakistanische Seite mit Raketen auf die Grenzregion in Iran. Während der Gaza-Krieg und die Bombardierungen im Jemen weiter andauern, tut sich plötzlich in einem anderen Teil der Region unerwartet ein weiterer Konflikt auf. Das sind die Hintergründe.

    Welche Ziele haben der Iran und Pakistan angegriffen?

    Man habe eine Reihe "koordinierter und präzise ausgeführter Militärschage unternommen," erklärt Mumtaz Zahra Baloch, die Sprecherin des pakistanischen Außenministeriums, in Islamabad. "Ziel waren Verstecke von Terroristen in der Provinz Sistan-Belutschistan auf dem Gebiet des Iran." Man habe mehrere Terroristen ausgeschaltet, so Baloch.
    Bei den Opfern handele es sich um drei Frauen, vier Kinder und zwei Männer, erklärte der stellvertretende Gouverneur der Provinz Sistan-Belutschistan Ali Reza Marhamati im iranischen Staatsfernsehen. Keines der Opfer habe die iranische Staatsangehörigkeit. Woher die Menschen stammten, verrät Marhamati nicht.
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    Kurz zuvor erst waren iranische Raketen auf pakistanischem Gebiet eingeschlagen. "Ziel unserer Angriffe war die Gruppe Dschaisch al-Adl" sagte der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian am Mittwoch. Es handele sich um eine iranische Terrororganisation, die auf der pakistanischen Seite Unterschlupf gefunden hätte.

    Wie reagieren beide Staaten auf den gegenseitigen Beschuss?

    Amir-Adollahian betont, dass der Angriff nicht Pakistan gegolten habe. Ähnlich äußert sich das pakistanische Außenministerium nach dem Vergeltungsschlag Richtung Iran. Trotz der beiderseitigen Attacken, sieht der Iran-Experte der Istanbuler Marmara-Universität, Serhan Afacan, keine Kriegsgefahr.

    Pakistan wollte mit seinem Angriff den Iran nicht herausfordern. Man will keinen großen Konflikt mit Teheran provozieren.

    Serhan Afacan, Marmara-Universität Istanbul

    Vielmehr handele es sich um ein gemeinsames Terrorproblem, so Afacan. Ein Terrorproblem, dass schon sehr lange im Grenzgebiet schwelt - und das nicht konsequent lösen zu wollen, sich beide Seiten immer wieder vorwerfen.
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    Was ist zur Terrorgruppe im Grenzgebiet bekannt?

    Pakistan ist ein mehrheitlich sunnitisches Land. Im Iran herrscht der schiitische Islam. Auf beiden Seiten der Grenze lebt die Volksgruppe der Belutschen. Seit 2012 kämpft eine Gruppe namens "Dschaisch al-Adl", übersetzt: "Armee der Gerechtigkeit", für die Unabhängigkeit der Ostprovinz Sistan-Belutschistan auf iranischer und der Südwest-Provinz Baluchistan auf pakistanischer Seite.
    Immer wieder verübt die Gruppe Anschläge auf Sicherheitskräfte auf beiden Seiten der Grenze. Teheran und Islamabad werfen sich gegenseitig vor, die Separatisten zu unterstützen oder sie gewähren zu lassen.
    Menschen laufen zwischen Iran-Fahnen.
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    Im Zuge der Protestbewegung, die nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022 aufgekommen war, hatte es auch starken Widerstand in den sunnitischen Gebieten Irans gegeben. Der Protest richtete sich vor allem gegen die Benachteiligung der Sunniten durch das schiitische Mullah-Regime in Teheran. Wie in den aufbegehrenden Kurdengebieten im Westen des Landes, gingen Irans Sicherheitskräfte auch gegen den Sunniten-Aufstand im Osten brutal vor und schlug die Demonstrationen mit Gewalt nieder.

    Hat die Gewalt etwas mit dem Gaza-Krieg zu tun?

    Im Zuge des aktuellen Gaza-Konflikts hätten Gruppen wie Dschaisch al-Adl aber auch zahlreiche andere Terrororganisationen wie der Islamische Staat (IS) ihre Aktivitäten in der Region verstärkt, meint Iran-Experte Serhan Afacan.

    Wann immer der Mittlere Osten ins Chaos stürzt und destabilisiert wird, herrscht für den IS eine geeignete Atmosphäre, um sich zurückzumelden.

    Serhan Afacan, Marmara-Universität Istanbul

    So hätten die Islamisten auch den Bombenanschlag in der iranischen Stadt Kerman vom 4. Januar für sich reklamiert. Bei zwei Selbstmordattacken waren über 80 Menschen getötet worden. Das iranische Regime übt nun Vergeltung.
    An einem großen Konflikt aber habe Teheran kein Interesse, sagt Afacan. Der Preis für einen Krieg mit Nachbarn wie Pakistan oder dem Irak sei zu hoch. Und das gelte erst Recht für einen offenen Konflikt mit Israel und den USA.
    Jörg Brase ist Leiter des ZDF-Auslandsstudios Istanbul.

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