Wie Irans Revolutionswächter in Deutschland Terror planen

    Spezialeinheit Al-Kuds-Brigaden:Irans Revolutionswächter auf EU-Terrorliste?

    von Hannes Munzinger und Ruben Schaar
    |

    Irans Revolutionswächter planten Anschläge gegen jüdische Einrichtungen - und nutzen zunehmend Kriminelle für ihren Terror. Attacken in Bochum und Essen gingen noch glimpflich aus.

    Revolutionswächter im Iran, typical
    Die iranischen Al-Kuds-Brigaden sollen Kriminelle in Deutschland für Terror-Aktionen angeworben haben. (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    Ramin Yektaparast war ein bulliger Typ, akkurat gegelte schwarze Haare, penibel getrimmter Bart, ein Poser. Im Boulevard nannten sie ihn den "Stückelmord-Rocker", weil der frühere Mönchengladbach-Chef der Hells Angels 2014 einen anderen Biker ermordet, mit einer Flex zerstückelt und im Rhein versenkt haben soll. Um einer Verhaftung zu entgehen, setzte sich der Deutsch-Iraner nach Teheran ab. Und dort konnte man ihn und sein kriminelles Netzwerk offenbar gut gebrauchen.

    Sicherheitsbehörden: Revolutionswächter organisierten Anschläge

    Yektaparast soll einen Brandanschlag auf die neue Synagoge in Bochum und Schüsse auf das Rabbinerhaus in Essen im November 2022 organisiert haben. Seine Auftraggeber: die Al-Kuds-Brigaden, die Spezialeinheit für Auslandsoperationen der iranischen Revolutionswächter. Die Erkenntnisse deutscher Ermittler könnten laut Recherchen von ZDF frontal, "Spiegel", "taz" und der Redaktion "Tehran Bureau" zu einer Terrorlistung der Revolutionswächter auf europäischer Ebene führen.
    Eine Frau steht bei einem Protest im Iran auf einem Auto.
    September 2022: Die 22-jährige Jina Mahsa Amini stirbt in Gewahrsam der iranischen Sittenpolizei. Im ganzen Land erheben sich Zehntausende gegen das Regime. Wo steht das Land heute?23.08.2024 | 44:10 min
    Ausgeführt hatte den versuchten Anschlag ein Freund von Yektaparast - der Deutsch-Iraner Babak J. Ihn hatten deutsche Sicherheitsbehörden wohl vorab nicht auf dem Schirm - und auch keine Hinweise auf bevorstehende Anschläge. Dies könne auch an der Vorgehensweise Irans liegen, Mittelsmänner aus dem kriminellen Milieu für ihre Aktionen einzuspannen, sagen Anti-Terror-Experten, die den Fall beobachten.
    Männer, die zu Straftaten bereit sind, aber nicht von Frühwarnsystemen der Terror- oder Spionageabwehr erfasst werden, seien demnach eine neue Herausforderung. Iran setze zunehmend auf dieses Vorgehen, aber auch China und Russland nutzten kriminelle Auftragstäter.

    ... sind eine paramilitärische Organisation und die wichtigste Stütze des iranischen Machtapparats. Sie wurden im Jahr der islamischen Revolution 1979 als Gegengewicht zur bestehenden Armee gegründet, der die Revolutionäre misstrauten. Bis heute fungieren sie als Parallel-Streitkraft für Einsätze im In- und Ausland. Darüber hinaus gibt es geheimdienstähnliche Einheiten und solche, die Terroranschläge im Ausland verüben. Ein Großteil der iranischen Wirtschaft wird außerdem von Revolutionswächtern oder ihren Familien kontrolliert.

    Bei Reisen in Iran abgefangen

    Rekrutiert werden diese sogenannten Proxies offenbar oft bei Reisen nach Iran. Vor der Rückreise nach Deutschland werden sie abgefangen, teils unter Druck gesetzt und so zur Zusammenarbeit gebracht. Manche wenden sich später an deutsche Behörden und schildern ihre Erlebnisse. Bei einer solchen Reise sagte auch Ramin Yektaparast seinem Freund Babak J., dass er ihn nach dessen Rückkehr nach Deutschland um einen "Gefallen" bitten werde.
    Der Gefallen: Ein Terrorakt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies das Ende 2023 im Urteil gegen Babak J. nach. Er hatte im November 2022 einen Molotowcocktail auf eine Schule in Bochum geworfen. Noch in derselben Nacht wurde er gefasst, weil ein Freund, den Babak J. zur Mithilfe anstiften wollte, zur Polizei gegangen war. Der Freund sagte aus, dass der Anschlag nicht der Schule galt, sondern der Synagoge nebenan. Die war jedoch wesentlich besser gesichert, Babak J. hatte offenbar kalte Füße bekommen - und das Nebengebäude angegriffen.
    Fenster mit Brandrückständen am Freitag, den 25.November 2022 an der Hildegardisschule Bochum
    Die Brandrückstände, die der Molotowkcocktail von Babak J. an der Hildegardisschule in Bochum hinterlassen hat. (Archivfoto)
    Quelle: Imago

    Verfassungsschutz lieferte konkrete Hinweise

    Babak J. handelte nicht auf eigene Faust. Beauftragt hatte ihn Yektaparast, stellte das OLG Düsseldorf fest. Nach den Recherchen hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz konkretere Erkenntnisse in das Verfahren eingebracht. Ein Gerichtsbeschluss bezeichnete Yektaparast als Funktionär eines "Operativteams" der "Al-Kuds-Kräfte" der Revolutionswächter. Die Al-Kuds-Brigade gilt als Elitetruppe für Aktionen im Ausland. Yektaparast wurde im April in Teheran von Unbekannten erschossen.
    Der gescheiterte Anschlag auf die Synagoge in Bochum und die spätere Verurteilung von Babak J. können nun ausschlaggebend dafür sein, die iranischen Revolutionsgarden auf die EU-Liste verbotener Terrororganisationen zu setzen. Die USA und Kanada haben das längst getan.

    EU lange uneinig über Umgang mit Iran

    Anfang Juli war bekannt geworden, dass die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) einen Antrag zur Listung der Revolutionswächter gestellt hat. Das EU-Parlament forderte das schon im vergangenen Jahr, Kommissionspräsidentin von der Leyen sprach sich öffentlich dafür aus. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hingegen agierte offenbar dagegen. Er verwies auf ein vertrauliches Gutachten des juristischen Dienstes der EU-Kommission: Nur wenn ein Gericht eines EU-Staates den Revolutionswächtern einen Terrorakt innerhalb der EU nachweise.
    Präsident Raisi
    Wie der Iran Kritiker im Ausland verfolgt14.06.2023 | 6:24 min
    Das zögerliche Verhalten des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell dürfte wohl mit politischen Abwägungen zu erklären sein. Mit einer Listung der Revolutionswächter als terroristische Organisation riskiert die EU eine weitere Verschlechterung der Beziehungen mit dem Regime in Teheran. Eine Eskalation, die laut Insidern aktuell aus mehreren Gründen gefährlich sein könnte: Aufgrund der angespannten Lage im Nahen Osten und wegen der laufenden Verhandlungen über die Freilassung von Deutschen, die in Iran inhaftiert sind.

    Befürworter von Listung scheinen sich durchzusetzen

    Matthew Levitt, Terrorismusexperte am Washington Institute for Near East Policy in Washington, einem pro-israelischen Think Tank, sieht die Argumentation Borrells kritisch: "Der Iran will und braucht diese Beziehungen viel mehr als der Westen", sagt er. Sicherheits- und Justizbehörden in der EU könnten leichter zusammenarbeiten und weitreichende Mittel einsetzen, um gegen die Gruppe vorzugehen, so Levitt.
    In Brüssel scheinen sich jetzt die Befürworter einer Listung durchzusetzen. Spätestens, wenn die designierte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas ihr Amt übernimmt, so die einhellige Meinung von Insidern, werden die Revolutionswächter auf der Terroristenliste landen. Und es den Sicherheitsbehörden damit einfacher machen, Anschlagspläne aus Teheran zu verhindern.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

    Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

    Mehr zu Iran

    Mehr von ZDF frontal

    Collage: Bewaffnete Taliban auf der Straße vor Wohnhäusern während der Zurückeroberung
    29:11 min

    Politik | frontal:Tage des Verrats

    von Marcus Weller und Alexander Bühler