Coronahilfen in Milliardenhöhe:Wo sind die EU-Gelder für Italien geblieben?
von Francesco Conte und Andreas Postel, Rom
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Weil Italien stark von der Corona-Pandemie betroffen war, bekam das Land sehr viel Geld aus dem Corona-Wiederaufbaufond der EU. Doch an der Verwendung der Gelder gibt es Kritik.
Die Verteilung der EU-Coronahilfen in Italien steht in der Kritik.
Quelle: dpa
Die Corona-Pandemie traf Italien hart - auch wirtschaftlich. Die EU sprang zur Hilfe, doch das südeuropäische Land muss einiges nachbessern beim Verwenden der Gelder. Nach dem anfänglichen Sprint wird der Weg der EU-Gelder des Corona-Wiederaufbaufonds (auf Italienisch "Piano Nazionale di Ripresa e Resilienza", kurz PNRR) zu einem Marathon mit Hindernissen.
Nichtsdestotrotz: Giorgia Meloni gibt sich optimistisch. Mit dem Antritt ihrer Regierung im Oktober 2022 wurden die Prioritäten des PNRR geändert: Die Unternehmen haben am meisten profitiert, zum Nachteil der lokalen Behörden.
1,2 Millionen Corona-Hilfe fürs Paddeln
Besonders umstritten sind dabei Kürzungen für kleine lokale Projekte zur Stadterneuerung und zur Bekämpfung der hydrogeologischen Instabilität, wie zum Beispiel Erdrutsche. Auch die Mittel für neue Kindergartenplätze wurden gekürzt, und zwar von 264.480 auf 150.480 Plätze.
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Das Gleiche gilt für die Kürzung der Mittel zum Bau neuer Gesundheitseinrichtungen wie Gemeinde- und Krankenhäuser. Gleichzeitig bleiben Mittel für umstrittene Projekte, wie den Bau von Spielfeldern in Bozen. Auf den Feldern kann Paddelsport ausgeübt werden. Die Kosten dafür: mehr als zwei Millionen Euro - oder das neue Sportzentrum in Latina, es schlägt mit 1,2 Millionen Euro zu Buche.
Andererseits gibt es nach den Bauernprotesten mehr Geld für die Landwirtschaft, wobei zwischen 80 und 90 Millionen für eine Photovoltaikanlage in Catania auf Sizilien vorgesehen sind. Die konkreten Daten scheinen jedoch immer noch undurchsichtig zu sein. Die Website Openpolis, die die italienische Politik beobachtet und Fakten prüft, hat festgestellt, dass "es unmöglich ist, zu verstehen, welche Arbeiten tatsächlich finanziert werden und wie ihr tatsächlicher Fortschritt aussieht".
179 Betrugsfälle und mangelnde Buchführung
In ihrem jährlichen Bericht legt die Europäische Staatsanwaltschaft offen, dass im vergangenen Jahr von 233 Betrugsfällen im Zusammenhang mit der Finanzierung der verschiedenen nationalen Pläne 179 Fälle Italien betrafen. Das eigentliche Problem sei aber die Transparenz der Buchführung.
"Es ist klar", so Lorenzo Castellani, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Luiss in Rom, "dass die Regierung die Mittel von den Infrastrukturen abgezogen hat, indem sie vor allem die Kleinstinterventionen gestrichen hat, um sich stattdessen auf die Industrie zu konzentrieren, vor allem mit der Maßnahme der Steuergutschriften."
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Im Dezember 2023 änderte oder ergänzte die Regierung Meloni nach langem Tauziehen mit der EU 123 Maßnahmen, um angesichts der geopolitischen und makroökonomischen Veränderungen, insbesondere im Bereich der Energiepolitik, zu einer neuen Fassung des PNRR zu gelangen.
Nach Ansicht des Rechnungshofs steht hinter den Entscheidungen, bestimmte Projekte nicht zu finanzieren, jedoch eher die Angst vor möglichen Schwierigkeiten bei der Berichterstattung als tatsächliche Hindernisse für den effektiven Fortschritt der Initiativen.
Der italienische PNRR zählt 194,4 Milliarden - einschließlich 2,7 Milliarden der EU-Finanzierung REPower - davon 122,6 Milliarden in Form von Darlehen und 71,8 Milliarden in Form von Zuschüssen. Nach Angaben von Openpolis liegt die Fertigstellungsrate der Investitionen bisher bei 40,52 Prozent, gegenüber einer Prognose von 60,55 Prozent bis zum Ende des Quartals, wodurch das erwartete Ziel in weite Ferne rückt.
Aus dem von der Europäischen Kommission veröffentlichten Bericht über die Umsetzung des PNRR geht jedoch hervor, dass Italien, gefolgt von Spanien und Kroatien, die meisten Meilensteine für Investitionen und Reformen im Rahmen des PNRR erreicht hat: 178 von insgesamt 527.
Aus dem von der Europäischen Kommission veröffentlichten Bericht über die Umsetzung des PNRR geht jedoch hervor, dass Italien, gefolgt von Spanien und Kroatien, die meisten Meilensteine für Investitionen und Reformen im Rahmen des PNRR erreicht hat: 178 von insgesamt 527.
Rechnungshof: In Rom "äußerst kritische Situation"
Wenn schon kleine Gemeinden Probleme mit der Verwaltung umfangreicher Mittel haben, so sieht es in Rom nicht besser aus, wo der Rechnungshof eine "äußerst kritische Situation" festgestellt hat.
Von den ursprünglich geplanten 355 Interventionen sind nur 100 übrig geblieben, mit "bisher sehr geringen Ausgaben", so der Rechnungshof. Das lässt Zweifel an der Verwaltung der Gemeinde und der Berichterstattung über die Ausgaben aufkommen, die der Rechnungshof als "enttäuschend" bezeichnet.
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