Polen steht vor einem Regierungswechsel

    Morawiecki mit Vertrauensfrage:Polen steht vor einem Regierungswechsel

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    Polens amtierender Ministerpräsident Morawiecki hat eine Regierungserklärung abgegeben und wird die Vertrauensfrage stellen. Zu erwarten ist, dass er die Abstimmung verlieren wird.

    Polen vor dem Regierungswechsel
    Polens Ministerpräsident Morawiecki muss heute die Vertrauensfrage stellen. Verliert er - wie erwartet - wird Donald Tusk Regierungschef einer dann pro-europäischen Koalition.11.12.2023 | 1:58 min
    Vor seinem erwarteten Scheitern bei der Vertrauensfrage im Parlament hat Polens amtierender Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die Vision einer wachsenden Wirtschaftskraft seines Landes beschworen.
    Polen solle zum "Land gut bezahlter Spezialisten" werden, realistisch sei ein "Lebensstandard auf dem Niveau Westeuropas, ohne die dortigen Fehler zu wiederholen."

    Donald Tusk möglicherweise heute Abend Ministerpräsident

    Polens derzeit amtierender Ministerpräsident will heute Nachmittag die Vertrauensfrage für sein neues Kabinett stellen. Da die nationalkonservative PiS keine Mehrheit im Parlament hat, dürfte Morawieckis Kabinett bei der Vertrauensabstimmung durchfallen.
    Dies wiederum macht den Weg frei für einen Machtwechsel in Polen, den die PiS lange hinausgezögert hat. Bereits am Montagabend wird das Parlament voraussichtlich den ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk mit der Regierungsbildung beauftragen.

    Politologin: Regierungswechsel "so gut wie sicher"

    "Es ist eigentlich so gut wie sicher", meint Irene Hahn-Fuhr von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit im ZDF-Morgenmagazin. Die PiS-Regierung sei zwar als stärkste Kraft aus der Wahl herausgegangen, habe aber keine Mehrheit im Parlament, erläutert die Politologin.
    Bei der Parlamentswahl am 15. Oktober hatten drei proeuropäische Parteien der bisherigen Opposition von Tusk eine klare Mehrheit von 248 der insgesamt 460 Sitze im Sejm errungen. Ein Koalitionsvertrag wurde bereits vor Wochen unterschrieben, auch die Ressortverteilung ist geklärt. Die PiS erhielt nur 194 Sitze und hat keinen Koalitionspartner.
    Laut Hahn-Fuhr sind sie "ziemlich gut vorbereitet". Das sehe man auch "sozusagen am Schattenkabinett", das Tusk bereits aufgestellt habe. "Das sind sehr erfahrene Minister."

    Die Vorbereitung ist relativ gut.

    Irene Hahn-Fuhr, Vorstandsmitglied Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit

    Polen: "Die Aufregung ist sehr groß"
    Es sei eine große Herausforderung "eine Reform zurückzudrehen, ohne dabei Rechtsbruch zu begehen", so Irene Hahn-Fuhr von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit zum polnischen Regierungswechsel.11.12.2023 | 4:33 min

    Regierungswechsel könnte Wende in Außenpolitik bringen

    Der bevorstehende Regierungswechsel in Warschau dürfte auch eine Wende in der polnischen Außenpolitik bringen. Die PiS lag wegen einer Justizreform im Dauerstreit mit Brüssel. Das Verhältnis zu Berlin befand sich auch wegen Forderungen nach Weltkriegsreparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro auf einem Tiefpunkt.
    Die drei Oppositionsparteien stehen für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Deutschland. Der 66-jährige Tusk war schon von 2007 bis 2014 Polens Regierungschef.

    Gerade in der proeuropäischen, Prorechtsstaatlichkeit aktiven Bevölkerung ist es schon ein sehr besonderer Moment. Die Aufregung ist sehr groß und die Spannung, auch wie sie es hinkriegen werden, ist groß.

    Irene Hahn-Fuhr, Vorstandsmitglied Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit

    Donald Tusk jubelt nach der Polen-Wahl
    Polen hat gewählt: Dem amtlichen Endergebnis zufolge verliert die regierende PiS-Partei die Mehrheit. Die Opposition könnte rechnerisch gesehen regieren, es bleiben aber Hürden.17.10.2023 | 1:31 min

    Verfassung sieht Vertrauensfrage vor

    Jedoch hatte Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, den Wechsel lange hinausgezögert. Den Mehrheitsverhältnissen im Parlament zum Trotz hatte er Morawiecki mit der Regierungsbildung beauftragt und dessen Kabinett vereidigt.
    Die Verfassung sieht vor, dass der Regierungschef innerhalb von 14 Tagen nach der Vereidigung die Vertrauensfrage im Parlament stellen muss. Dies wird Morawiecki nun tun - ein praktisch chancenloses Unterfangen.
    Christopher Wehrmann im Gespräch mit Natalie Steger
    "Laut polnischer Verfassung muss in zwei Wochen Morawiecki im Sejm, im Parlament, die Vertrauensfrage stellen - und dort wird er scheitern", so ZDF-Korrespondentin Natalie Steger. 27.11.2023 | 2:12 min

    Tusk kündigt ebenfalls Regierungserklärung an

    Erst wenn Morawiecki mit der Vertrauensabstimmung gescheitert ist, kommt das Parlament an die Reihe. Es kann nun im zweiten Schritt aus seiner Mehrheit heraus eine Regierung bestimmen. Voraussichtlich werden die Abgeordneten des Dreierbündnisses noch am Montagabend den Auftrag zur Regierungsbildung an Tusk vergeben.
    Tusk hat angekündigt, dass er am Dienstagmorgen eine Regierungserklärung abgeben und nachmittags seinerseits die Vertrauensfrage stellen will. Da das Dreierbündnis eine solide Mehrheit hat, wird Tusk die Abstimmung voraussichtlich bestehen. Danach ist wieder Duda am Zuge - er muss die Regierung Tusk vereidigen.
    Quelle: ZDF, dpa

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