Polens Regierungschef warnt vor "europäischem Superstaat"

    Regierungschef gegen zu viel EU:Polen warnt vor "europäischem Superstaat"

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    Der Blick auf Polens Rolle in Europa hat sich seit dem Ukraine-Krieg gewandelt. Eine Rede von Regierungschef Morawiecki zeigt: Polens Blick auf die Rolle des Bündnisses wohl nicht.

    Mateusz Morawiecki
    Polens Premierminister Mateusz Morawiecki bei seiner Rede in Heidelberg.
    Quelle: epa

    Mit einem klaren Bekenntnis zur Rolle der Nationalstaaten in der EU hat sich Polens Regierungschef in der Debatte um die Zukunft Europas zu Wort gemeldet. Mateusz Morawiecki sagte am Montag in Heidelberg:

    Wir brauchen ein Europa, das durch seine Nationalstaaten stark ist, und nicht eines, das auf deren Ruinen gebaut ist.

    Mateusz Morawiecki, Ministerpräsident Polens

    Es sei ein Irrweg, einen europäischen Superstaat anzustreben, wie dies manche Bürokraten in Brüssel wollten, betonte der nationalkonservative Politiker.

    Morawiecki betont Wichtigkeit von Nationalstaaten

    Nichts könne in Europa besser für die Freiheit von Nationen, ihre Kultur und ihre militärische Sicherheit garantieren, als die Nationalstaaten selbst. Es sei ein Irrweg, einen europäischen Superstaat anzustreben, wie dies manche Bürokraten in Brüssel wollten.

    Die Basis unserer Identität liegt in unserer nationalen Identität. Und nicht darin, dass wir unsere Identität verleugnen.

    Mateusz Morawiecki, Ministerpräsident Polens

    Morawiecki warnte vor einer "Gleichschaltung" innerhalb der EU. "Wenn die EU-Eliten hartnäckig auf der Vision eines zentralisierten Superstaates beharren, werden sie auf den Widerstand weiterer europäischer Nationen stoßen, und je mehr sie darauf beharren, desto heftiger wird die Rebellion ausfallen."

    Wie der Ukraine-Krieg den Blick auf Polen geändert hat

    Selbstbewusst hatte Polens Regierung den Vortrag Morawieckis in der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg in die Tradition bedeutender Reden gestellt - etwa die Europa-Reden des französischen Präsidenten Emmanuel Macron im September 2017 an der Pariser Sorbonne-Universität und von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im August 2022 an der Karls-Universität in Prag.
    Das EU- und Nato-Land hat sich seit Beginn des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine - gemeinsam mit den baltischen Staaten - als der standhafteste Unterstützer der Ukraine erwiesen. Als die Führungen in Berlin und Paris in den ersten Kriegsmonaten streckenweise wie gelähmt wirkten, war es Polen, das lautstark insistierte, der Westen habe eine moralische Verpflichtung, den Ukrainern auch militärisch beizustehen.
    Vor allem im Bereich Verteidigung macht Polen seinen Führungsanspruch geltend - ob es um die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern geht oder um Kampfjets:
    Zudem ist Polen zu einer "humanitären Supermacht" geworden, wie es der US-Botschafter in Warschau, Mark Brzezinski, formuliert hatte. Das Land, das sich 2015 geweigert hatte, Geflüchtete aufzunehmen, und noch 2021 hart gegen Migranten an der belarussischen Grenze vorging, hat 1,5 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen.
    Und so hielt Morawiecki seine Rede jetzt im deutlichen Bewusstsein der moralischen Überlegenheit. "Diejenigen, die jahrzehntelang ein strategisches Bündnis mit Russland wollten und die europäischen Länder in ihrer Energieversorgung von Russland abhängig gemacht haben, haben einen schrecklichen Fehler gemacht", sagte er in Heidelberg.
    Geflüchtete aus der Ukraine in Polen
    Mehr als 1,5 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine leben in Polen. Die Hilfsbereitschaft ist groß, aber es mehren sich kritische Stimmen. 14.02.2023 | 3:14 min

    Morawiecki warnt vor "Gleichschaltung"

    Doch wie steht es mit Polens Rolle innerhalb der EU? In Heidelberg warnte Morawiecki vor "Gleichschaltung" und zeichnete ein finsteres Bild von Brüsseler Bürokraten, die der Demokratie in den Mitgliedsstaaten an den Kragen wollen.
    Ein Standardargument der nationalkonservativen PiS-Regierung, die wegen ihrer Justizreformen im Dauerclinch mit Brüssel liegt. Die EU-Kommission hat milliardenschwere Zahlungen aus dem Hilfsfonds für die Folgen des Coronavirus für Polen eingefroren, weil es Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit gibt.

    Reparationsforderungen gegenüber Deutschland wiederholt

    Auch beim Verhältnis Polens zum Nachbar Deutschland liegt derzeit einiges im Argen. Morawiecki kam gleich am Anfang seiner Rede nicht umhin, erneut auf die Reparationsforderungen seiner Regierung zu verweisen.
    Warschau will von Deutschland mehr als 1,3 Billionen Euro Entschädigung für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden. Auch die USA haben Polen längst zu verstehen gegeben, dass sie diesen Streit zwischen Bündnispartnern für schädlich halten.

    Rolle Polens dauerhaft gewachsen?

    Manche Beobachter in Warschau haben Zweifel, wie weit die durch den Ukraine-Krieg gewachsene Rolle Polens tragen wird. "Viele ausländische Politiker beschwören derzeit, dass das Gewicht Polens im Zusammenhang mit diesem Krieg zugenommen hat", sagt Jerzy Haszczynski, Außenpolitik-Experte der Zeitung "Rzeczpospolita".
    Doch das beziehe sich ausschließlich auf den Aspekt der Verteidigung. "Was ist, wenn dieser Krieg vorbei ist und sich zeigt, dass in Polen kein einziges Problem besser gelöst wurde als in westlichen Ländern?"
    Quelle: dpa

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