Neue Wahlen, alter Ton:Antideutsche Rhetorik im polnischen Wahlkampf
von Natalie Steger und Milena Drzewiecka
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Egal ob Konflikte mit der EU, illegale Mülldeponien im Land oder Bergbau-Probleme: Für Polen ist Berlin schuld. Das alte Feindbild soll neue Wähler der PiS-Partei mobilisieren.
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und seine PiS-Partei schlagen im Wahlkampf antideutsche Töne an.
Quelle: epa/Zbigniew Meissner
Nachdem der EVP-Chef Weber, die in Polen regierende PiS kritisierte, wirft der polnische Premierminister Morawiecki den Deutschen nun Einmischung in den polnischen Wahlkampf vor. 09.08.2023 | 2:05 min
Am 15. Oktober wählen die Polen ein neues Parlament. Die seit acht Jahren regierende PiS-Partei fürchtet um ihre absolute Mehrheit und setzt auf antideutsche Töne.
Wer das akzeptiere, könne demokratischer Partner sein, Mitbewerber im politischen Wettbewerb, aber demokratischer Partner, sagte Weber im heute journal. "Und all die anderen, die das nicht einhalten, wie die deutsche AfD, wie Le Pen in Frankreich oder PiS in Polen, sind für uns Gegner und werden von uns bekämpft."
Polens staatliche Medien machen gegen Weber mobil
Die Antwort des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki ließ nicht lange auf sich warten: "Er nannte uns seine Feinde."
Feinde oder Gegner? Kleine Differenz, die den großen Unterschied macht. Die staatlichen Medien benutzen die gleiche Übersetzung wie PiS und machen seit Tagen gegen Weber mobil. Man hört von Weber-Case und Weber-Gruppe, was phonetisch an die gefährliche Wagner-Gruppe in Belarus erinnert.
Hunderte illegale Müll-Halden gibt es auf polnischem Boden. Ein altes Problem, das neu diskutiert wird, seit in Zielona Gora ein Chemielager gebrannt hat.08.08.2023 | 2:20 min
Tusk als Feind Nr. 1 für PiS
Wer die polnischen Staatsmedien verfolgt, bekommt den Eindruck, dass das Land längst von Deutschland bedrängt wird. Mit Weber haben sie eine neue Zielscheibe gefunden: Er ist nicht nur ein Deutscher, er leitet zugleich die EVP-Fraktion im EU-Parlament, zu der die polnische größte Oppositionspartei PO von Donald Tusk gehört.
Und Tusk ist für PiS der innenpolitische Feind Nr. 1. "Ein echter Feind unserer Nation", sagt PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski über Tusk.
Dieser Mann sollte endlich gehen, so Kaczynski. "Er soll doch in sein Deutschland gehen."
Umgangston in polnischer Politik wird schärfer
Diese Worte kamen bei einer Kundgebung im Südostpolen gut an. Die Menschen applaudierten, jemand rief "nach Belarus" und Kaczynski nutzte es und griff es auf: "Nach Belarus auch, auch dort wäre er [Tusk] nützlich, aber er bevorzugt Deutschland".
Der Ton ist zwar nicht neu, aber wird immer schärfer. Woche für Woche und Monat für Monat stellen die regierungsnahen Medien, die Hauptnachrichtensendung "Wiadomosci" TVP inbegriffen, Tusk als Verräter der Nation dar, der sich während seiner Regierungsperiode (2007 bis 2014) zu viel um ausländische (vor allem deutsche) Interessen kümmerte.
Zum Highlight ist Tusks Grußwort an die CDU geworden. Im Jahr 2021 richtete er, als damaliger Chef der Europäischen Volkspartei, eine Video-Botschaft an die Delegierten des virtuellen Parteitags der CDU. Tusk redete fast vier Minuten auf Deutsch, aber TVP wiederholt besonders gern zwei Worte, nämlich: "für Deutschland". Die Worte sind sogar in Social Media als Hashtag #fürdeutschland populär.
Feind zeigen, Angst machen und polarisieren
Viele lachen über solche Propaganda, aber die PiS spielt den alten Wahlkampfschlager nicht umsonst. Schon im Jahr 2005 hat es ihr geholfen. Und in der Zeit des Krieges in der Ukraine, der Inflation im Land, des ständigen Konflikts mit Brüssel um Rechtsstaatlichkeit, ist es sehr nützlich, einen fremden Verantwortlichen zu nennen. Feind zeigen, Angst machen und polarisieren - solche Methoden sind unter den Populisten geliebt.
Und der vor Kurzem offiziell angekündigte polnische Wahlkampf bietet mehr und mehr Gelegenheiten, diese Methoden zu nutzen. Im Prinzip hat Manfred Weber mit seiner Kritik an der PiS dieser eine Steilvorlage geliefert.
Die rechtsextreme Partei Konfederancja in Polen sieht eine Chance, nach den Wahlen im Herbst mitzuregieren. Aber will die Ultrarechte sich die Macht mit Kaczynski überhaupt teilen?