Sudan: Krieg schränkt mediale Berichterstattung weiter ein

    Gefährliche Berichterstattung:Im Sudan "herrscht absolute Gesetzlosigkeit"

    von Lisa Torjuul
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    Ein Jahr nach Kriegsbeginn ist die Situation im Sudan hochgefährlich - auch für die Presse. Wie lässt sich über ein Land berichten, in dem Journalisten verfolgt und getötet werden?

    Ein Sudenesischer Sicherheitsbeamter im Osten des landes
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    "Ich gebe mein Bestes dafür, dass mich niemand identifizieren kann", erzählt der sudanesische Journalist Tarig Ahmad (Name von der Redaktion geändert). Er und sein Team vom Sudan War Monitor dokumentieren den Krieg und die Menschenrechtsverletzungen im Sudan. Ahmad lebt im Exil. Von seiner Arbeit wissen nur wenige Menschen in seinem Umfeld. Sonst wären nicht nur er, sondern auch seine Kollegen, Freunde und Familie in Gefahr.

    Seit April 2023 kämpfen im Sudan zwei Generäle mit ihren Militärtruppen um die Macht. Der Bürgerkrieg hat das Land in eine humanitäre Krise gestürzt. Tausende Zivilisten sind verletzt oder getötet worden. Es gibt Berichte über Massentötungen und sexualisierte Gewalt. Laut UN befinden sich mehr als 8,5 Millionen Menschen auf der Flucht, 18 Millionen sind akut von Hunger bedroht. Bei einer Geberkonferenz in Paris haben westliche Länder dem Sudan kürzlich mehr als zwei Milliarden Euro für humanitäre Hilfe zugesichert. Auch das ZDF hat einen Spendenaufruf gestartet.

    Seit der Eskalation vor einem Jahr kämpfen die zwei Kriegsparteien im Sudan um die Deutungshoheit, erklärt Christopher Resch von der Organisation Reporter ohne Grenzen. Gleich zu Beginn besetzten Militärs die Büros des staatlichen Fernsehens. Sie kappten zeitweise Mobilfunknetz und Internetverbindung. Medienmacher wurden verhaftet und entführt. Mindestens zwei Journalisten und eine Journalistin sind nach Recherchen von Reporter ohne Grenzen gezielt getötet worden.
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    Soziale Medien als Quelle

    Viele sudanesische Medienschaffende sind deshalb ins Ausland geflohen. Einige arbeiten von dort aus weiter - so wie Tarig Ahmad.

    Als der Krieg voranschritt, gab es keine Berichterstattung mehr, nur noch Inhalte in den sozialen Medien.

    Tarid Ahmad, Journalist

    Die meisten dieser Fotos und Videos stammen von der Zivilbevölkerung. Das kleine Team des Sudan War Monitor arbeitet mit "Open Source Intelligence". Die Journalisten orten Online-Inhalte mithilfe von Geolokalisierung, um Ereignisse zu rekonstruieren. Aus Bergen an Falschinformationen und Propaganda versuchen sie, die Wahrheit herauszufiltern.

    Undercover-Berichterstattung über Starlink

    Trotz des hohen Risikos arbeiten einige Journalisten noch immer verdeckt vor Ort. Sie verifizieren Inhalte und berichten direkt aus den Kriegsgebieten. "Die Arbeit ist sehr, sehr gefährlich", sagt Ahmad. Handys würden kontrolliert und teilweise abgehört.
    Weil Mobilfunk und Internet in Teilen des Landes seit Monaten nicht funktionieren, nutzen Journalisten unter anderem Starlink, das Satelliteninternet von SpaceX. Berichten zufolge soll die Verbindung zum Ende des Monats gekappt werden. "Das wird ein riesiges Problem darstellen", warnt Ahmad. Auch bräuchten die Berichterstatter vor Ort dringend Training, Equipment, Vernetzung, Bezahlung und Notfallpläne. Trotzdem ist Ahmad motiviert: Langfristig könne ohne Aufarbeitung kein Frieden entstehen.

    Die Menschen müssen erfahren, was im Sudan passiert, wo sie sicher sind, was ihnen zustoßen könnte.

    Tariq Ahmad, Journalist

    Sudan: Große Hürden für ausländische Medienteams

    Auch ausländische Medien arbeiten mit Open-Source-Intelligenz. "Über Geolokalisierung haben wir zum Beispiel Protagonisten für Beiträge gefunden - Augenzeugen von Massakern", erklärt Golineh Atai, ZDF-Korrespondentin für Nordafrika und Nahost. Das Risiko, selbst in das Land zu reisen, ist ihr im Moment noch zu hoch. Dabei hat Atai vor kurzem aus dem Huthi-Gebiet im Jemen berichtet. Der Sudan sei im Moment das schwierigste und gefährlichste Land in ihrem Berichtsgebiet:

    Dort herrscht absolute Gesetzlosigkeit.

    Golineh Atai, ZDF-Korrespondentin

    Huthi-Soldat im Jemen mit Gewehr über der Schulter schaut in Kamera, daneben auslandsjournal-Logo
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    Weil sich die Frontlinien ständig verschieben und viele Gebiete selbst von humanitärer Hilfe abgeschnitten sind, sei eine sichere Planung praktisch unmöglich. Würde Atai sich doch dazu entscheiden, müsste sie sich der Armee oder den Paramilitärs anschließen, um arbeiten zu können.

    Die Kriegsparteien haben verstanden, dass die Kamera eigentlich ihr Feind ist, weil die Welt dadurch von ihren Grausamkeiten erfährt.

    Golineh Atai, ZDF-Korrespondentin

    Atai erklärt weiter: "Wenn ich in ein Gebiet reingelassen werde, bedeutet das: 'Wir wollen, dass Sie unsere Wahrheit zeigen.'"
    Viele Menschen hätten zudem sehr traumatische Erfahrungen gemacht - etwas, das Interviews erschwere. Journalisten sind davon nicht ausgenommen. Nicht alle ertragen es, ihre Arbeit fortzuführen. "Manche versuchen, ihren Job einfach zu vergessen", erzählt Atai, "um zu vergessen, was sie gesehen haben, was sie erfahren haben."

    Ahmad: Über Krieg muss mehr berichtet werden

    Vergessen schien bis vor kurzem auch der Krieg selbst. Internationale Medien haben vergleichsweise wenig darüber berichtet. Tariq Ahmad hält das für ein großes Problem: "Es braucht in den Medien mehr Raum für den Konflikt, damit die Kriegsparteien merken, dass ihnen zugeschaut wird."

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