Bildungsgipfel: Warum 14 Länder Stark-Watzinger absagen

    Misere in Schulen und Kitas:Warum 14 Länder den Bildungsgipfel schwänzen

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Alle sind sich einig: Bei Schule und Kita muss sich dringend etwas ändern. Doch zum Bildungsgipfel von Ministerin Stark-Watzinger sagen die meisten Länder ab. Warum?

    Manches muss man sich offenbar vor allem selbst einreden. "Ich freue mich unglaublich, dass Sie da sind." Es ist der erste Satz von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, mit dem die FDP-Politikerin den Berliner Bildungsgipfel eröffnet. Über die aus Politik, Forschung, Praxis, die alle im Saal sitzen, kann sie sich sicher freuen.
    Nur die, auf die es ankommt, sitzen dort nicht: die Ministerinnen und Minister aus den Ländern. Also die, die wirklich am deutschen Bildungsproblem etwas ändern können.

    Stark-Watzinger: "Alle müssen über Schatten springen"

    Dass sich etwas ändern muss, darüber sind sich alle einig. Auch Stark-Watzinger:

    Wir sind nicht da, wo wir sein wollen und sollen.

    Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP)

    Lehrermangel, fehlende Kompetenzen am Ende der Grundschulzeit, 630.000 Jugendliche, die die Schule ohne Abschluss verlassen, marode Gebäude, Lücken durch die Corona-Pandemie - die Probleme sind tatsächlich mehr als bekannt. Eine "bildungspolitische Trendwende" braucht es laut Stark-Watzinger. Nur wie?
    Geld, so die Ministerin, allein werde all diese Probleme nicht lösen. "Milliardenprogramme können ins Leere laufen", so die FDP-Politikerin. Es brauche mehr Bildungsmonitoring, "Wissenschaft statt Bauchgefühl" nennt sie das. Außerdem müsse das Zeigen mit dem Finger auf den anderen, dass Hin- und Herschieben der Aufgaben zwischen Bund und Ländern aufhören. Alle müssten "über ihren Schatten springen", sagt sie. "Wir sind alle, die Verantwortung tragen, ein Team Bildung."
    Ein Team. Mit vielen Lücken allerdings.

    Terminprobleme und "Showveranstaltung"

    Zwei von 16 Ministerinnen und Ministern sind nach Berlin gekommen. Astrid-Sabine Busse (SPD) aus Berlin zum Beispiel. Sie ist zurzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Oder Ties Rabe (SPD), Schulsenator aus Hamburg und Vertreter der SPD-Länder. Die anderen aber?
    Terminprobleme bringen einige vor. Thüringen zum Beispiel. Oder Brandenburg: Britta Ernst, SPD-Politikerin und Ehefrau des Bundeskanzlers, muss heute leider zur Kabinettssitzung. Andere bemühen sich mehr, ihr Fehlen bei dem zweitägigen Gipfel zu erklären.

    Gipfeltreffen in Berlin
    :Bildung sollte Chefsache sein, kein Gedöns

    Politiker und Wissenschaftler beraten beim Bildungsgipfel, wie es an den deutschen Schulen weitergeht. Das Treffen kann aber höchstens als "Gipfelchen" bezeichnet werden.
    von Nicole Diekmann
    Eine Englisch-Lehrerin einer Grundschule schreibt Unterrichtsinhalte an die Tafel, aufgenommen am 27.10.2010
    Kommentar
    Julia Willie Hamburg (Grüne) aus Niedersachsen wäre zum Beispiel gerne gekommen, lässt sie auf Anfrage mitteilen. Allerdings läuft dort gerade die Woche der beruflichen Bildung, aus Berlin kam allerdings auch nur ein "Terminhinweis", eine "aktive Rolle Niedersachsens" sei nicht gefragt gewesen. Außerdem:

    Das eingeplante Zeitfenster für den Austausch zwischen Bund und Ländern von etwas mehr als einer Stunde ist verhältnismäßig klein.

    Julia Willie Hamburg (grüne), Kultusministerin Niedersachsen

    Zu "lapidar" die Einladung, "keinerlei inhaltliche Vorbereitung und Abstimmung" beklagt Christian Piwarz (CDU) aus Sachsen. Insgesamt lasse die "Vorbereitung der Veranstaltung zu Wünschen übrig", so Simone Oldenburg (Linke) aus Mecklenburg-Vorpommern. "Dieser Gipfel muss langfristig vorbereitet werden." Eva Feußner (CDU) aus Sachsen-Anhalt sagt deswegen: Ohne Vorbereitung "gehe ich auch nicht von überzeugenden Ergebnissen des Gipfels aus".
    Andere sind härter. "Showveranstaltung" nennt Karin Prien (CDU) Stark-Watzingers Gipfel, der "in ihrer Art und in den eingeladenen Akteuren völlig ungeeignet ist". Die Ministerin verheddere sich in Themen, die nicht ihre Aufgaben seien, statt für einen höheren Bildungsetat zu kämpfen, so Prien. Die Bremer Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD) sagt, sie habe sich im Vorfeld eingeschaltet, aber es solle nur um Bildungsgerechtigkeit gehen: "Leider gilt immer noch zu sehr das Prinzip Gießkanne und ansonsten Wegschauen."

    Appell: Scholz soll zu Bildungsgipfel einladen

    Die Länder stehen mit ihrer Kritik nicht allein. In einem heute veröffentlichten Appell von mehr als 50 Kinderhilfswerken, Stiftungen, Gewerkschaften, diakonischen Werken, Kita- und Schulvertretungen wird der Gipfel von Stark-Watzinger für sinnlos erachtet. Er werde in "Format, Vorbereitung, Agenda und Teilnehmende" angesichts der Probleme "nicht gerecht". Es sei "höchste Zeit", dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu einem nationalen Bildungsgipfel einlade, "um einen Neustart in der Bildung einzuleiten".
    Die Probleme seien auf allen Ebenen riesig, über Kitas und Schule hinaus, weil es auch um die Chancen und Rechte von Kindern sowie die Zukunft von Demokratie, Wirtschaft, Gesellschaft gehe:

    Obwohl sich alle Beteiligten viel Mühe geben: Dem Bildungssystem gelingt es immer weniger, die Fehlentwicklungen zu korrigieren.

    Apell für einen nationalen Bildungsgipfel

    Deswegen lasse es die "Dringlichkeit der Probleme nicht zu, auf eine Neuordnung der kommunalen und föderalen Zuständigkeiten zu warten", heißt es in dem Appell.

    Hilft Förderalismusreform? Ja, nein, vielleicht

    Wie weit der Weg zu einem besseren Bildungssystem ist, zeigen die Diskussionen auf dem Bildungsgipfel. Ralph Spiegler sitzt in der ersten Runde, zusammen mit den Ministern Stark-Watzinger, Rabe und Busse. Er ist Bürgermeister in der Verbandsgemeinde Nieder-Olm bei Mainz und vertritt den Städte- und Gemeindebund. Die Kommunen also, die ihre Schulen am Laufen halten müssen. Die demnächst zusätzlich den Wechsel auf die Ganztagsbetreuung umsetzen sollen.
    Die Kommunen finden, der Bund muss mehr Geld dafür geben. Spiegler findet das auch. Ob er denn für eine föderale Reform sei, wird Spiegler gefragt. "Ja", sagt er. Und im Saal wird gelacht. Hamburgs Senator Rabe wiederum findet das gerade nicht. Eine Föderalismusreform werde "den Kindern nicht helfen".
    Und so bleibt alles erst einmal, wie es ist. Am Ende der Diskussionsrunde verweist Ministerin Stark-Watzinger auf die Kultusministerkonferenz, die Bildungsminister der Länder also. Sie treffen sich wieder am Donnerstag. "Ich hoffe, dass wir dann vereinbaren, dass es jetzt losgeht", sagt Stark-Watzinger.

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