Klausur in Weimar: CDU will das Klima und sich selbst retten

    Klausur in Weimar:Die CDU will das Klima und sich selbst retten

    Mathis-Feldhoff
    von Mathis Feldhoff
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    "Die CDU ist Klimaschutzpartei", so steht es im Beschlusspapier zur Jahresauftakt-Klausur der Union. Doch Schlagzeilen macht die Truppe von Friedrich Merz mit ganz anderen Themen.

    Friedrich Merz  CDU | Parteivorsitzender
    Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will seine Partei "jetzt neu positionieren in zentralen politischen Fragen" und verteidigt seinen 'Kleine Paschas'-Kommentar.13.01.2023 | 6:15 min
    Es soll eine besondere Geste sein. Friedrich Merz steht vor zwei Tagen auf einer runden Bühne im Konrad-Adenauer-Haus und eröffnet die Betriebsräte-Konferenz der CDU. Der Mann, der wohl wie kein anderer in der CDU das Großkapital verkörpert, geht auf die Malocher zu - so hatten es sich die Strategen der CDU-Zentrale ausgedacht.
    Dazu eine Rede, die für die versammelten Arbeitnehmervertreter eine Art Angebot sein soll. "Überall, wo Betriebsräte stark sind, hilft es den Unternehmen. Wo sie schwach sind, schaden sie den Unternehmen", sagt Merz. Tatsächlich ein Satz, den man vom CDU-Chef bisher eher selten hört. Doch im versammelten Rund, auf den Stühlen, die CDU-typisch schwarz, rot, gelb sind, kommt nicht wirklich Stimmung auf. Der Applaus ist brav, mehr aber auch nicht. Die Herzen der CDU-Malocher trifft der Vorsitzende nicht.

    Wirtschaft und Klima als ganzheitlich verstehen

    Die CDU sucht nach einer neuen strategischen Aufstellung. Man müsse Parteimitglieder nachts um drei wecken können und sie sollten, einmal aufgeschreckt, die wichtigste CDU-Programmatik aufsagen können. So stellt es sich jedenfalls der für das neue Grundsatzprogramm zuständige Vize-Vorsitzende Carsten Linnemann vor.
    CDU
    In der CDU wirkt der Schock der Wahlniederlage noch immer nach. Parteichef Merz will die Union inhaltlich neu aufstellen. Rücken die Christdemokraten weiter nach rechts?13.01.2023 | 2:17 min
    Eine Mammutaufgabe für eine Partei, die sich in den letzten Jahren inhaltlich entkernt hat. Einzig der Machterhalt von Kanzlerin Angela Merkel und die Bewältigung diverser Krisen schweißte die CDU zusammen. Die Wahlniederlage vor eineinhalb Jahren legt offen, wie blank die Christdemokraten inzwischen sind. Man hatte kaum noch Antworten auf soziale Fragen, kaum Antworten auf das Megathema Klimaschutz.
    Friedrich Merz will diese Themen verbinden, nicht mehr nur in einzelnen Schächtelchen sortieren. "Wie können wir Wirtschaft, Energie und Klima als ganzheitliche Politik verstehen", sagt er am Mittwoch vor seinen Betriebsräten.

    Bau neuer AKWs prüfen

    Die Jahresauftakt-Klausur in Weimar, zu der sich der Bundesvorstand der Partei jetzt zwei Tage trifft, soll die CDU auf diesen neuen Kurs einschwören.

    Ohne Klimaschutz kann unsere Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig bleiben, ohne wettbewerbsfähige Wirtschaft kann es aber auch keinen nachhaltigen Klimaschutz geben.

    Beschlussvorschlag zur Jahresauftakt-Klausur

    So steht es in einem Beschlussvorschlag als neues Mantra. Deutschland müsse klimaneutral werden. Auf acht Seiten, die dem ZDF-Hauptstadtstudio vorliegen, beschreibt und fordert die Partei viel Bekanntes, aber auch manches Reizthema.
    So will man den Bau neuer Atomkraftwerke prüfen – das wäre wohl Ausstieg aus dem Ausstieg. Und auch Fracking, das umstrittene Förden von heimischen Gasvorkommen, wollen die Christdemokraten ermöglichen – auch wenn das Wort "Fracking" wohl bewusst vermieden wird.

    Mit Verve in die Migrationsdebatte

    Doch ob die CDU ihr Programmkonzept auch öffentlich deutlich machen kann, scheint sie selbst nicht ganz entschieden zu haben. Seit den Silvesterausschreitungen arbeiten sich die Christdemokraten an den Tätern ab. Sei es die Nachfrage nach Vornamen, die pauschale Abrechnung mit einer vermeintlich gescheiterten bundesdeutschen Migrationspolitik oder durch das allgemeine Feststellen von Respektlosigkeit junger Schüler – oder wie Friedrich Merz sie nennt, "den kleinen Paschas" – gegenüber Lehrerinnen.
    Die Union hat sich mit Verve in eine Debatte gestürzt, die vielfach inzwischen in gegenseitiger Diffamierung abgleitet. Da wird wechselseitig mal Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn als Nazi beschimpft oder Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey der Aufklärungswille abgesprochen. Dem multiplen Problem schlechter sozialer Integration, Rassismuserfahrung und Respektlosigkeit gegenüber dem Staat werden diese Debatten selten gerecht.

    "Potentielle Mehrheit für die CDU vergessen"

    Die Vehemenz der Debatte ist wohl der Tatsache geschuldet, dass sich die CDU in ihrer gefühlten Kernkompetenz Innere Sicherheit getroffen fühlt. Umso interessanter, als auch die Union natürlich erkannt hat, dass sie ohne neue Wählerschichten künftig kaum mehr konkurrenzfähig sein kann – auch gerade im Milieu von Migrantinnen und Migranten.
    Schon länger sind CDU und CSU auf Profilsuche:
    Friedrich Merz selbst hatte das erst vor wenigen Wochen auf dem Kongress der CDU-Studentenvereinigung RCDS gesagt:

    Wenn wir diese Gruppen nicht bekommen, dann können wir jede potenzielle Mehrheit für die CDU vergessen.

    Friedrich Merz, CDU-Parteichef

    Und was für Migranten gilt, gilt für die Gruppe der Frauen und der Jungwähler genauso. Wie heißt es so schön im Politikbetrieb: Es gibt kein Erkenntnisproblem – nur ein Lösungsdefizit.
    Mathis Feldhof ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.

    Mehr zur "Paschas"-Debatte von Friedrich Merz