China & Russland: Grenzen einer "grenzenlosen Freundschaft"

    China und Russland:Grenzen einer "grenzenlosen Freundschaft"

    Elisabeth Schmidt
    von Elisabeth Schmidt
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    China und Russland waren jahrzehntelang erbitterte Feinde. Selbst wenn Xi und Putin ihre Männerfreundschaft zelebrieren, ist ihr Verhältnis geprägt von Misstrauen und Machtspiel.

    Wladimir Putin und Xi Jinping
    Der Juniorpartner und die Großmacht: Wladimir Putin und Xi Jinping.
    Quelle: ap

    Ein Chinese und ein Russe stehen mit blauen Kochschürzen am Herd und backen Blinis - kredenzt mit Kaviar und Wodka. So stellen Xi Jinping und Wladimir Putin 2018 ihre "strategische Partnerschaft" fernsehwirksam zur Schau. Es wird nicht das letzte Propaganda-Bild der beiden bleiben.
    Als fast alle Staatschefs Chinas Olympia-Blase im Februar 2022 boykottieren, ist Putin zur Stelle. Bei ihrem Treffen schwören sich die beiden "grenzenlose Freundschaft".
    Nationaler Volkskongress in Peking
    Einmal im Jahr trifft sich Chinas Schein-Parlament und nickt ab, was die kommunistische Führung vorlegt. Der Taktgeber des Volkskongresses ist Xi Jinping, der seine Macht weiter ausbaut.06.03.2023 | 2:32 min
    Erst vor wenigen Tagen pries Chinas neuer Außenminister Qin Gang auf dem Nationalen Volkskongress die sino-russischen Beziehungen als ein Paradebeispiel für internationale Beziehungen zwischen Großmächten. Doch die Partnerschaft zwischen dem größten und dem bevölkerungsreichsten Land der Erde ist keinesfalls ungetrübt. Das zeigt die Geschichte.

    Russland und China waren jahrzehntelang erbitterte Feinde. Sie stritten nicht nur ideologisch um die Führung im Weltkommunismus, sondern führten sogar Krieg gegeneinander - etwa in den 1640er Jahren, als Soldaten des russischen Zaren im Zuge der Eroberung Sibiriens bis zum chinesischen Einflussgebiet vordrangen.

    Nach der Niederschlagung des sogenannten "Boxeraufstandes" im Jahr 1900 besetzte Zar Nikolaus II. im russisch-chinesischen Krieg die Mandschurei. Ein Jahr später wurde vertraglich festgelegt, dass China das Gebiet zwar zurückerhielt, Russland zum Schutz der Eisenbahnlinie aber Truppen stationieren durfte. Russland galt in China fortan als einer der schlimmsten imperialen Aggressoren.

    Mao und Stalin dominieren nach dem Weltkrieg

    Mit dem Sieg über Nazi-Deutschland und Japan gehörten Russland und China nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Siegermächten. In China kämpften zu dieser Zeit Nationalisten und Kommunisten um die Vorherrschaft. Der Kommunist Mao Zedong konnte den brutalen Bürgerkrieg für sich entscheiden und rief 1949 die Volksrepublik China aus. Mao wollte China "modernisieren".
    Sein Kampf forderte Millionen Tote, ähnlich wie im sozialistischen Bruderstaat der Sowjetunion: Josef Stalin führte Säuberungsaktionen durch, mit Arbeitslagern. In den "Gulags" starben ebenfalls Millionen Menschen. China sah die Sowjetunion zu dieser Zeit als "großen Bruder" und akzeptierte ihre Führungsrolle in der kommunistischen Welt.  

    70. Todestag
    :Stalins Gedenken spaltet die Russen

    Am 70. Todestag Josef Stalins zeigt sich, wie unterschiedlich die Russen den einstigen sowjetischen Machthaber sehen. Die einen rühmen ihn, andere beklagen seine Brutalität.
    Anhänger der kommunistischen Partei nehmen an einer Kranzniederlegung am Grab von Joseph Stalin Teil

    Misstrauen trotz Bruderküssen

    Aber hinter der Fassade genossenschaftlicher Bruderküsse herrschte großes Misstrauen. Stalin verspottete Chinas Führer abseits der Öffentlichkeit als "Höhlenmenschen-Marxisten". Mao kritisierte den russischen Führungsstil wie folgt:

    Es gibt wohlriechende und stinkende Fürze. Man sollte nicht meinen, dass alle sowjetischen Fürze Wohlgeruch seien. Wenn jetzt andere sagen, bei denen stinke etwas, schließen wir uns ebenfalls an und sagen, es stinkt.

    Mao Zedong

    Mao bezog sich hier auf eine Rede von Nikita Chruschtschow 1956 über Stalins Verbrechen.
    Erst unter Michail Gorbatschow nahmen die Spannungen ab. 2004 wurden schließlich die Grenzstreitigkeiten beigelegt, zu dieser Zeit saß bereits Putin im Kreml.  

    Chinesische Doku: Gorbatschow vom Weg Stalins abgewichen

    Doch das Kräfte-Verhältnis hat sich nachhaltig verändert: Der Niedergang der Sowjetunion wird zur Triebfeder der Politik Xi Jinpings. Er lässt eine sechsteilige TV-Dokumentation über den Zusammenbruch der Sowjetunion produzieren.
    Sie ist Pflichtprogramm für alle Partei-Funktionäre. Kernbotschaft: Gorbatschow habe die Partei verraten, er sein in die "Falle der Demokratisierung" getappt, die der Westen ihm gestellt habe. Seine Öffnungspolitik habe in den Abgrund geführt. Der Fehler sei gewesen, vom richtigen Weg des Sozialismus abzuweichen, den Stalin vorgezeichnet habe. China werde auf seinem eigenen Modernisierungsweg nicht in die gleiche Falle tappen. 

    Russland als Chinas Juniorpartner

    Russland ist heute Chinas Juniorpartner, und das nicht nur ideologisch: Nachdem Putin kurz nach seinem Besuch in Peking 2022 in die Ukraine einmarschieren lässt, profitiert die Volksrepublik von Russlands weitgehender Isolation. Da Putin Rohöl nicht mehr an den Westen verkaufen kann, springt China ein. Insgesamt legte der Handel mit Russland im Januar und Februar 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich zu, um 25,9 Prozent.
    China weiß einen zutiefst dankbaren Partner an seiner Seite, der Nuklearmacht ist und ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Ob beim Thema Uiguren, Tibet oder den Streitigkeiten im Südchinesischem Meer - immer wieder bringt die chinesisch-russische "grenzenlose Partnerschaft" den Sicherheitsrat und andere internationale Gremien an den Rand ihrer Funktionsfähigkeit.  

    Putins Angst vor der "Neuen Seidenstraße"

    Und doch fürchtet China eine nachhaltige Destabilisierung Russlands. Xi braucht Putin als starken Partner gegenüber dem Westen. Die "Spezialoperation" des Kreml-Herrschers in der Ukraine verlief bislang nicht wie erwartet und die russische Wirtschaft lahmt. Moskau hingegen fürchtet, von China wirtschaftlich erdrückt zu werden.
    Ein Megaprojekt, das China verfolgt und das von Russland argwöhnisch betrachtet wird, ist die "Neue Seidenstraße". Die Volksrepublik baut seit Jahren einen Transport- und Handelskorridor von Asien nach Europa über die Länder Zentralasiens auf. Die Russen sehen mit Sorge, dass sich China wirtschaftlich in einer Region breitmacht, die Moskau als sein ureigenes Einflussgebiet betrachtet.
    Die "grenzenlose Freundschaft" zwischen China und Russland ist seit jeher ein Zweckbündnis gewesen. Grenzen in der Freundschaft gibt es durchaus.
    Elisabeth Schmidt ist ZDF-Ostasien-Korrespondentin und arbeitet im Studio Peking. 

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