Eine Kampagne in den sozialen Medien erklärt einen Emu fälschlich für tot. Ein harmloser Gag? Tatsächlich steckt dahinter eine Firma, die im Geheimen Wahlen beeinflussen will.
Taylor Blake ist ein Social-Media-Star. Die junge Frau aus Florida päppelt auf einer Farm verletzte und kranke Tiere wieder auf. Besonders innig pflegt sie einen Emu. Sein Name: Emmanuel. Blakes Tiervideos erreichen auf TikTok, Instagram und Twitter Millionen Menschen.
Sie scheinen verrückt nach Emu Emmanuel. Denn immer, wenn Tierpflegerin Blake ein Video aufnehmen will, platzt Emmanuel ins Bild und schiebt seinen Kopf vor die Kameralinse. Blake ruft dann: "Mach das nicht, mach das nicht, Emmanuel!" Es ist ein fest eingespieltes Ritual.
Hacker-Firma will ihr Können beweisen
Eben dieser Emu wird im Sommer 2022 zum Angriffsziel einer gesteuerten Desinformationskampagne. Es ist ein Testlauf einer israelischen Firma, die im Geheimen agiert und sich Team Jorge nennt. Nach eigenen Angaben ist sie weltweit tätig, hackt und manipuliert im Auftrag von Politikern und reichen Privatpersonen.
Eine israelische Firma bietet gegen Geld Desinformationskampagnen an – weltweit. Gemeinsame Recherchen von ZDF, SPIEGEL und ZEIT mit Forbidden Stories enthüllen das Ausmaß.
Team Jorge will einem vermeintlichen Kunden vorführen, wozu es in der Lage ist. Was Team Jorge nicht weiß: Vor ihnen sitzen Undercover-Journalisten des Investigativprojektes "Forbidden Stories", das weltweit unter dem Titel "Storykillers" zu Desinformation und Fake News berichtet. 30 Medienhäuser sind beteiligt, in Deutschland recherchieren Reporter von ZDF frontal, "Spiegel" und "Zeit" gemeinsam.
Fake News über einen Emu: "#RIP_Emmanuel"
Das Ziel von Team Jorge: vorführen, wie wirksam es ist, ein Gerücht in die Welt zu setzten. Und so startet die israelische Desinformationsfirma eine Kampagne auf der Plattform Twitter. Hashtag "#RIP_Emmanuel", auf Deutsch "Ruhe in Frieden Emmanuel". Diese Botschaft sollen Accounts verbreiten.
Die Kampagne ist für den 29. und 30. Juli 2022 geplant. So steht es in einem extra aufgesetzten Report der Firma. Sie liegt dem ZDF und "Forbidden Stories" vor.
Dafür nutzt Team Jorge eine angeblich selbst entwickelte Manipulationssoftware. Ihr Name: "Aims". Das steht für "Advanced Impact Media Solutions". Damit erstellt die Firma nach eigenen Angaben massenhaft glaubwürdig wirkende Social Media Avatare. Mit denen ließen sich dann weltweit Kampagnen voller Desinformation steuern, so die Behauptung von Team Jorge.
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So lief die Kampagne ab
Tatsächlich bereitet bereits einen Tag vor der geplanten Desinformationskampagne einer der Avatare von Team Jorge den Boden für die Welle an Falschinformationen. Der Avatar kommentiert ein Video von Taylor Blake mit dem Emu: "Ist Emmanuel noch am Leben???"
Tags darauf, am 29. Juli, beginnt dann ein ganzes Netzwerk aus Avataren von Team Jorge damit, systematisch den Hashtag "#RIP_Emmanuel" zu verbreiten und die Falschinformation vom angeblichen Tod des Emus zu streuen. Spätere Recherchen zeigen, dass mehr als 300 Avatare der Manipulationssoftware beteiligt waren.
Welche Methoden helfen, um im Internet Falschmeldungen zu erkennen? Tipps von Kommunikationswissenschaftler Prof. Wolfgang Schweiger und vom Recherchezentrum "Correctiv".
Pflegerin Taylor Blake: "Emmanuel ist nicht tot!"
Pflegerin Taylor Blake bekommt die Kampagne sofort mit. Bereits am ersten Tag, dem 29. Juli, stellt sie auf Twitter klar: "Als ich aufwachte, stellte ich fest, dass jemand das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, Emmanuel sei gestorben, und sprintete buchstäblich in die Scheune, um zu sehen, ob es stimmte. Er wartete am Tor auf mich, sehr lebendig und bereit zum Kuscheln. EMMANUEL IST NICHT TOT!"
Das ZDF hat Taylor Blake auf ihrer Farm in Florida getroffen. "Es ist einfach erschütternd zu lesen, dass etwas, das man liebt, gestorben ist. Weil man sich vorstellt, wie es wäre, wenn das tatsächlich passiert wäre." Blake war damals davon ausgegangen, dass einer ihrer Fans das Gerücht in die Welt gesetzt habe, Emmanuel sei tot. Schließlich war der Emu in der Zeit krank, worüber sie auch in den sozialen Medien geschrieben hatte.
Dass eine gezielte Desinformationskampagne hinter der faschen Todesnachricht steckte, ahnte sie nicht, sagt Blake dem ZDF. Sie schöpfte auch nie den Verdacht, dass die Accounts, die das Gerücht verbreiteten, nicht echt sein könnten.
Blake: Kampagnen können Menschenleben ruinieren
Der Fall des Emus Emmanuel zeigt, wie mächtig und gefährlich die Manipulationssoftware von Team Jorge mit seinem Avatar-Netzwerk sein kann. "Das ist es, was an den sozialen Medien so beängstigend ist", sagt Taylor Blake, "diese Entkopplung von der tatsächlichen Wahrheit".
Viele Menschen würden nicht ausreichend hinterfragen, was sie online lesen. "Sie lesen es und glauben es. Das ist wirklich gefährlich, denn man kann das Leben von Menschen ruinieren, die es nicht verdient haben, nur weil man etwas twittert oder postet, was nicht stimmt."
Lesen Sie hier die gesamte Recherche zu weltweiter Wahlmanipulation durch die Firma Team Jorge:
Exklusiv- Reporter decken weltweit Wahlmanipulation auf
Eine israelische Firma bietet gegen Geld weltweit Hacks und Desinformationskampagnen an, um Wahlen zu manipulieren. So kamen ihnen Undercover-Journalisten auf die Schliche.
von Armin Coerper, Felix Klauser