Warum Beamtenpensionen unangetastet bleiben

    "Sozialer Sprengstoff":Warum Beamtenpensionen unangetastet bleiben

    Hauptstadtkorrespondent Lars Bohnsack
    von Lars Bohnsack
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    Die Ampelregierung hat sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, die Alterssicherung zu modernisieren. Doch bei den Beamtenpensionen ist von Reformen keine Rede.

    Ein alter Mensch hält 35€ in Geldscheinen in seinen Händen
    Zwischen Renten und Pensionen klafft in Deutschland eine Gerechtigkeitslücke. Um diese zu schließen, könnte man eine Erwerbstätigenversicherung schaffen, in die alle einzahlen.24.09.2023 | 4:09 min
    Für die einen ist es ein Skandal, für andere eine Neiddebatte. Keine Regierung - weder im Bund noch in den Ländern - hat sich je getraut, den Status ihrer Beamten zu hinterfragen. Und auch die Ampel-Koalition schaut nur auf die Rente, verliert aber keinen Gedanken an die Beamtenpensionen. Man ahnt, warum. Denn die Pensionen von Beamten sind deutlich höher als die Renten von Angestellten.
    Nach 45 Arbeitsjahren bekommt ein Angestellter 48 Prozent des Einkommens. Legt man da noch die Betriebsrente von 4,6 Prozent drauf, liegt die Durchschnittsrente bei 1.636 Euro. Frauen kriegen sogar noch weniger.
    Ein Beamter bekommt dagegen bereits nach 40 Dienstjahren bis zu 71,75 Prozent dessen, was er in den letzten zwei Jahren verdient hat. Die Durchschnittspension liegt bei 3.227 Euro.

    Linke sieht "sozialen Sprengstoff"

    Der Geschäftsführer des paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, redet von einer Drei-Klassen-Gesellschaft:

    Wir haben ganz oben die Beamten und die Politiker mit außerordentlich guten Versorgungsbezügen. Dann haben wir die Leute in der gesetzlichen Krankenversicherung, mit der es seit Jahren bergab geht. Und wir dürfen die Grundsicherungsbezieher nicht vergessen, also die, die praktisch von Sozialhilfe leben müssen.

    Ulrich Schneider, Geschäftsführer des paritätischen Wohlfahrtsverbandes

    Auch die These, dass Beamte im Berufsleben weniger verdienen würden als Angestellte, trifft längst nicht mehr zu. Und die Staatsdiener erwerben bereits nach fünf Jahren eine Mindestpension in Höhe von 1.860 Euro, das ist mehr als die Durchschnittsrenten nach 45 Jahren.
    Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch ist empört: "Das ist nicht nur ungerecht, das ist sozialer Sprengstoff, wenn man sehr schnell hohe Ansprüche erwirbt. Das trifft auf Abgeordnete zu, aber auch auf Beamte."

    Deshalb muss es Ziel sein, dass alle in eine Kasse einzahlen.

    Dietmar Bartsch, Die Linke

    Berlin direkt mit Diana Zimmermann
    Quelle: ZDF

    Mehr zum Thema sehen Sie heute, um 19.10 Uhr bei "Berlin direkt" im ZDF und in der ZDF-Mediathek.

    Sozialverbände fordern eine Erwerbstätigenversicherung

    Sozialverbände und die Linke fordern eine Erwerbstätigenversicherung und verweisen auf Österreich. Dort hat man bereits 2004 begonnen, Renten und Pensionen über einen Zeitraum von vier Jahrzehnten schrittweise anzugleichen.
    Längst nicht alles ist vergleichbar, dennoch hält der österreichische Rentenpapst Bernd Marin den Weg der Alpenrepublik auch auf Deutschland übertragbar. "Es würde alles dafür sprechen, das einheitlich zusammenzuführen. Es ist die Transparenz, es ist die Dezentralisierung, es ist die Administrierbarkeit."

    Und es betrifft auch die Gesichtspunkte der Fairness und der Gleichbehandlung.

    Bernd Marin, österreichischer Rentenexperte

    Vor der letzten Bundestagswahl ist die SPD noch mit der Forderung nach einer Erwerbstätigenversicherung, also eine Versicherung, in die alle einzahlen, in den Wahlkampf gezogen. Davon aber will die Ampel nichts mehr wissen. In seiner Haushaltsrede im Bundestag spricht Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nur über die Rente, nicht von der Pension. Ist die Ampel vor der Beamtenlobby eingeknickt?
    Ulrich Silberbach
    Der Personalmangel ist im öffentlichen Dienst gegenwärtig "und die Politik steuert nicht gegen", so der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes Ulrich Silberbach. 09.08.2023 | 3:51 min

    Hohe Pensionen als Lockmittel und Wahlkampfslogan

    Der Rentenexperte der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, stellt klar, dass man für eine Verschmelzung der Systeme eine Verfassungsänderung brauche und Mehrheiten in den Ländern. Und die sehe er nicht, auch nicht in SPD-geführten Ländern. War also die Forderung nach einer Erwerbstätigenversicherung nur dem Wahlkampf geschuldet? Hat die SPD - und auch die Grünen - den Wählern Sand in die Augen gestreut? Davon will Rosemann im Interview nichts wissen und zeigt auf die FDP. Die lehnt das österreichische Modell kategorisch ab.
    Derweil werden in den Ländern Fakten geschaffen. So kann die Berliner Landesregierung nicht der Versuchung widerstehen, mit Verbeamtungen schneller an Lehrpersonal zu kommen. Hohe Pensionen als Lockmittel - deutlicher kann Politik nicht zum Ausdruck bringen, welchen (geringen) Wert sie der Rente beimisst.
    Eine Alterssicherung, in die alle einzahlen, auch Bundestagsabgeordnete, könnte sozialen Sprengstoff entschärfen. Politisch allerdings ist sie in Deutschland nicht absehbar.

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