Binnenschifffahrt: Warum nicht mehr Fracht auf Schiffe geht

    Wasserwege in Deutschland:Binnenschifffahrt: Stiefmütterliches Dasein

    Frank Bethmann ist zu sehen.
    von Frank Bethmann
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    Dass mehr Fracht auf Flüssen transportiert werden soll, ist unstrittig. Das Problem: die marode Wasserinfrastruktur. Es fehlt an Geld, an Personal - und auch am politischen Willen.

    18.08.2022, Rhein bei Lobith, Niederlande: Ein Binnenschiff fährt durch den Rhein (aufgenommen aus der Vogelperspektive)
    18.08.2022, Rhein bei Lobith, Niederlande: Ein Binnenschiff fährt durch den Rhein (aufgenommen aus der Vogelperspektive)
    Quelle: epa

    "Was helfen die ganzen Lippenbekenntnisse?", fragt Jens Schwanen enttäuscht. Der Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) kann sich noch gut an den Jahresanfang erinnern. Im Januar machte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) der Branche bei einer öffentlichen Veranstaltung Mut:

    Eine umwelt- und klimafreundliche Logistik ist ohne die Binnenschifffahrt nicht möglich.

    Volker Wissing, Bundesverkehrsminister (FDP) im Januar 2023

    Doch passiert ist wenig, nicht erst seitdem. Bereits seit 2019 existiert der "Masterplan Binnenschifffahrt", der vorsieht, dass der Verkehrsanteil der Binnenschifffahrt bis 2030 bei 12 Prozent liegen soll. Das entspräche fast einer Verdoppelung der aktuellen Transportleistung.

    Schleusen, Wehre, Brücken - vielerorts in desolatem Zustand

    Die Vorteile einer solchen Verkehrsentwicklung liegen auf der Hand. Auf den Flüssen ist im Gegensatz zur Straße und zur Schiene noch Platz. Vor allem aber schafft es ein durchschnittliches Frachtschiff die Ladung von 150 LKW zu transportieren.
    Ein Containerschiff im Hamburger Hafen. Die Internationale Weltschifffahrts-Organisation will konkrete Vorgaben machen, wie Containerschiffe ihre Emissionen senken sollen.
    Die Internationale Weltschifffahrts-Organisation will konkrete Vorgaben machen, wie Containerschiffe ihre Emissionen senken sollen. Bisher fahren die Schiffe vor allem mit Schweröl.07.07.2023 | 0:42 min
    Zwar verursachen auch Schiffe Treibhausgase, doch das Bundesumweltamt hat errechnet, dass sie pro Tonne Fracht nur etwa ein Drittel dessen emittieren, was ein LKW hinten raushaut.
    Das Problem aber ist ein ganz anderes. Die Infrastruktur der Wasserstraßen ist in die Jahre gekommen. Schleusen, Wehre, Brücken sind vielerorts in einem desolaten Zustand.
    Auf Anfrage der CDU/CSU im Bundestag bestätigte die Bundesregierung jüngst, dass ein kurz- bis mittelfristiger Handlungsbedarf an circa 70 Wehren, circa 130 Schleusen und 160 Brücken bestünde.

    Geld zur Sanierung "reicht vorne und hinten nicht"

    Das sei die Folge einer jahrzehntelangen Unterfinanzierung, meint Magnus Bünning vom Verein für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen, einem Branchen-Thinktank.
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    In diesen Tagen wird über den endgültigen Bundeshaushalt für das kommende Jahr entschieden. Der für das Schifffahrtsgewerbe wichtigste Etat, nämlich für Ersatz, Ausbau und Neubaumaßnahmen, soll im Jahr 2024 725 Millionen Euro betragen.

    Das reicht vorne und hinten nicht.

    Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutsche Binnenschifffahrt (BDB)

    Schwanen verweist dabei auf den vom Bundesverkehrsministerium vorgelegten Verkehrsinfrastrukturbericht. Danach beträgt allein der Ersatzinvestitionsbedarf 900 Millionen Euro pro Jahr, um den Substanzverlust im Wasserstraßennetz aufzufangen. "Und da reden wir noch nicht vom Ausbau", ergänzt der Geschäftsführer des BDB.
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    Für Binnenschifffahrtsausbau fehlen Planer und Ingenieure

    Es klemmt also gewaltig und das nicht nur beim Geld. Bünning lenkt den Fokus auf die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), die nach Meinung des Branchenkenners nicht ausreichend in der Lage ist, die Verkehrswege in Schuss zu halten.

    Dort fehlt es an Planern und Ingenieuren sowie an einer positiven Fehler- und Entscheidungskultur.

    Magnus Bünning, Verein für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen

    Dass Planungs- und Genehmigungsverfahren mitunter Jahrzehnte dauern, zu dieser Erkenntnis kommt auch der Abschlussbericht der Beschleunigungskommission Mittelrhein.

    Planungs- und Bauzeiträume für Wasserwege sollen verkürzt werden

    Im Detail geht es dabei um Lösungen für eines der wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekte im Bundesverkehrswegeplan für Wasserstraßen, einer Fahrrinnenvertiefung auf Deutschlands wichtigstem Strom, dem Rhein.

    So werden Waren weltweit transportiert:





    Von Abladeoptimierung sprechen die Fachleute, die Vorschläge erarbeitet haben, wie sich hier Planungs- und Bauzeiträume verkürzen ließen.
    BDB-Geschäftsführer Schwanen freute es seiner Zeit, "dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing seine Überzeugung mitgeteilt hat, dass die Abladeoptimierung im überragenden öffentlichen Interesse liegt und dass er sich weiter dafür einsetzt, dass dies auch entsprechend gesetzlich verankert wird."

    Bundesrat moniert Fehlen von Wasserstraßenprojekten

    Gesagt, aber nicht getan. Im Genehmigungsbeschleunigungsgesetz befindet sich weder dieses konkrete Mittelrhein- noch irgendein anderes Wasserstraßenprojekt. Der Bundesrat hat diesen Missstand zwar moniert, ungewiss jedoch, ob er auf Änderungen beharrt oder das Gesetz dennoch durchwinkt.
    Wie es auch kommt, eines bleibt schon jetzt hängen: "Wieder einmal werden die Wasserstraßen eher stiefmütterlich behandelt", findet Bünning.
    Frank Bethmann ist Redakteur im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.

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