SPD: Esken sieht Potenzial der Partei bei 47 Prozent
SPD-Vorsitzende im ZDF-Interview:Esken sieht Potenzial der SPD bei 47 Prozent
von Dominik Rzepka
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SPD-Chefin Esken räumt Fehler bei der Kür des Kanzlerkandidaten ein. Nun aber wolle die SPD mit "klaren Botschaften" in den Wahlkampf ziehen, das Potenzial der SPD sei groß.
Fehler bei der Kür des SPD-Kanzlerkandidaten: Laut SPD-Chefin Saskia Esken hat die Debatte etwas zu lange gedauert.24.11.2024 | 3:00 min
SPD-Chefin Saskia Esken hat eingeräumt, dass die Nominierung von Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat nicht optimal gelaufen ist. In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" sagte Esken:
Es habe "offenbar eine Zeit gebraucht, damit auch Einsichten gereift sind". Bei wem Einsichten gereift seien, vielleicht bei Scholz oder dem möglichen Kanzlerkandidaten Boris Pistorius wollte Esken auf Nachfrage nicht sagen.
Den Streit, ob nicht Boris Pistorius der bessere Kanzlerkandidat wäre, will die SPD hinter sich lassen. Im Bundesvorstand soll heute Olaf Scholz zum Spitzenkandidaten nominiert werden.25.11.2024 | 2:21 min
SPD will Wähler mit "klaren Botschaften" ansprechen
Esken sagt, die Partei ziehe nun mit Olaf Scholz in den kurzen Wahlkampf, also "mit einem Bundeskanzler, der gezeigt hat, dass er regieren kann". Die SPD werde nun ihre möglichen Wähler "mit klaren Botschaften und klaren Konzepten" ansprechen.
Wählerpotenzial und tatsächliches Ergebnis sind zwei verschiedene Größen. Eine konkrete Zahl, wie stark die SPD bei der Bundestagswahl werden will, nannte Esken nicht.
Experte nennt Eskens Zahlen "irreführend"
Matthias Jung, Forschungsgruppe Wahlen: Das ist die Summe derer, die die SPD tatsächlich wählen wollen plus die, die angeben, sich das prinzipiell vorstellen zu können. Man fragt die Menschen, die zum Beispiel CDU oder Grüne wählen wollen, ob sie sich auch ein Kreuz bei der SPD vorstellen könnten.
Im Umkehrschluss bedeutet diese Zahl: 53 Prozent der Befragten können sich unter keinen Umständen vorstellen, die SPD zu wählen. Übrigens liegt das Wählerpotenzial der SPD im ZDF-Politbarometer nur bei 41 Prozent.
Matthias Jung, Forschungsgruppe Wahlen: Ganz bestimmt nicht. Die SPD hat keine Chance, 47 Prozent zu erzielen - eine andere Partei übrigens auch nicht. Wenn der Eindruck erweckt werden soll, die SPD könnte bis zu 47 Prozent erreichen, es lohne sich, darum zu kämpfen, dann ist das irreführend.
Außerdem muss man diese Zahl immer in Relation sehen. Wenn man alle Potenziale aller Parteien zusammenzählt, kommt man auf 200 Prozent und mehr. Die Menschen können sich nämlich eine ganze Menge vorstellen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie sich in der Wahlkabine auch so verhalten.
Matthias Jung, Forschungsgruppe Wahlen: Die Union hatte in ihren besten Zeiten mal ein Potenzial von über 60 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht liegt bei ungefähr 15 Prozent. Aber das heißt trotzdem nicht, dass das BSW die Chance hätte, 15 Prozent bei der Bundestagwahl zu bekommen.
Richtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich Parteien vor allem um Wähler in ihrem eigenen Potenzial bemühen und den Rest eher ignorieren sollten. Nur dort haben sie überhaupt eine Chance, durchzudringen.
Die SPD hat sich selbst demontiert. Die Debatte um die Kanzlerkandidatur hat dem amtierenden Kanzler Olaf Scholz geschadet und hat die SPD-Parteichefs beschädigt.24.11.2024 | 3:46 min
Mit diesen Themen zieht die SPD in den Wahlkampf
Wohl aber hat die SPD am Wochenende Kernpunkte ihrer Kampagne veröffentlicht. In den kommenden Wochen stehen "die wahren Leistungsträger" im Mittelpunkt, die "hart arbeitende Mitte in Deutschland", so SPD-Generalsekretär Matthias Miersch.
Der Slogan der SPD lautet "Wir kämpfen für ...", ergänzt durch Ziele wie "deine Zukunft" oder "Deutschland". Themen sind sichere Renten, bessere Löhne oder Investitionen in die Zukunft. An die Wählerinnen und Wähler wende sich die Partei "mit einer neuen kämpferischen Optik und direkter Sprache", so Miersch.
Am Montag will die Parteispitze die Kampagne beschließen. Außerdem soll Scholz offiziell zum Kanzlerkandidaten nominiert werden.
Olaf Scholz wird im Wahlkampf auf seine Erfahrung und das Thema Ukraine setzen. Er ist aber ein beschädigter Kandidat, sagen Beobachter. Wie will die SPD das Ruder rumreißen?
von Dominik Rzepka
Analyse
SPD-Vize kritisiert auch "Nazisprech"
Miersch rief die Partei zu Geschlossenheit auf - was auch dringend nötig ist. Am Wochenende hatte Juso-Chef Philipp Türmer die Performance der SPD in der K-Frage als "Shit Show" bezeichnet. Türmer ging auch hart mit den SPD-Vorsitzenden Esken und Lars Klingbeil ins Gericht.
Am Sonntag griff SPD-Parteivize Serpil Midyatli auch Scholz ganz persönlich an und kritisierte die Debatte um die Kanzlerkandidatur. Sie sagte auf dem Juso-Bundeskongress in Halle an der Saale:
Sie selbst sei nicht nur wegen der vergangenen Tage wütend, sondern auch darüber, dass die SPD es zugelassen, dass "Nazisprech" wieder die Migrationsdebatte im Land beherrsche. Die Regierung habe vor allem über das Abschiebungspaket geredet. "Dafür, lieber Olaf, haben wir nicht die Wahl 2021 gewonnen."
SPD-Chefin Saskia Esken hat Kritik an Kanzler Scholz zurückgewiesen, er schüre im Wahlkampf Angst vor einer Eskalation des Kriegs gegen die Ukraine. Scholz sei kein Heißsporn.24.11.2024 | 2:55 min
Ukraine: Scholz, der "Friedenskanzler"?
Scholz stand in den vergangenen Tagen auch wegen seiner Äußerungen im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine in der Kritik. Mehrfach benutzte er in dem Zusammenhang das Wort "furchtbar", das hatten ihm Kritiker als Angstmache ausgelegt.
Esken wies die Kritik zurück. "Da ist keine Angstmache", sagte sie im ZDF. "Wir werden Ängste nicht verstärken, sondern wir nehmen sie wahr."
Deutschland unterstütze die Ukraine auch weiterhin. "Dennoch muss doch unser Ziel sein, dass wir gemeinsam mittelfristig auch zu einer Friedensordnung kommen." Olaf Scholz habe gezeigt, dass mit ihm "kein unbeherrschter Heißsporn" im Kanzleramt sitze. Er werde dafür sorgen, dass Deutschland nicht in den Krieg hineingezogen werde.
Neuwahl im Februar: Welche Kandidaten und Parteien zur Wahl stehen, wer bei der Bundestagswahl 2025 wählen darf und was die Umfragen sagen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.