Bezahlkarte: Hannovers OB spricht von "Diskriminierung"

    Debatte bei Lanz um Bezahlkarte:Hannovers OB spricht von "Diskriminierung"

    von Felix Rappsilber
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    Belit Onay (Grüne) ist gegen Beschränkungen der Bezahlkarte für Asylsuchende. Landrat Christian Herrgott (CDU) widerspricht und bezieht sich auf "geltendes Recht".

    Markus Lanz vom 22. Februar 2024: Belit Onay, Markus Lanz, Christian Herrgott, Rahel Dreyer, Helene Bubrowski
    Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 22. Februar 2024.22.02.2024 | 76:27 min
    Und wieder sind sich die Parteien der Ampel nicht einig: Vergangenen November hatte Kanzler Olaf Scholz die bundeseinheitliche Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende verkündet. Gegen diese Einigung, die Scholz einen "historischen Moment"genannt hatte, regt sich mittlerweile massiver Widerstand der Grünen.
    Archiv, 15.02.2024: Eine Person zahlt mit einer Bezahlkarte an einem Terminal.
    In der Regierung geht der Streit um Bezahlkarten für Asylbewerber weiter. SPD und FDP werfen den Grünen vor, das Projekt zu blockieren, weil sie keine Gesetzesänderungen wollen. 19.02.2024 | 0:23 min

    Gesetzliche Anpassung?

    Nicht über das "Ob", sondern über das "Wie" werde gestritten, sagte Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay am Donnerstagabend bei Markus Lanz.

    Zu dem Zeitpunkt war die Rückmeldung, wohl auch aus dem Bundeskanzleramt: Eine gesetzliche Anpassung braucht es nicht.

    Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay

    Laut Asylbewerberleistungsgesetz seien für "Asylbewerber, die nicht in Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen", im "Regelfall" Geldleistungen und im "Ausnahmefall" Sachleistungen oder Wertgutscheine vorgesehen, entgegnete die Journalistin und Juristin Helene Bubrowski.

    Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis umzudrehen, so war der Ministerpräsidentenkonferenz-Beschluss zu verstehen, war das Bestreben.

    Helene Bubrowski, Journalistin und Juristin

    Durch den derzeitigen Widerstand der Grünen entstehe der "Verdacht, dass dahinter doch ein inhaltlicher Grund steht, nämlich dass man das System doch nicht umstellen will", so Bubrowski. Durch die Bezahlkarte soll verhindert werden, dass Asylbewerber Geld in ihre Herkunftsländer schicken können.
    Mann bezahlt im Supermarkt mit einer Bezahlkarte
    Mit einer Bezahlkarte statt Bargeld sollen Asylbewerber künftig bestimmte staatliche Leistungen beziehen können. Doch das bringe kaum Fortschritte in der Asylkrise, so Experten.06.02.2024 | 8:54 min

    Herrgott: Bezahlkarte ohne Möglichkeit der Überweisung

    Christian Herrgott, Landrat des thüringischen Saale-Orla-Kreises, erklärte, die Idee hinter der Bezahlkarte sei, "dem Asylbewerber oder Flüchtling eine Karte an die Hand zu geben, mit dem er seinen täglichen Bedarf, der ihm per Gesetz zusteht, bestreiten kann": pro Person und Monat "etwa 400 Euro Asylbewerbergrundleistung", davon etwa 50 Euro bares "Taschengeld" für Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben.
    André Berghegger | Hauptgeschäftsführer Deutscher Städte- und Gemeindebund
    Die Bezahlkarte für Asylsuchende sei ein "wesentlicher Baustein", um die Migration und Integration "voranzubringen", so André Berghegger vom Deutschen Städte- und Gemeindebund.05.02.2024 | 4:36 min
    Die Karte werde monatlich aufgeladen, sodass damit im Geschäft wie mit einer Kreditkarte bezahlt werden könne: "Man kann davon aber nicht überweisen", sagte CDU-Politiker Herrgott.

    Man kann sich in Thüringen den Satz nicht vollständig als Bargeld auszahlen lassen. Das wollen wir auch nicht.

    Christian Herrgott, Landrat des thüringischen Saale-Orla-Kreises

    Onay: Bezahlkarte unter der "Überschrift Digitalisierung"

    Ende vergangenen Jahres habe Onay die Bezahlkarte eingeführt. In Hannover gebe es "keinerlei Diskriminierung durch irgendwelche Einschränkungen" der Bezahlkarte. Über das Geld im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes könne frei verfügt werden.

    Die Bananenmilch auf dem Schulhof für die Kinder wird auf einmal viel, viel schwieriger zu organisieren sein, weil die ganze Familie eine Karte hat, 50 Euro für die gesamte Bedarfsgruppe.

    Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay

    Der Bargeldsatz von 50 Euro gelte pro Person, entgegnete Herrgott: "Das ist keine Karte, die diskriminiert, sondern es ist eine Karte, die einfach geltendes Recht umsetzt."
    Dass Geld in die Herkunftsländer überwiesen oder missbräuchlich verwendet werde, "schränken wir mit dieser Karte deutlich ein", so der Landrat. Geld, das Asylbewerbern "vom deutschen Steuerzahler" für ihren täglichen Bedarf zur Verfügung gestellt werde, solle "hier in Deutschland" verwendet werden.
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    Dem Argument des sogenannten Pull-Faktors bei möglichen Überweisungen deutscher Sozialleistungen für Asylsuchende ins Ausland entgegnete Onay: "Die Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, als Geflüchteter, hat vor allem Push-Faktoren, nämlich Krieg, Armut, Krisen vor Ort."

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