Nach der Ampel-Einigung: Hat Lisa Paus sich verzockt?

    Nach der Ampel-Einigung:Hat Lisa Paus sich verzockt?

    Patricia Wiedemeyer
    von Patricia Wiedemeyer
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    Hoch gepokert, tief gefallen? Hat Lisa Paus mit ihrem Veto neulich im Kabinett Robert Habeck (beide Grüne) und die ganze Ampel brüskiert, um am Ende kaum etwas zu erreichen?

    Lisa Paus
    Bei der Fraktionsklausur der Grünen geht es unter anderem um die Diskussionen über Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und die Kindergrundsicherung.
    Quelle: epa

    Es ist die Frage, die sich alle hier stellen, bei der Fraktionsklausur der Grünen in Berlin. Eigentlich soll es um Themen der Zukunft gehen, um ländliche Räume, um soziale Fragen wie Pflege und Krankenhausreform, um Impulse für die schwächelnde Wirtschaft. Man freue sich auf die zweite Halbzeit der Ampel, verkündet die Fraktionsvorsitzende Dröge. Na ja, so richtig glaubt sie selbst es wohl nicht, geschweige denn sonst jemand.
    Zu bitter scheint am ersten Tag das Ergebnis der endlosen Streitereien über die Kindergrundsicherung. Mit einer Forderung von zwölf Milliarden hatte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) mal angefangen, bekommen hat sie am Ende 2,4 Milliarden. Das hätte man schon im März haben können, ohne Streit, ohne erneuten Ansehensverlust.
    Lisa Paus, christian Lindner und Hubertus Heil gehen die Treppe hinauf
    Der Streit um die Kindergrundsicherung ist beigelegt. Die Ampel hat sich kurz vor der Klausur geeinigt. Ab 2025 sollen Kinder durch eine neue Regelung vom Staat abgesichert werden.28.08.2023 | 2:39 min
    Nach monatelangem Streit hat sich die Koalition über die Kindergrundsicherung geeinigt:
    Mit Finanzminister Lindner (FDP) sei nicht mehr zu machen, er will diese "kleine" Zahl verkünden, der Kanzler schweigt und hält sich raus, obwohl er doch eigentlich "Sozial"Demokrat ist, wo bleibt eigentlich die Unterstützung der SPD-Fraktion? Das fragen sich viele hier in Berlin, irgendwie sind immer sie es, die fordern, die für soziale Gerechtigkeit kämpfen, für mehr Klimaschutz, doch immer wieder scheitern sie an der FDP und am Kanzler, der sich im Zweifelsfall immer an die Seite Christian Lindners stellt.

    Wohl deutlich mehr als 2,4 Milliarden für die Kindergrundsicherung

    So die Lage gestern, heute sieht die Welt und damit auch die Höhe der Kindergrundsicherung schon ganz anders aus. Arbeitsminister Hubertus Heil verkündet die Anhebung des Bürgergeldes. Das bedeutet im Klartext, dass auch jedes bedürftige Kind künftig etwa 50 Euro mehr erhält, das heißt für die Kindergrundsicherung: 2,4 Milliarden sind viel zu wenig.
    Ersten Schätzungen zufolge dürften es vier bis fünf Milliarden werden. Fragt sich nur, warum Hubertus Heil das nicht gestern schon verkündet hat, aus Rücksicht auf Christian Lindner, damit er wenigstens einen Tag lang als Sieger dasteht?
    Kinderbetreuung-Dortmund
    Nach langem Streit gab es eine Einigung zur Finanzierung der Kindergrundsicherung. Sozialverbände reagieren enttäuscht auf den Kompromiss. Die Dortmunder Tafel ist ein Beispiel wie Armut im Alltag aussieht.29.08.2023 | 1:47 min
    Sozialverbände fordern mehr Geld für die Bekämpfung von Kinderarmut:
    Und es geht noch weiter, sollten alle, die bisher die Leistungen nicht in Anspruch genommen haben, weil sie es nicht wussten, weil es alles zu kompliziert war, ab 2025 aber ihre ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch nehmen, eben weil die Verfahren vereinfacht werden, weil Leistungen zusammengefasst werden, dann drohen dem Finanzminister noch ganz andere Ausgaben.

    Wehren sich die Grünen zu wenig in der Ampel?

    Berechnungen einiger Grünen-Abgeordneter zufolge könnten dann Ausgaben bis zu zehn Milliarden auflaufen, bei einer Inanspruchnahme von 80 Prozent aller Berechtigten. Es sind keine ganz exakten Zahlen, aber klar ist schon heute, die von Lindner so stolz präsentierte Zahl von 2,4 Milliarden lässt sich nicht halten, das Image des eisernen Sparers hielt lediglich einen Tag. Und Lisa Paus hat vielleicht doch mehr erreicht, als es gestern noch den Anschein hatte.
    X
    Die Koalition kommt nach langem Streit zu einem Ergebnis bei der Kindergrundsicherung. Wie diese Einigung einzuordnen ist, berichtet ZDF-Korrespondentin Andrea Maurer aus Berlin.28.08.2023 | 1:18 min
    Fragt sich, warum die Grünen, warum Lisa Paus gestern nicht deutlicher wurden, nicht gegen den Eindruck angekämpft haben, als Verlierer dazustehen. Vielleicht um erneuten Streit in der Ampel zu vermeiden, das wäre ja ehrenwert, vielleicht aber auch, weil sie sich nicht genug wehren gegen das Duo Lindner/Scholz, die eisern zusammenstehen. Wenn es letzteres wäre, dann fragt sich, wie lange die Basis dies noch mitmachen wird?
    Ein Gutes jedoch habe die ganze Diskussion und der Streit gehabt, sagen sie hier, jetzt wisse immerhin jeder im Lande, wie viele von Armut bedrohte Kinder es gebe im Lande, dass dringend gehandelt werden müsse. In einer Ampel-Koalition mit drei so verschiedenen Partnern ist man inzwischen froh, wenn überhaupt etwas geeint und beschlossen wird.

    Kabinettsklausur der Koalition
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