Migrationsexperte Knaus: Im Mittelmeer droht blutiges Jahr

    Interview

    Migrationsexperte im ZDF:Knaus: Im Mittelmeer droht blutiges Jahr

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    Die Länder wollen vom Bund deutlich mehr Gelder für die Flüchtlingshilfe - doch die Ampel will Lösungen auf EU-Ebene. Wie das gelingen könnte, erklärt Migrationsforscher Knaus.

    Während die Länder vor dem anstehenden Treffen in Berlin mit dem Bund deutlich mehr finanzielle Hilfe für die Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland fordern, betont die Ampel-Koalition die Wichtigkeit der Migrationspolitik auf EU-Ebene. Im ZDF heute journal spricht Migrationsforscher Gerald Knaus über Abkommen zwischen Brüssel und Drittstaaten, die Idee von Asylzentren an den EU-Außengrenzen und die momentane Lage im Mittelmeer.
    Sehen Sie oben das Interview in voller Länge und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Gerald Knaus ...

    ... zur Frage, ob Migrationsabkommen mit Drittstaaten sinnvoll sind

    Auf Migrationsabkommen mit Drittstaaten zu setzen, wie es die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und die EU planen, sei zwar "sehr schwierig", allerdings auch "alternativlos, wenn man nicht will, dass in diesem Jahr wieder Tausende Menschen sterben", sagt Knaus.
    Wichtig sei dabei, wie die zwischen Europäischer Union und Türkei 2016 geschlossene Vereinbarung gezeigt habe, dass genug Anreize zur Einhaltung für die Gegenseite geschaffen werden. Als die EU es nach vier Jahren unterlassen habe, Ankara klarzumachen, die Aufnahme syrischer Flüchtlinge weiter zu finanzieren, habe die Türkei "das Abkommen de facto ausgesetzt", sagt Gerald Knaus.
    Daher müssten Ländern, die für Migrationsabkommen infrage kämen, zum Beispiel die Möglichkeit zur "legalen" Arbeitsmigration oder Visa-Erleichterungen für ihre Staatsbürger ernsthaft in Aussicht gestellt werden. Dies führe dazu, dass Abkommen auch eingehalten würden - "das sehen wir am Balkan", sagt der Migrationsforscher.

    ... zur aktuellen Flüchtlingssituation an den EU-Außengrenzen

    Im vergangenen Jahr sind laut Knaus ungefähr 160.000 Menschen über das Mittelmeer in EU-Länder wie Spanien, Italien oder Griechenland gekommen. Ein Großteil davon sei aus Staaten, bei denen eine "sehr geringe Anerkennungschance" bestehe, darunter Tunesien oder Ägypten.
    In diesen Fällen könnten "kluge Migrationsabkommen" die Zahl der Geflüchteten verringern, die sich "in Boote setzen" und lebensgefährliche Überfahrten riskierten, sagt der Migrationsexperte. Solche Einigungen seien "in diesem Jahr dringend notwendig".

    Sonst wird das eines der blutigsten und tödlichsten Jahre im Mittelmeer, nach dem, was wir in den letzten drei Monaten schon gesehen haben.

    Gerald Knaus, Migrationsforscher

    ... über den Vorschlag, Asylzentren an der EU-Außengrenze aufzubauen

    Die Idee, Zentren für Asylbewerber an den EU-Außengrenzen zu errichten und dort Personen ohne Bleibeaussichten schneller abzuschieben, sei ohne entsprechende Migrationsabkommen wenig zielführend. Ansonsten würden Ankunftsländer wie Spanien oder Italien einem solchen Vorschlag "sicherlich" nicht einwilligen.
    Was mit den Geflüchteten geschehe, die von ihren Heimatländern nicht zurückgenommen würden, sei dann nämlich unklar.

    Ohne Migrationsabkommen bringen auch schnelle Verfahren an der Grenze nichts.

    Gerald Knaus, Migrationsforscher

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