Gedenken an Befreiung der KZ Buchenwald und Bergen-Belsen
Erinnerung an KZ-Befreiung:"Gedenken ohne Konsequenzen ist nur Ritual"
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Auch viele Sinti und Roma waren in den KZ Buchenwald und Bergen-Belsen inhaftiert. Beim Gedenken an die Befreiung vor 78 Jahren stand der erstarkende Antiziganismus im Fokus.
Bei der Gedenkveranstaltung für die Befreiung des KZ Buchenwald war auch der Holocaust-Überlebende Alojzy Maciak.
Quelle: AFP
Am Sonntag ist der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie Bergen-Belsen im April 1945 gedacht worden. Anlässlich des Gedenktages zum 78. Jahrestag rief der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma die staatlichen Institutionen dazu auf, den Antiziganismus als Gefahr ernstzunehmen und Minderheiten zu schützen.
Bergen-Belsen: Erinnerung an verfolgte Sinti und Roma
Schwerpunkt des diesjährigen Gedenkens war die Erinnerung an das Schicksal der im Nationalsozialismus verfolgten Sinti und Roma. Der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, unterstrich bei der Gedenkveranstaltung in Bergen-Belsen:
Er forderte zu einem "echten Gedenken" auf, zu dem es gehöre, gegen Ausgrenzung und Verfolgung von Sinti und Roma in aller Welt einzutreten:
Kulturministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) sagte in Buchenwald, es gehe beim "Erinnern um Mahnung für die Gegenwart und Zukunft, damit wir immer im Blick behalten, wozu Antisemitismus, Rassismus und andere Ideologien der Ungleichwertigkeit führen können, wenn wir nicht rechtzeitig und entschieden eingreifen und gegenhalten".
Auch Anne Frank starb in Bergen-Belsen
Das Konzentrationslager Bergen-Belsen bei Celle war am 15. April 1945 von der britischen Armee befreit worden. Landtagsvizepräsidentin Sabine Tippelt (SPD) erinnerte daran, dass Bergen-Belsen ab 1941 auch das Hauptgefangenenlager für sowjetische Kriegsgefangene war. Etwa 20.000 von ihnen seien in dem Lager bei Celle umgekommen.
Außerdem haben historischen Forschungen zufolge mehr als 50.000 jüdische und andere Gefangene das KZ Bergen-Belsen nicht überlebt, darunter das Mädchen Anne Frank (1929-1945) aus den Niederlanden.
09.11.2018 | 12:54 min
Als Kind in Bergen-Belsen: Yvonne Koch erinnert sich
An das Schicksal der jüdischen Gefangenen erinnerte Menachem Rosensaft, der Sohn Überlebender von Bergen-Belsen und 1948 dort geboren. Der ranghohe Vertreter des World Jewish Congress sagte, dass auch nach dem Krieg die überlebenden Juden unter britischer Kontrolle in dem Lager bleiben mussten. Sie stammten aus vielen Teilen Europas, konnten nicht in ihre Heimat zurück und galten als Displaced Persons.
Buchenwald: Erinnern als Mahnung für die Gegenwart
Das Ausmaß des Leids der Sinti und Roma im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar ist nach Auffassung der Thüringer Landesregierung viel zu lange unbeachtet geblieben. Fast 40 Jahre habe es gedauert, bis die an ihnen begangenen Verbrechen in der Bundesrepublik als Völkermord anerkannt wurden, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).
Buchenwald zwinge wie kaum ein zweiter Ort in Thüringen zu Scham und Demut im Angesicht der Menschheitsverbrechen, die dort im Namen einer verblendeten Rassenideologie begangen worden seien. Ramelow sagte:
Romani Rose: Wieder offen Hetze gegen Minderheiten
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, dass in ganz Europa rechtsextreme sowie nationalistische Gruppen und Parteien offen gegen Rechtsstaat und Minderheiten hetzten. Rose betonte, 2022 seien in Deutschland 145 Straftaten gegen Angehörige von Sinti und Roma erfasst worden.
Daher habe der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma begonnen, eine bundesweite Melde- und Informationsstelle gegen Antiziganismus aufzubauen. Rose betonte:
Minderheiten bräuchten mehr Schutz. Seine Teilnahme an den Feierlichkeiten hatte Rose nach Zentralratsangaben krankheitsbedingt absagen müssen. Seine Rede war in Abwesenheit von seinem Stellvertreter Jaques Delfeld verlesen worden.
Nach Angaben der Gedenkstätte spielen Weimar und Mittelbau-Dora neben Bergen-Belsen eine zentrale Rolle in der NS-Erinnerungskultur der Sinti und Roma. Nach der Machtergreifung wurden die Sinti und Roma von den Nazis als „arbeitsscheu“ und „asozial“ diffamiert, willkürlich verhaftet und in die Konzentrationslager verschleppt, allein nach Buchenwald rund 3.500. Leider können immer weniger Zeitzeugen heute noch davon berichten - nur noch elf hochbetagte Überlebende kamen zur diesjährigen Gedenkfeier.
Anmerkung der Redaktion: Nachträglich wurde ein Satz angepasst, in dem in zu wenig distanzierenden Formulierungen das diffamierende Vokabular der Nationalsozialisten zitiert wurde.
Mehr Informationen zur Shoah, zum Zweiten Weltkrieg und zum Nationalsozialismus:
Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Mit 60 bis 70 Millionen Toten steht er für die Tragödie des 20. Jahrhunderts.