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Internationaler Gerichtshof : Wird Russland in Den Haag verurteilt?

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Die Ukraine will erreichen, dass das wichtigste UN-Gericht Russland verurteilt. Ein solches Urteil hätte symbolisches Gewicht. Wie wahrscheinlich ist es, dass es dazu kommt?

Archiv: Raketen haben ein mehrstöckiges Wohnhaus in Krywyj Rih in der Ukraine geroffen. (13.06.2023)
Zerstörungen in Krywyj Rih in der Ukraine (13.06.2023) - kann Russland für den Krieg mit einem juristischen Umweg zur Verantwortung gezogen werden? (Archivfoto)
Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Eigentlich scheint der Fall, den die 15 Richterinnen und Richter des Internationalen Gerichtshofs (IGH) im Friedenspalast in Den Haag diese Woche verhandeln, klar zu sein. Dass Russland mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine das Völkerrecht bricht, daran zweifelt außerhalb Russlands kaum jemand. Doch so einfach ist es nicht.

Zuständigkeit des Gerichtshofs umstritten

Russland bestreitet, dass das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen die Klage, die die Ukraine bereits kurz nach dem Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 in Den Haag eingereicht hatte, überhaupt beurteilen darf. Denn die Zuständigkeit des IGH reicht nur so weit, wie Staaten sich dieser generell oder für einen einzelnen Fall unterwerfen – was Russland nicht getan hat.

Den Einmarsch in die Ukraine begründete Russland auch mit einem angeblichen Völkermord an der russisch-sprachigen Bevölkerung im Osten des Landes (Video):

Russland vor Gericht.

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Um dennoch ein Urteil zu erwirken, argumentieren die juristischen Vertreter der Ukraine mit der UN-Völkermordkonvention.

Der russische Angriffskrieg direkt kann mangels Zuständigkeit nicht vor den IGH gebracht werden. Deshalb versucht man diesen Umweg zu nehmen und den Konflikt als einen Konflikt über die Völkermord-Konvention zu interpretieren.
Stefan Talmon, Professor für Völkerrecht an der Universität Bonn

Die Völkermord-Konvention hat auch Russland unterzeichnet. Darin ist Völkermord als internationales Verbrechen definiert und zudem festgelegt, dass über Streitigkeiten, die mit der Einhaltung und Interpretation der Völkermord-Konvention zu tun haben, der Internationale Gerichtshof entscheidet.

Angeblicher Völkermord soll russischen Angriff rechtfertigen

Putin selbst hat den Begriff des Völkermords verwendet. Seine "besondere Militäroperation" begründete er öffentlich damit, die Bevölkerung in den Gebieten Donezk und Luhansk in der Ostukraine vor einem angeblichen Völkermord durch die ukrainische Regierung schützen zu wollen.

Die Ukraine will nun vom Internationalen Gerichtshof feststellen lassen, dass es keinen solchen Völkermord gab und dass Russland seinen Angriff deswegen auch nicht damit rechtfertigen kann. Daneben soll mit der Klage die Grundlage für spätere Reparationszahlungen für durch Russland verursachte Schäden gelegt werden.

Die EU-Justizbehörde Eurojust sammelt Beweise zur Verfolgung russischer Aggression (Video):.

Die EU-Justizbehörde Eurojust hat ein internationales Strafverfolgungszentrum eröffnet.

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Verfahren könnte Jahre dauern

Ob der IGH über den juristischen Umweg über die Völkermord-Konvention mit dem russischen Angriffskrieg befasst werden kann, ist nach Einschätzung des Völkerrechtlers Stefan Talmon offen.

Die Ukraine betritt mit dieser Argumentation juristisches Neuland. Das wurde vorher noch nie versucht, deswegen ist es schwierig, eine Einschätzung abzugeben, ob der Gerichtshof sich für zuständig erklären wird.
Stefan Talmon, Professor für Völkerrecht an der Universität Bonn

Talmon rechnet damit, dass das Verfahren mehrere Jahre dauern wird.

Im Ukraine-Krieg wird der Vorwurf laut, dass Russland Vergewaltigung gezielt als Kriegswaffe einsetzt (Video):

Erfolg der Ukraine im Eilverfahren

In einem Eilverfahren hatte der Internationale Gerichtshof seine Zuständigkeit vorläufig bejaht und im März 2022 angeordnet, dass Russland die Militäraktionen im Gebiet der Ukraine unverzüglich einstellen müsse. Durchsetzen kann das Gericht die Anordnung allerdings nicht. Dazu wäre es auf die Unterstützung des UN-Sicherheitsrats angewiesen, in dem Russland über ein Veto-Recht verfügt. Dies gälte auch für eine mögliche Verurteilung im Hauptverfahren.

"Die Ukraine versucht mit dem Prozess, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit einmal mehr auf den russischen Angriffskrieg zu lenken", bewertet Talmon das Motiv hinter der ukrainischen Klage.

Sollte der IGH in einem Urteil feststellen, dass der Angriffskrieg nicht mit einem angeblichen ukrainischen Völkermord gerechtfertigt werden kann, würde Russland sich allerdings vermutlich auf andere Rechtfertigungsgründe zurückziehen.
Stefan Talmon, Professor für Völkerrecht an der Universität Bonn

Juristische Unterstützung durch westliche Staaten

An dem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof beteiligen sich 32 andere Staaten mit so genannten Interventionserklärungen. Auch Deutschland wird am kommenden Mittwoch vor Gericht seine Rechtsaufassung darlegen. Im Vorfeld begründete die Bundesrepublik ihr besonderes Interesse daran, sich am Verfahren zu beteiligen, mit der eigenen Geschichte.

Hudnerte Kriegsverechen dokumentiert (Video):

Nach Angaben der Vereinten Nationen hat Russland Hunderte Zivilisten inhaftiert und gefoltert.

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"Die Staaten, die sich beteiligen, wollen der Ukraine auch auf dem juristischen Schlachtfeld den Rücken stärken. Das ist eine gewichtige symbolpolitische Aussage. Allerdings muss man sehen, dass das Unterstützerfeld vor allem aus westlichen Staaten besteht", ordnet Völkerrechtler Talmon die Beteiligung ein.

Das Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof ist unabhängig von den Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), der ebenfalls in Den Haag ansässig ist. Dieser hatte im März Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Putin erlassen. In dem diese Woche verhandelten Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof sind dagegen nicht Putin oder andere Einzelpersonen wegen ihrer persönlichen Verantwortlichkeit für völkerrechtliche Straftaten angeklagt, sondern die Ukraine geht gegen Russland als Staat vor.

Samuel Kirsch arbeitet als Jurist in der Redaktion Recht und Justiz.

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24.09.2023
von Alica Jung
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