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Schutz für die Ukraine : Stachelschwein-Taktik als Sicherheitsgarantie

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In Vilnius will die Nato diskutieren, wie sich die Ukraine in Zukunft vor Russland schützen kann. Hoch im Kurs sind Israel-Modell und Stachelschwein-Taktik. Was ist das?

Waffen für die Ukraine: Panzerhaubitzen werden für den Transport vorbereitet.
Schutz durch Feuerkraft: Panzerhaubitzen werden für den Transport in die Ukraine vorbereitet.
Quelle: dpa

Kurz vor dem Nato-Treffen in Vilnius hat US-Präsident Joe Biden ins Spiel gebracht, dass die Sicherheit der Ukraine in Zukunft dem Israel-Modell nachempfunden sein könnte. Auch aus deutschen Regierungskreisen hieß es, unabhängig von der Nato werde an einer Erklärung gearbeitet, mit welcher der Startschuss für Sicherheitszusagen für die Ukraine gegeben werden solle.

Wie sieht das Israel-Modell aus?

Israel pflegt eine Sicherheitspartnerschaft mit den USA und ist auch anderen westlichen Staaten eng verbunden. Das Militär arbeitet mit anderen Ländern zusammen, auch die Geheimdienste teilen ihre Erkenntnisse. Aber es gibt keine rechtlich bindende Beistandsverpflichtung, wenn Israel tatsächlich angegriffen wird.

Die Partnerschaft - und da könnte es auch für die Ukraine interessant werden - besteht zu einem großen Teil in der Rüstungsbeschaffung. Die USA haben seit der israelischen Staatsgründung mehr als 100 Milliarden Dollar an Hilfszahlungen an Israel geschickt. Auch Frankreich und Deutschland haben schon Rüstungsgüter geschickt und diese ganz oder teilweise bezahlt. Auf diesem Weg kann Israel seine Defizite in der Rüstungsbranche wettmachen. Zusätzlich lagern die USA auch Munitionsbestände in Israel, die im Falle eines Angriffs zur Verteidigung genutzt werden können.

Israel wird so in die Lage versetzt, sich auch ohne explizite Sicherheitsgarantien selbst zu verteidigen.

Vor dem NATO-Gipfel in Vilnius hofft die Ukraine auf ein klares Verteidigungsversprechen. Doch Beistandsgarantien durch die NATO sind trotz der Waffenlieferungen unwahrscheinlich.

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Kann dieser Weg auch für die Ukraine funktionieren?

Experten sprechen bei diesem Vorgehen auch von einer "Stachelschwein-Taktik". Der Sicherheitsexperte Franz-Stefan Gady vom Institute for International Strategic Studies (IISS) in London beschrieb die Idee in einem Essay folgendermaßen:

Der Westen [könnte] die Ukraine in ein struppiges Stachelschwein verwandeln, das mit massiver westlicher Ausbildung und anderer Unterstützung bis zum Anschlag bewaffnet wäre, sodass es für Russland nahezu unmöglich wäre, es zu schlucken.
Franz-Stefan Gady, Sicherheitsexperte

Für Gady ist es der einzige praktikable Weg zur Abschreckung Russlands, "die Ukraine in ein gewaltiges militärisches Stachelschwein mit gehärteten, tödlichen Stacheln zu verwandeln". Dazu sollten sich die Unterstützerstaaten zusammenschließen und die Militärhilfen langfristig koordinieren. Für die Ukraine bedeute die Stachelschwein-Strategie, die Wirtschaft im Kriegsmodus zu halten, um weitere Waffen zu produzieren, und den eigenen Rüstungsapparat auf Nato-Standard zu bringen.

Die deutsche Bundesregierung hat Mitte Mai ein Waffenpaket geschnürt, das genau auf diese Stachelschwein-Taktik hindeutet. In den nächsten neun Jahren sollen Militärhilfen in Höhe von weitere 8,5 Milliarden US-Dollar bereitgestellt werden. Und auch der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall hat eine langfristige Vereinbarung mit der Ukraine getroffen. Er will in der Ukraine eine große Anlage zur Herstellung und Wartung von Panzern und anderen Militärfahrzeugen errichten.

Ein entscheidender Stachel fehlt bei der "Stachelschwein-Taktik"

Es gibt verschiedene Punkte, warum das Israel-Modell nicht direkt auf die Ukraine übertragbar ist. Der entscheidendste ist jedoch die nukleare Bewaffnung. Israel ist ein Staat mit Atomwaffen in einem nicht-nuklearen Umfeld. Die Ukraine verfügt dagegen nicht über Atomwaffen und steht im Krieg einer der größten Atommächte der Welt gegenüber.

"Eine stabile Ukraine geschützt in der NATO" sei "auch in unserem eigenen Sicherheitsinteresse“, so die Sicherheitsexpertin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

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Wie mit diesem Ungleichgewicht umgegangen werden soll, sei aus den bisherigen Vorschlägen vor dem Nato-Gipfel noch nicht ersichtlich geworden, meint der Militärexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations.

Wie soll der nukleare Stachel aussehen?
Gustav Gressel, Militärexperte

Gady ist der Ansicht, dass eine nukleare Bewaffnung der Ukraine für keinen westlichen Staat infrage kommt.

Hinzu komme außerdem, dass Israel wirtschaftlich sehr stark ist und viel Geld für seine Verteidigung ausgeben kann - etwa für den Raketenabwehrschild "Iron Dome". Die durch den russischen Angriffskrieg zerstörte Ukraine wird Jahre brauchen, um nach dem Krieg wieder zu einer solchen wirtschaftlichen Stärke zu kommen.

„Die Ukraine wird weitere Unterstützungsleistungen von Seiten der NATO bekommen, aber sicherlich keine Sicherheitsgarantie“, sagt Stefanie Babst, ehemals Mitglied des NATO-Stabs.

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Welche anderen Optionen gibt es noch?

  • Die Ukraine könnte ein vollwertiges Nato-Mitglied werden, geschützt durch die in Artikel 5 des Nordatlantikvertrags verankerte Garantie des Bündnisses, der Ukraine bei einem erneuten Angriff Russlands in der Zukunft zur Seite zu stehen. 
  • Es könnten die von Russland nicht besetzten Gebiete der Ukraine von der Nato aufgenommen werden. Es würde also nur ein Angriff auf das Verteidigungsbündnis stattfinden, wenn Russland außerhalb seiner besetzten Gebiete angreift.
  • Ebenfalls vorstellbar sind bilaterale Sicherheitsgarantien mit ausgewählten Ländern, die sich verpflichten, Kiew zu Hilfe zu kommen, wenn Russland erneut angreift. 

Aktuell seien all diese Optionen allerdings nur Gedankenspiele.

Die Nato diskutiert, wie man einen Ertrinkenden irgendwann versorgen kann, ohne ihm einen Rettungsring zuzuwerfen.
Gustav Gressel, Militärexperte

Was der Ukraine ganz akut hilft, darin sind sich beide Experten einig, sind weitere Waffenlieferungen: Der Rettungsring besteht sozusagen aus Raketenabschusssystemen, Kampfjets, Haubitzen, Streumunition sowie ausreichende Vorräte an gelenkter und ungelenkter Munition.

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