"Letzte Generation": Wenig grüne Gegenliebe für Klimakleber
"Letzte Generation":Wenig grüne Gegenliebe für die Klimakleber
von Katja Belousova, Armin Coerper, Jonas Helm, Felix Klauser
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Erst Protestpartei, jetzt Protestkritiker: Die Grünen-Spitze verurteilt die Aktionen der "Letzten Generation" scharf. Was sind die Gründe? Und wie geht konstruktives Miteinander?
Berlin lahmlegen, Klimaschutz beschleunigen - das sind die erklärten Ziele der "Letzten Generation" bei ihren aktuellen Protesten. 25.04.2023 | 9:37 min
Wer Spitzenpolitiker der Grünen zu den Aktionen der sogenannten "Letzten Generation" befragt, trifft vor allem auf Ablehnung. Der Protest sei "elitär und selbstgerecht", verkündete kürzlich etwa Irene Mihalic, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion.
Und Ex-Grünen-Ministerin Renate Künast wirft der "Letzten Generation" im Gespräch mit ZDF frontal vor, dass ihr Protest den Bemühungen um mehr Klimaschutz sogar noch schaden könnte.
Die einstige Protestpartei zeigt aktuell wenig Unterstützung für die "Letzte Generation" und das, obwohl die Protestierenden sich für ein grünes Urthema - den Klimaschutz - auf Straßen kleben.
"Dass die Grünen ein gespaltenes Verhältnis zu Teilen der Klimabewegung haben, ist eigentlich nicht überraschend", erklärt der Protestforscher Robin Celikates von der FU Berlin.
Nach ihrer Gründung hätten die Grünen noch den Anspruch gehabt, eine Partei neuen Typs zu sein, die eine besondere Beziehung zu außerparlamentarischen, sozialen Bewegungen hat. "Dieser Anspruch wurde immer schwieriger aufrechtzuerhalten" und habe sich mit zunehmender Regierungsverantwortung sowie durch Koalitionen mit Parteien wie der FDP und CDU verändert, sagt Celikates.
Künast: Haben nicht "Allgemeinheit belästigt"
Dass viele Grüne die Aktionen kritisieren, hängt auch mit den Unterschieden zusammen, die die Partei zwischen ihrem Protest von damals und den heutigen Aktionen erkennt.
"Wenn ich an einem Atomkraftwerk demonstriere, dann habe ich ein Ziel: Dieses Atomkraftwerk soll nicht eingeschaltet werden. Da kann sich jeder überlegen: Ist es richtig? Aber wenn ich jetzt die ganzen Autofahrerinnen und -fahrer von Berlin lahmlegen werde, dann überlegt sich niemand etwas. Das ist der Unterschied", erklärt Grünen-Urgestein Daniel Cohn-Bendit.
Diese Kritik teilt auch Renate Künast und fügt hinzu: "Wir haben übrigens nicht die Allgemeinheit damit belästigt."
Mehrheit der Deutschen gegen Straßenblockaden
Dass sich die Mehrheit der Deutschen von den Protesten belästigt fühlt, zeigen nicht nur die aggressiven Reaktionen vieler Autofahrer und Passanten auf die "Letzte Generation" am Montag in Berlin. Auch die Ergebnisse des jüngsten Politbarometers ergeben: 82 Prozent der Gesamtbevölkerung gehen Klimaschutzaktionen wie Blockaden von Hauptverkehrsstraßen zu weit.
Unter Anhängern der Grünen sprechen sich allerdings "nur" 58 Prozent dagegen aus - der geringste Wert unter Anhängern aller im Bundestag vertretenen Parteien. Es ist also durchaus ein Unterschied zu erkennen zwischen den mehrheitlich ablehnenden Äußerungen grüner Spitzenpolitiker und der Sichtweise ihrer Wählerschaft.
Quelle: ZDF
Jüngere Grüne, die die "Letzte Generation" unterstützen
"Es gibt einige, vor allem auch jüngere Mitglieder der Grünen, die durchaus auch den Kontakt weiterhin suchen, auch mit demonstrieren und versuchen, die Gräben zu überwinden", erklärt Protestforscher Celikates.
Einer von ihnen ist der Bundestagsabgeordnete Johannes Wagner. In den sozialen Medien verteidigt er die "Letzte Generation" regelmäßig - ist damit aber nur einer von wenigen Grünen, die sich öffentlich auf die Seite der Protestierenden stellen.
Johannes Wagner zur "Letzten Generation"
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Aktivisten und Grüne: Der Klebefrieden von Hannover
Und wie reagiert die "Letzte Generation" auf die Ablehnung ihrer vermeintlich natürlichen Partner? Mit Kritik und Appell.
"Die Bundesregierung sollte dafür sorgen, dass unser Protest gar nicht erst notwendig ist. Insbesondere die Grünen sind die, die unseren Protest von der Straße holen müssen, indem sie angemessenen Klimaschutz machen", macht Carla Hinrichs, Sprecherin der "Letzten Generation", klar.
Trotz aller Differenzen und Verbalattacken gibt es mittlerweile auch Beispiele für ein politisches Miteinander zwischen Grünen und "Letzter Generation". So hat Hannover unter dem grünen Oberbürgermeister Belit Onay als erste Stadt einen Klebefrieden am Verhandlungstisch erreicht - für einen aus grüner Sicht überschaubaren Preis.
Onay hat sich in einer Absichtserklärung dazu bereit erklärt, dass er sich für ein Tempolimit, das 9-Euro-Ticket und mehr Bürgerbeteiligung einsetzen will.
"Letzte Generation" fordert einen Gesellschaftsrat
Vor allem auf Letzteres pocht die "Letzte Generation". "Mehr Demokratie: Gesellschaftsrat jetzt!" stand am Montag auf Plakaten der Aktivisten. Dem Vorwurf elitär, selbstgerecht und nicht konstruktiv zu sein, hält zumindest diese Forderung nicht stand.
Doch darüber, wie mehr bundesweite Bürgerbeteiligung erreicht werden kann, werden sie auch in Zukunft ringen - die Klima-Aktivisten der ersten Generation in den Parlamenten und die der "Letzten Generation" auf den Straßen.