Forscher über Verkehrspläne:Nimmt Wissing Klimaschutz nicht ernst genug?
von Nathan Niedermeier
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Deutschland hat 2022 weniger CO2 ausgestoßen. Aber der Verkehrssektor hat die Ziele des Klimaschutzgesetzes wieder gerissen. Zwei Mobilitätsforscher erklären, was sich ändern muss.
Mehr als das Klimaschutzgesetz erlaubt: Der Verkehrssektor hat im Jahr 2022 erneut mehr Treibhausgasemissionen verursacht.
Quelle: dpa
Der Verkehrssektor hat im vergangenen Jahr erneut mehr Treibhausgasemissionen verursacht als vom Klimaschutzgesetz erlaubt. Nach heute vorgestellten Zahlen des Umweltbundesamtes sind die Emissionen im Verkehr im Jahr 2022 auf 148 Millionen Tonnen angestiegen. Das sind neun Millionen Tonnen mehr als das Klimaschutzgesetz zulässt. Damit ist der Verkehrssektor der Einzige, der gleichzeitig sein Ziel verfehlt und einen Emissionsanstieg gegenüber dem Vorjahr verzeichnet.
Die Grafik zeigt, wie sich die Emissionen im Verkehr in den vergangenen Jahren entwickelt haben und welche Vorgaben im Klimaschutzgesetz für den Sektor festgelegt sind.
Verkehrssektor Emissionen und Vorgabe Klimaschutzgesetz:
Treibhausgasemissionen im Verkehr
ZDFheute Infografik
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Thomas Heimer, Mitglied des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung, und Mobilitätsforscher Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe "Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung" am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, darüber, was im Verkehrssektor aus Sicht der Wissenschaftler jetzt passieren muss.
ZDFheute: Im Sommer hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing ein Sofortprogramm für den Sektor Verkehr vorgestellt. Werden damit die Zielvorgaben des Klimaschutzgesetzes eingehalten?
Thomas Heimer: Nein, das wird durch dieses vorgelegte Klimaschutz-Sofortprogramm nicht eingehalten.
Hierfür sind seitens des Ministeriums noch keinerlei Ansätze vorgelegt worden. Wir warten darauf, dass eben diese Maßnahmen vorgestellt werden, was bisher allerdings noch nicht erfolgt ist.
Mehr Klimaschutz durch weniger Verkehr? Das kann sich der Bundesverkehrsminister nicht vorstellen. "Autofahren bedeutet Freiheit", sagt Wissing in einem Interview.
ZDFheute: Nimmt der Bundesverkehrsminister den Klimaschutz nicht ernst genug?
Andreas Knie: Der Bundesverkehrsminister hat offensichtlich den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - unseres höchsten Gerichts - vor zwei Jahren nicht gelesen oder nicht wirklich ernst genommen. Das sagt nämlich nichts anderes als: Jetzt können wir die Klimakrise noch in Freiheit bekämpfen.
ZDFheute: Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, damit die Vorgaben des Gesetzes in den kommenden Jahren nicht weiter gebrochen werden?
Heimer: Es ist dringend notwendig, zwei Schritte zu unternehmen: Im Pkw-Bereich von der fossilen zur nicht-fossilen Antriebstechnik zu wechseln, im Lkw-Bereich eine immer weitere und vor allem dynamischere Verlagerung von der Straße auf die Schiene vorzunehmen.
Entwicklung der Treibhausgasemissionen:
Treibhausgasemissionen nach Sektoren
ZDFheute Infografik
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ZDFheute: Was bedeutet das für den Streit um den Bundesverkehrswegeplan in der Bundesregierung?
Knie: Was wir augenblicklich brauchen, ist ein Moratorium. Bund, Länder und Zivilgesellschaft müssen sich an einen Tisch setzen. Wir müssen überlegen: Was brauchen wir denn überhaupt in dieser Zeit, wo wir über Resilienz nachdenken, wo wir Klimaprobleme haben, wo wir demographischen Wandel haben, wo wir Digitalisierung haben? Dann müssen wir auch die Straßenverkehrsplanung neu diskutieren.
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.
von Moritz Zajonz
Grafiken
ZDFfrontal hat auch das Bundesverkehrsministerium angefragt: Was sind die drei wichtigsten Maßnahmen, die das BMDV 2023 neu auf den Weg bringen wird, um den Ausstoß von Treibhausgasen im Verkehrssektor zu reduzieren? In der schriftlichen Antwort des Ministeriums heißt es:
Konkrete zusätzliche Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele nennt das Ministerium in der Antwort nicht.
Geht es nach dem Bundesverkehrsminister, wird der Bundesverkehrswegeplan 2030 mit 850 Kilometern zusätzlichen, neuen Autobahnen wohl schnellstmöglich umgesetzt. 14.03.2023 | 8:25 min