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Kriminologe rät zu Vorsicht : Kriminalstatistik: Was die Zahlen bedeuten

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Die Zahl der bundesweit registrierten Straftaten ist 2022 stark gestiegen. Doch bei der Erfassung der Fälle spielen viele Faktoren eine Rolle.

Die Zahl der Straftaten nahm 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 11,5 Prozent zu. Gegenüber der Zeit vor der Coronapandemie stieg die Wirtschaftskriminalität um 80 Prozent.

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Über 5,6 Millionen Straftaten hat die Polizei im vergangenen Jahr registriert. Nicht nur ein enormer Anstieg gegenüber dem Vorjahr, sondern auch 3,5 Prozent mehr Fälle als 2019, dem Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie. Eigentlich eine alarmierende Entwicklung doch der Frankfurter Kriminologe Tobias Singelnstein rät zur Vorsicht bei der Interpretation der Statistik:

Über die Kriminalitätswirklichkeit können wir aus ganz unterschiedlichen Gründen nur mittelbare Schlüsse aus diesen Zahlen ziehen.
Tobias Singelnstein, Professor für Strafrecht an der Goethe-Universität Frankfurt

Je nach Delikt könnten Verzerrungsfaktoren immens sein.

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Was erfasst die Kriminalstatistik?

Die von den Landeskriminalämtern und dem BKA zusammengestellte Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) erfasst das sogenannte Hellfeld. Also alle bekannt gewordenen Straftaten, die die Polizei in einem Jahr bearbeitet. Keine Rolle spielt, wie die Verdachtsfälle vor Gericht eingestuft und am Ende entschieden werden.

Auch das sogenannte Dunkelfeld der Kriminalität fließt nicht in die Statistik ein. Gerade die Frage, wie intensiv Straftaten verfolgt werden oder wie viele Kontrollen in bestimmten Bereichen stattfinden, kann die Grenze dabei verschieben. Und zwar ohne, dass sich an dem Umfang der tatsächlichen Kriminalität etwas ändert.

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Anzeigenbereitschaft spielt große Rolle

Vor allem die Bereitschaft bei Straftaten Anzeige zu erstatten, spielt laut Singelnstein dabei eine große Rolle:

Wir gehen davon aus, dass 90 Prozent der Fälle durch private Anzeigeerstattung zur Polizei kommen und nur ein relativ geringer Anteil von der Polizei proaktiv eingeleitet wird.
Tobias Singelnstein, Kriminologe

Als Beispiel gelte der Bereich Gewaltdelikte. Hier verzeichnet die Kriminalstatistik in den letzten Jahrzehnten tendenziell einen Anstieg. Die Wissenschaft gehe aber davon aus, dass es sich dabei um eine Aufhellung des Dunkelfeldes handelt, so der Kriminologe gegenüber dem ZDF: "Das hat eher damit zu tun, dass wir als Gesellschaft sensibler werden gegenüber Gewalt und dass solche Taten stärker geächtet werden als früher."

Auch im Bereich sexualisierter Gewalt gegen Frauen sei die Anzeigebereitschaft größer geworden, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Vorstellung der aktuellen Kriminalstatistik erklärt. Die #MeToo-Debatte habe dabei eine Rolle gespielt.

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Hinweise von US-amerikanischen Behörden

Zudem kann die bessere Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden dazu führen, dass mehr Fälle aufgedeckt werden. Gerade im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern sei das ein wichtiger Faktor, wie aus dem heute veröffentlichten Bericht hervorgeht. Hier liegen die Fallzahlen, wie im Jahr davor, auf einem hohen Niveau.

Ein Grund dafür: Das National Center of Missing and Exploited Children (NCMEC) in den USA ermittelt auch Fälle mit Tatort in Deutschland und gibt von Jahr zu Jahr mehr Meldungen an das BKA weiter.

Auch solche Entwicklungen können dazu führen, dass gestiegene Fallzahlen in der Statistik nicht unbedingt auch mehr reale Fälle bedeuten.

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Künftig mehr Forschung zum Dunkelfeld

Dennoch hätten die erfassten Daten gerade für die kriminologische Wissenschaft einen großen Wert, sagt Singelnstein. Nur bei der Frage, welche politischen Schlüsse man daraus zieht, solle auch der jeweilige Kontext mitbedacht werden.

Als zusätzliche Erkenntnisquelle führen Sicherheitsbehörden daher seit einigen Jahren auch vermehrt Studien im Bereich des Dunkelfelds durch. Ein Teil davon sind sogenannte Viktimisierungssurveys, bei denen zufällig ausgewählte Personen gefragt werden, ob sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums Opfer von Straftaten geworden sind. Die Befragungen sollen als wichtige Ergänzung zu den reinen Fallzahlen gelten, gerade um langfristige Entwicklungen in der Gesellschaft identifizieren zu können.

Jan Henrich ist Mitarbeiter der ZDF-Redaktion Recht und Justiz

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