Ex-Bundespräsident Gauck: AfD kommt bei uns nie an die Macht

    Ex-Bundespräsident:Gauck: AfD kommt "bei uns nie an die Macht"

    von Pierre Winkler
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    Joachim Gauck ist überzeugt, "diese Typen" von der AfD würden nie an die Macht kommen. Gleichzeitig brauche Deutschland eine härtere Migrationspolitik.

    Markus Lanz vom 18. Juli 2023: Markus Lanz, Joachim Gauck
    Joachim Gauck, Bundespräsident a.D., äußert sich zu den Gefahren für die Demokratie, der Migration, den Wählerverlusten bei den Parteien der Mitte und der Stimmung in Ostdeutschland18.07.2023 | 75:10 min
    Für Joachim Gauck steht fest: Deutschland sei "doppelt geimpft" nach Nationalsozialismus und DDR. "Wir hatten eine braune Diktatur und eine rote und eine weitere wollen wir nicht", sagte der ehemalige Bundespräsident am Dienstagabend bei Markus Lanz angesichts der jüngsten Erfolge der AfD.
    "Wir sind nicht Weimar", fuhr Gauck fort. "Dieses Land hat eine Demokratie und genügend Demokraten. Weimar hatte eine Demokratie, aber nicht genug Demokraten. Also, wir schaffen das mit diesem Land."
    Politbarometer Prozente der Parteien
    Nach dem aktuelle Politbarometer erreicht die AfD ihren bisherigen von 20 Prozent. Dass die Stimmung in der Koalition schlecht sei, das finden rund drei Viertel der Befragten.14.07.2023 | 1:44 min
    Die AfD erreicht zur Zeit die besten Umfragewerte in ihrer Parteigeschichte:

    Gauck-Ansage in Richtung AfD

    Darum sagte er in Richtung AfD: "Diese Typen kommen bei uns nie an die Macht in Deutschland." Die AfD hätte "zu wenig anzubieten". "Die haben ein Programm für die Unzufriedenen, für die Heimatlosen, für die, die mit der Moderne fremdeln", urteilte Gauck.
    Dieses Fremdeln sei normal und "nicht gleich schlimm". Dabei richtete Gauck seinen Blick besonders auf den Osten der Republik. Sowohl bei der friedlichen Revolution in der DDR als evangelischer Pastor und Bürgerrechtler als auch nach der Wende als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen hatte er eine tragende Rolle beim deutschen Zusammenwachsen.
    Gauck zeigte Verständnis für die starken Wahl- und Umfrageergebnisse der AfD vor allem im Osten:

    Es sind keine Charaktermängel, die die Ossis da kollektiv haben. Diktatur können alle.

    Joachim Gauck, Bundespräsident a.D.

    "Wenn die Hessen und Bayern 44 Jahre draufgekriegt hätten auf die zwölf Jahre Nazidiktatur, dann wären sie heute auch eine andere Völkerschaft."
    ZDFheute live
    Die AfD erobert im thüringischen Sonneberg erstmals ein Landratsamt. ZDFheute live analysiert, was der Wahlerfolg für die Partei bedeutet.26.06.2023 | 32:26 min
    Holt die AfD nach ihrem Erfolg in Ostdeutschland noch weitere Spitzenämter?

    "Möchtet Ihr in einer Gesellschaft leben, die von Putin regiert wird?"

    Er richtete einen Appell an die Menschen, die AfD wählen und sich eine autoritäre politische Führung wünschen: "Macht Euch mal die Mühe, diese Gesellschaft zu vergleichen mit anderen Gesellschaften. Und dann überlegt mal bitte: Möchtet Ihr wirklich in einer Gesellschaft leben, die von einem Putin regiert wird? Oder auch von einem Erdogan?"
    Ex-Bundespräsident Joachim Gauck bei "Lanz"
    Ex-Bundespräsident Gauck bei Lanz über den AfD-Aufschwung: Deutschland sei "doppelt geimpft", hatte eine braune und eine rote Diktatur. "Eine weitere wollen wir nicht."19.07.2023 | 1:01 min
    Für Gauck ist die Antwort auf diese Fragen klar. "Wenn wir uns die Mühe machen würden, diesen Vergleich wirklich in Ruhe vorzunehmen, dann würden wir plötzlich doch unsere Demokratie noch erkennen als einen Raum der Möglichkeiten, trotz der Erschütterungen, über die ich eben auch ausführlich spreche", sagte er.
    Olaf Scholz spricht auf der Sommerpressekonferenz, 14.07.2023, Berlin
    Kanzler Scholz hat auf seiner Sommer-Pressekonferenz die öffentlich ausgetragenen Dispute der Ampel-Koalition kritisiert. 15.07.2023 | 2:25 min
    Bundeskanzler Olaf Scholz blickt trotz des AfD-Höhenflugs gelassen in die Zukunft:

    Gauck: Deutschland kann Probleme der Welt nicht alleine lösen

    Die ungelösten Probleme der heutigen Politik in Deutschland und Europa dürfe man eben darum nicht verschweigen. Hierbei meinte Gauck in erster Linie die Migration. "Dieses Europa kann nicht die Probleme einer unerlösten und unbefriedeten Welt alleine lösen", sagte er.
    Deutschland müsse einerseits "diejenigen, die asylberechtigt sind, aufnehmen" sowie Zuwanderung von Fachkräften erfolgreich steuern. Andererseits müsse die Politik Formen für ein "humanes Zurückweisen" derjenigen finden, die nicht in Deutschland bleiben können. "Das soll ja nicht brutal sein, aber es soll doch zeigen: Leute, wir sind nicht imstande, alle aufzunehmen", sagte Gauck.
    Ukrainische Pflegehilfskraft in der Uniklinik Kiel misst bei einer Patientin Blutzucker
    Mehr als eine Million Ukrainer sind seit dem Angriffskrieg Russlands gegen ihr Land nach Deutschland geflüchtet.18.07.2023 | 9:11 min
    Knapp die Hälfte der in Deutschland lebenden Ukraine-Flüchtlinge wollen dauerhaft bleiben.

    Gauck: Deutsche möchten "die Guten sein"

    Bei derartigen harten Entscheidungen stehe Deutschland aber manchmal die eigene Vergangenheit im Weg: "Ganz tief im Gemüt der Deutschen steckt: Wir waren so extrem böse, wie man sich das kaum vorstellen kann, und deshalb möchten wir bitte die Guten sein."
    Der notwendige nächste Lernschritt für die "erwachsene" deutsche Nation, "die aus der Beschämung heraus ist und die inzwischen ein so stabiles Rechtssystem ausgebaut hat und so viel Mitmenschlichkeit auch in Gesetze gefasst hat", müsse jetzt sein: "Wir dürfen unsere eigenen Bürger nicht überfordern."

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