Thema Kinder-Gewalt bei "Lanz": Gefängnis ab zwölf Jahren?

    "Lanz"-Debatte nach Fall Luise:"Was tun wir, um Jugendgewalt zu verhindern?"

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    Der Fall der offenbar von zwei Kindern getöteten Luise bringt Forderungen nach einer Senkung des strafmündigen Alters auf. Der Ex-Kriminalbeamte Sebastian Fiedler ist skeptisch.

    Markus Lanz vom 23. März 2023: Markus Lanz, Sebastian Fiedler, Sibylle Winter, Birgit Kimmel, Marcus Engert
    Zur Forderung, die Grenze der Strafmündigkeit zu senken, wie extreme Gewalt bei Kindern entsteht, wie Mobbing das Leben von Kindern u. Jugendlichen im Internet u. der realen Welt beeinträchtigt23.03.2023 | 75:09 min
    Die Dimension des Falls Luise hat auch bei Sebastian Fiedler "Fassungslosigkeit" ausgelöst. Forderungen, die Grenze der Strafmündigkeit in Deutschland von 14 auf etwa 12 Jahre herabzusetzen, sieht er allerdings kritisch. Dies transportiere lediglich "eine gewisse gesellschaftliche Hilflosigkeit", sagte der ehemalige Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter am Donnerstagabend bei Markus Lanz.
    Es sei die Suche nach einfachen Lösungen, nach einer Antwort auf die Frage, "wie wir zukünftig mit solchen Fällen umgehen". Das berge aber die Gefahr, "die viel schwierigere Frage" zu vernachlässigen. Und die lautet nach Fiedlers Auffassung vor dem Hintergrund steigender Zahlen schweren Gewalttaten bei Kindern und Jugendlichen: "Was machen wir jetzt eigentlich, um das etwas mehr zu verhindern?"

    Mehrere Fälle von Jugendgewalt

    Im Fall Luise hatten eine Zwölf- und eine 13-Jährige zugegeben, das zwölfjährige Mädchen am 11. März mit mehreren Messerstichen getötet zu haben. Ihre Leiche war an der Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen nahe ihres Wohnorts Freudenberg gefunden worden.
    Im schleswig-holsteinischen Heide richtete ein weiterer Fall die Aufmerksamkeit auf das Thema Jugendgewalt: Nach Polizeiangaben hatte dort eine Gruppe von Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren eine 13-Jährige geschlagen und auf grausame Weise gedemütigt.
    Der SPD-Innenpolitiker Fiedler wies darauf hin, dass auch beim Jugendstrafrecht ab 14 Jahren zunächst "völlig andere Maßstäbe" als bei Erwachsenen herrschten.

    Fiedler: Kriminalität im Jugendalter an der Tagesordnung

    Davor gehe es primär um den "Erziehungsgedanken", Jugendliche "wieder auf den rechten Weg zurückzuführen". Denn: "Kriminalität im Jugendalter ist eigentlich an der Tagesordnung. Jeder macht das im Laufe des Lebens."

    Und in der überwiegenden Zahl hören alle aber auch von alleine wieder auf damit, weil sie dann irgendwann einen Reifegrad erreicht haben.

    Sebastian Fiedler

    Es gehe vor allem um einen Anteil von fünf bis sieben Prozent der Jugendlichen, die "für etwa zwei Drittel" der Fälle verantwortlich seien. Hier müsse der Staat ansetzen, laut Fiedler mit "noch mehr Institutionen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen".
    Bezogen auf den Fall Luise war Fiedler noch eine Feststellung wichtig: Dass die mutmaßlichen Täterinnen unter 14 Jahre alt sind, bedeute nicht, dass jetzt gar nichts passiere - sondern lediglich, "dass kein Strafrecht folgt".

    Psychologische Auffälligkeiten?

    Was in solchen Fällen mit sehr jungen Täterinnen und Tätern geschieht, erklärte die Kinderpsychiaterin Sibylle Winter: "Ich würde mir wünschen und ich gehe davon aus, dass es ein psychologisch-psychiatrisches Gutachten gibt, um die Situation zu klären. Also: Was ging da voraus? Liegen psychische Auffälligkeiten vor?" Anhand dieses Gutachtens sollten dann die passenden Maßnahmen ergriffen werden, "bis hin zur geschlossenen Unterbringung". Dazu kämen "psychologische Betreuung, Psychotherapie, vielleicht auch medikamentöse Behandlung".
    Fiedler ergänzte mit Blick auf die genannten extremen Beispiele: "Diese Gewalttätigkeit, die da zum Zuge gekommen ist, kann nach meiner Überzeugung nicht die erste gewesen sein. Sondern da muss eine Vorgeschichte schon dabei gewesen sein." Gerade darum sei eine frühzeitige Erkennung bestimmter Risikofaktoren so wichtig.

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