Ist es richtig, dass Deutschland der Ukraine Kampfpanzer liefert? Eine Mehrheit sagt ja. Viele haben aber auch Zweifel - vor allem in Ostdeutschland. Warum?
Volker Nick saß für den Frieden im Gefängnis. 1983 protestierte er mit Aktivsten aus der ganzen Welt gegen den NATO-Doppelbeschluss und die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in seiner schwäbischen Heimat Mutlangen. Bis heute ist er Pazifist, lehnt die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine ab.
Frieden schaffen mit Waffen?
Angst vor einem Atomkrieg hat Stephan Buck nicht. Er ist Mitglied der Grünen in der Region Alb-Donau. Für ihn ist klar: Der Westen muss Putin in die Schranken weisen.
Seine Parteifreundin Susanne Wucher glaubt hingegen nicht daran, dass Panzer für Frieden in der Ukraine sorgen. Den Weg zum Frieden öffne man nicht durch noch mehr Waffenlieferungen, sondern durch politische Verhandlungen.
Die Grünen sind auf einmal für Waffenlieferungen
In ihrer Partei ist sie mit diesem Standpunkt in der Minderheit. 73 Prozent der Grünen-Anhänger befürworten laut ZDF-Politbarometer die Lieferung von Kampfpanzern, so viele wie in keiner anderen Partei.
Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg, überrascht die große Zustimmung nicht. "Die Waffenlieferungen an die Ukraine sind schlichtweg notwendig und ein Gebot der Solidarität. Wir haben diese Fragen schon 1999 im Kosovo-Konflikt entschieden", sagt er.
Auch die SPD hadert wegen Waffenlieferungen
In der SPD tut man sich mit der Frage nach Panzerlieferungen merklich schwerer. Die Ostpolitik von Willy Brand und Helmut Schmidt war gekennzeichnet durch entspannungspolitische Schritte und prägte die außenpolitische Identität der Partei über Jahrzehnte.
Das wird auch beim Debattencamp der SPD in Leipzig deutlich. Mit der Entscheidung der Bundesregierung, jetzt Leopard-2-Panzer zu liefern, ist Erika Friedrichs nicht zufrieden.
Deutschland stellt sich kategorisch gegen die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine. Die USA schließen das nicht aus. Ähnlich äußern sich Frankreich und Polen.
Ostdeutschland von Russland geprägt?
In den ostdeutschen Bundesländern sehen das viele so. Nur 35 Prozent befürworten die Kampfpanzerlieferungen. Die Angst vor einer direkten Kriegsbeteiligung ist hier groß.
"Wir sind 'russengeprägt' (...). Die Menschen erinnern sich an die Erzählungen der Eltern, wie die sowjetischen Panzer durchs Land gefahren sind", sagt Astrid Riechmann von der SPD in Sachsen. Die Angst, dass Russland wegen der westlichen Waffenlieferungen zurückschlagen könnte, sei deshalb im Osten besonders ausgeprägt.
Rechtsextreme vereinnahmen die Sorgen der Menschen für sich
Längst versuchen Rechtsextreme und Verschwörungsideologen die Ängste zu instrumentalisieren und in politische Wut umzuwandeln. Doch dagegen regt sich Widerstand.
Unter dem Motto "Leipzig leuchtet" gehen rund 2.000 Menschen für Demokratie und Menschlichkeit auf die Straße. Das Verständnis für die Notwendigkeit von Waffenlieferungen ist groß.
- Von 5.000 Helmen zum Leopard
Seit einem Jahr wird über Waffen für die Ukraine gestritten. Kurz vor Kriegsbeginn sagte die Bundesregierung 5.000 Helme zu - jetzt Kampfpanzer. Ein Zeitstrahl.
Ist es richtig, der Ukraine Kampfpanzer zu liefern? Neben denen, die diese Frage lautstark mit Ja oder Nein beantworten, gibt es auch die leisen Zwischentöne derer, die mit sich ringen. Dr. Michael Hauser ist evangelischer Priester und Religionslehrer. Seit seiner Jugend setzt er sich für Abrüstung ein. "Ich war neulich in Estland und da habe ich mich über einen Priesterkollegen gewundert. Der ist jetzt Leiter der Bürgerwehr. Ich war immer bereit ohne militärische Rüstung zu leben, aber zurzeit bin ich unentschlossen", sagt er.
Angriff auf Ukraine jährt sich
Am 24. Februar jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine. Und Deutschland streitet über Waffenlieferungen - hat zum Teil Angst, selbst in den Krieg hineingezogen zu werden. Die Frage ist, ob es den Menschen diesmal gelingt, denen zuzuhören, die sich Sorgen machen. Und sie von denen zu trennen, die die Ängste missbrauchen wollen.
- Habeck: "Pazifismus im Moment ferner Traum"
Kriegsverbrechen seien "offenkundig Teil" der russischen Kriegsführung, erklärt Robert Habeck. Ostermärsche sollten eine klare Botschaft gegen Putins Krieg in der Ukraine richten.
Die Debatte über Kampfpanzer dürfte jedenfalls nicht die letzte bleiben. Jetzt geht es um Kampfjets. Die Bundesregierung will diesen Schritt nicht gehen - das macht sie bislang klar. Menschen, die Waffenlieferungen skeptisch sehen, dürfte das beruhigen - vorerst.
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- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.