Energiewende in Polen: Atomkraft, ja bitte!

    Alternative zu Kohle:Energiewende in Polen: Atomkraft, ja bitte!

    von Thomas Dudek
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    Das von Kohle abhängige Polen setzt bei der notwendigen Energiewende auf die Atomkraft. Dies könnte jedoch zu einer weiteren Belastung für das deutsch-polnische Verhältnis werden.

    Zwei Kühltürme eines Atomkraftwerks im Sonnenuntergang (Symbolbild).
    Polen setzt auf Atomenergie. (Symbolbild)
    Quelle: Colourbox.de

    Am gestrigen Samstag wurden die letzten drei deutschen Atommeiler endgültig abgestellt. Wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zwar fast vier Monate später als ursprünglich beschlossen, aber nun ist die Atomkraft in Deutschland wohl endgültig Geschichte.
    Doch was in Deutschland endet, wird im Nachbarland Polen, das derzeit 80 Prozent seines Stroms aus Kohle gewinnt, gerade eingeläutet. "Die Braunkohle wird Geschichte werden. Das ist ein logischer Prozess", sagte am Donnerstag Jacek Sasin, der als Minister für polnische Staatsaktiva verantwortlich ist, während einer Veranstaltung in Pątnów, einem Stadtteil von Konin, "Unser Energiemix soll aus Atomkraft und Erneuerbaren Energien bestehen", erklärte der Politiker hinzu.

    Polen will bei Atomkraft Tempo machen

    Den Worten ließ Sasin sofort Taten folgen. Vertreter des privaten Energieunternehmens ZE PAK, das in dem Stadtteil Pątnów ein Braunkohlekraftwerk betreibt, und des staatlichen Energiekonzerns PGE unterzeichneten an dem Donnerstag medienwirksam die Gründung eines neuen Gemeinschaftsunternehmens. In dem Ort soll für rund 20 Milliarden Euro ein Atomkraftwerk entstehen, das 2035 ans Netz gehen soll.
    Der endgültigen Realisierung stehen nur noch Verhandlungen mit der "Korea Hydro & Nuclear Power", die in Südkorea über 20 Atomkraftwerke betreibt. Das halbstaatliche Unternehmen soll die Technik liefern und an der Anlage in Pątnów beteiligt sein. "Wir setzen voraus, dass die polnische Seite die Mehrheit an dem Kraftwerk haben muss, also mindestens 51 Prozent. Wir verhandeln mit der koreanischen Seite darüber, dass dieser Anteil so groß wie möglich sein wird", erklärte Sasin bereits im März in einem Interview.

    Polen baut zwei Meiler in einem Jahr

    Die Anlage in dem von Berlin 370 Kilometer entfernt gelegenen Pątnów ist mittlerweile das zweite Atomkraftwerk, welches Polen innerhalb eines halben Jahres in die Tat umsetzt. Bereits im November machte die polnische Regierung den Weg frei für das erste polnische Atomkraftwerk, das in Zusammenarbeit mit dem US-Konzern Westinghouse 2033 in dem bei Danzig gelegenen Ort Choczewo in Betrieb gehen soll.
    Bei den jetzigen Projekten für die Kernkraftenergie ist nicht nur auffallend, dass Polen mit den USA und Südkorea auch bei der Nuklearenergie auf die gleichen Partner setzt, wie bereits bei der Modernisierung der eigenen Armee. Interessant ist vor allem, wie sich die Einstellung der polnischen Gesellschaft und Politik in den letzten drei Jahrzehnten zu der Atomkraft gewandelt hat.

    80 Prozent der Polen für Atomkraft

    Bereits in den 1980er Jahren begann man mit dem Bau des ersten polnischen Atomkraftwerks, das nach der politischen Wende 1989 nicht vollendet wurde. Nach der Tschernobyl-Katastrophe von 1986 waren das Misstrauen gegenüber der sowjetischen Technologie und somit der gesellschaftliche Widerstand zu groß, um das Vorhaben zu vollenden. Derzeit sprechen sich in Umfragen jedoch über 80 Prozent der Befragten für die Atomkraft aus. Da bereits die Vorgängerregierungen dementsprechende Pläne ausgearbeitet haben, ist auch die Pro-Atom-Stimmung der meisten heutigen Oppositionsparteien groß.
    Die breite Zustimmung für die Atomkraft hat in dem Kohleland und mit Luftverschmutzung kämpfenden Polen einen simplen Grund: In der Atomkraft sieht man die Chance auf eine schnelle Energiewende. Da 60 Prozent der bis Februar 2022 importierten Kohle auch noch aus Russland kam, erhofft man sich von der Atomkraft auch eine größere Unabhängigkeit von russischen Rohstoffen.
    Atomkraft in Europa
    Die EU-Staaten sind sich über die künftige Rolle der Atomenergie uneinig. Deutschland steigt aus der Atomkraft aus. Doch 11 Staaten wollen die Kernkraft-Kooperation weiter ausbauen14.04.2023 | 5:18 min

    Spannungen mit Deutschland

    Polens Weg der Energiewende könnte jedoch zu einer weiteren Belastung für die deutsch-polnischen Beziehungen werden. Bereits Mitte Dezember schickte das Umweltministerium in Mecklenburg-Vorpommern, federführend für Berlin, Brandenburg und Sachsen, einen Fragenkatalog an Warschau. Doch auf die Bedenken aus Deutschland hat man in Warschau monatelang nicht reagiert.
    Erst für den morgigen Montag wurden Vertreter des Umweltministeriums aus Schwerin nach Polen eingeladen. Für die deutsche Seite dürften es jedoch keine leichten Gespräche werden. Vor allem die Kritik aus Mecklenburg-Vorpommern, das Nord Stream 2 auch mit einer fragwürdigen Klimastiftung durchsetzen wollte, empfindet man in Polen als verlogen.

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