Wie reagiert Kiew auf die US-Zwischenwahlen?

    Folgen für Ukraine-Krieg:Wie reagiert Kiew auf die US-Zwischenwahlen?

    von Thomas Dudek
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    Ein Erfolg der Republikaner bei den Zwischenwahlen hätte auch Einfluss auf die Unterstützung der USA für die Ukraine haben können. Dementsprechend fällt die Reaktion in Kiew aus.

    Flaggen der USA und der Ukraine
    Auch die Beziehung zwischen den USA und der Ukraine hängt von den Ergebnissen der Midterms ab.
    Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com

    Auf die endgültigen Entscheidungen bei den diesjährigen Zwischenwahlen in den USA muss man wohl bis Dezember warten. Dennoch kann man schon heute mit Gewissheit sagen, dass der von vielen Beobachtern erwartete Kantersieg der Republikaner ausgeblieben ist.
    Es ist eine Nachricht, die wohl auch in Kiew mit gewisser Erleichterung aufgenommen worden sein dürfte, auch wenn sich Regierungspolitiker mit dementsprechenden Kommentaren zu den Wahlergebnissen bisher eher zurückhalten.

    Selenskyj: Appell zur Einheit

    Dass man in der Ukraine mit einer gewissen Anspannung auf die Midterms schaute, offenbarte sich am Dienstag. "Ich appelliere an Sie, die unerschütterliche Einheit aufrechtzuerhalten", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft, die er anlässlich seiner Auszeichnung mit der US-Friedensmedaille hielt.



    Auch wenn Ende Oktober 30 namhafte Abgeordnete der Demokraten in einem offenen Brief, den sie nach einem Tag wieder zurückzogen, vom Weißen Haus einen Kurswechsel in der Ukraine-Politik forderten, so war doch der jüngste Appell des ukrainischen Präsidenten vor allem an die Republikaner gerichtet.
    Erst vor wenigen Wochen drohte Kevin McCarthy, der Anführer der Republikaner im US-Repräsentantenhaus, dass es zukünftig keinen "Blankoscheck" für die Ukraine geben würde, wenn seine Partei wie erwartet die Mehrheit in der Kongresskammer bekommt.

    USA: Wichtiger Unterstützer für die Ukraine

    Für die sich im Verteidigungskrieg gegen Russland befindliche Ukraine wäre dies ein herber Rückschlag, da die USA mit großem Abstand der wichtigste Unterstützer des Landes sind. Bereits im Mai verabschiedete der US-Kongress ein Hilfspaket für die Ukraine in einem Umfang von 40 Milliarden Dollar.
    "Man fragt sich in der Ukraine, wo die Republikaner stehen", sagt Andreas Umland, Analyst des Stockholmer Zentrums für Osteuropastudien, der ZDFheute.

    Es herrscht auch eine gewisse Verwirrung über manche Aussagen aus den republikanischen Reihen, da die Republikaner in der Ukraine eigentlich eine bessere Reputation genießen als die Demokraten.

    Andreas Umland, Analyst des Stockholmer Zentrums für Osteuropastudien

    Er verweist dabei vor allem auf die Zeit des Kalten Krieges und die strikte antisowjetische Haltung der republikanischen Partei.
    Troy Bloom füllt seinen Stimmzettel im Wahllokal Cold Springs in Missoula, Montana (USA), aufgenommen am 08.11.2022
    Was heißt das Ergebnis der Zwischenwahlen nun für die Politik der nächsten Jahre? Claudia Bates mit einem Blick auf Themen, die Demokraten und Republikaner verschieden sehen. 09.11.2022 | 4:20 min

    Republikaner haben guten Ruf in der Ukraine

    Ein weiterer Grund für den guten Ruf der Republikaner in der Ukraine ist deren parteinahe Stiftung International Republican Institute. "Auch die Demokraten sind mit ihrer Stiftung in der Ukraine vertreten und engagiert, doch die der Republikaner war aktiver", erläutert Umland und verweist zudem noch auf einen anderen Aspekt:

    Nicht vergessen sollte man auch die ukrainische Diaspora in den USA, die politisch den Republikanern nahesteht.

    Andreas Umland, Analyst des Stockholmer Zentrums für Osteuropastudien

    Überraschend ist, wie nüchtern man in der Ukraine trotz aller Enttäuschung über so manchen republikanischen Politiker nun auf die Midterms reagiert.

    Ukraine: Keine Zeit für Verschwörungstheorien und Fake News

    "Die Ukraine kann sich kaum den Luxus leisten, ihre Ressourcen und ihre Zeit anzuwenden, um sich mit Verschwörungstheoretikern und Verbreitern von Desinformation zu beschäftigen", mahnte Aljona Getmantschuk, Direktorin des Think Tanks "Nowa Ewropa" in einem Gastbeitrag für die "Ewropejska Prawda". Sie appellierte stattdessen, sich auf jene Kräfte innerhalb der republikanischen Partei zu konzentrieren, welche die Ukraine stärken.
    Als Beispiel nannte Getmantschuk Mitch McConnell, der im US-Senat die Republikaner anführt.
    Neben den unterschiedlichen Haltungen innerhalb der Republikaner bezüglich der Ukraine dürfte aber noch ein anderer Grund für die derzeit ruhigen Reaktionen aus Kiew entscheidend sein.
    Viele politische Beobachter jedenfalls gehen davon aus, dass die USA ihre Hilfen für die Ukraine zumindest im kommenden Jahr nicht reduzieren werde. Einer von ihnen: Jeffrey Rathke, Politologe an der John-Hopkins-Universität in Washington. Er sagte am Dienstag im ZDF-Interview (ab Minute 17:39): Selbst wenn die Republikaner beide Kammern im Kongress erobern würden - "in der Außenpolitik wird Biden weiter Kurs fahren, egal, was der Ausgang dieser Wahl sein wird".
    Die Demokraten könnten Biden in den kommenden Wochen zudem noch mit Mitteln für die Unterstützung der Ukraine ausstatten, so Rathke. Damit wäre "der Präsident für die kommenden zehn, zwölf Monate in der Lage, der Ukraine militärisch und auch finanzpolitisch zu unterstützen".

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