Kenia-Reise: Wie Scholz um neue Verbündete wirbt

    Kanzler zu Besuch in Kenia:Wie Scholz um neue Verbündete wirbt

    Shakuntala Banerjee
    von Shakuntala Banerjee
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    Kanzler Scholz auf Staatsbesuch in Kenia: Er probt einen neuen Umgang Deutschlands mit Wirtschaftspartnern. Woher kommt das gestiegene Interesse an Ländern in Ostafrika?

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) redet mit Hydrologe Luke Olang in der Sopa Lodge am Naivasha-See. Kenia.
    Bundeskanzler Scholz besuchte zum Ende seiner Afrikareise Kenia. Das Land gewinnt zwei Drittel der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien und ist damit ein attraktiver Partner.06.05.2023 | 1:40 min
    Dass Kenias Staatspräsident, William Ruto, den deutschen Bundeskanzler bei der offiziellen Pressekonferenz in Nairobi mit "mein guter Bruder" begrüßt, dürfte lokalen Sprachgewohnheiten geschuldet sein. Trotzdem passt die Wortwahl gar nicht so schlecht zum Konzept, mit dem Olaf Scholz heute schon den dritten Tag am Horn von Afrika unterwegs ist.
    Dramatisch ausgedrückt: Es geht langfristig um eine neue Weltordnung, in der Deutschlands Stimme weniger Gewicht hat als heute. Pragmatisch gesprochen: Es geht darum, jetzt die richtigen Partner zu finden, um aus den aktuellen weltpolitischen Veränderungen in Zukunft nicht geschwächt hervor zu gehen.
    Kanzlerreise nach Ostafrika
    Besichtigung des Geothermiekraftwerks in Olkaria - so läuft die Reise von Kanzler Scholz durch Ostafrika.05.05.2023 | 2:38 min

    Scholz bereist systematisch Schwellenländer

    Während sich USA und China im Kampf um die globale Vormachtstellung belauern, Russland zu Machtmethoden vergangener Jahrhunderte zurückkehrt und der Rest der Welt sich überlegt, an welchem der konkurrierenden Schwergewichte er sich orientiert, reist Scholz systematisch Länder ab, die in Europa lange nur in der Kategorie "Schwellen- und Entwicklungsländer" auftauchten, die in Zeiten von Klimakrise, Pandemie- und Kriegsfolgen und dem Ende eingeübter Machtverhältnisse jedoch eine völlig neue Bedeutung bekommen.
    Indonesien, Indien, Brasilien oder Südafrika gehören beispielsweise dazu, aber auch Kenia und Äthiopien, in denen Scholz seit gestern unterwegs ist. Überall trommelt er für seine Idee einer neuen multipolaren Weltordnung.

    Deutschland wirbt um Fachkräfte aus Kenia

    "Es muss was mit dem Ukrainekrieg zu tun haben", sagt ein kenianischer Fotojournalist am Rande des roten Teppichs in Nairobi. Hier warten die Medien darauf, dass der Besucher aus Deutschland die militärischen Ehren abnimmt. Präsident Ruto war schon da, zu einem kurzen Militärzeremoniell ohne Gast. Olaf Scholz wird etwas später kommen und vor ihm die Ehrenformation in der Morgensonne abschreiten. Bis dahin bleibt genug Zeit zum Grübeln: Woher kommt das gestiegene Interesse der Deutschen an Staaten in Ostafrika?
    Vielleicht seien es die vielen gut ausgebildeten jungen Arbeitskräfte, die der Besucher aus Berlin hier für Deutschland gewinnen könne, meint der kenianische Kollege. Und tatsächlich wird der Kanzler später darauf hinweisen, dass Deutschland gut ausgebildete Arbeitskräfte braucht, gerne auch aus Kenia, wenn auch gerne in Verbindung mit der Rücknahme illegal eingereister Landsleute. Es ist ein Angebot an ein Land, das der Bundeskanzler gerne für die Runde seiner neuen Verbündeten gewinnen würde.

    Scholz lobt Gastgeber Kenia

    Gemeint sind Länder, die an weltpolitischer Bedeutung gewinnen. Manche von ihnen
    • liefern Rohstoffe, die Europa nicht mehr von Russland kaufen möchte,
    • manche sind potentielle Lieferanten grüner Energie,
    • andere wiederum mögliche Verbündete beim Versuch, Migration stärker zu lenken,
    • oder im Chor der internationalen Politik demokratische Werte und Prinzipien zu stärken.
    Ihnen allen stellt Scholz einen neuen Umgang in Aussicht, eine neue Nord-Süd-Politik zwischen gleichberechtigten Partnern.
    Bundeskanzler Scholz und Kenias Präsident Ruto reichen sich nach einer gemeinsamen Pressekonferenz die Hand
    Bundeskanzler Scholz ist im Rahmen seiner Ostafrikareise von Kenias Präsident Ruto in Nairobi empfangen worden. Zentrales Thema des Treffens war der Ausbau erneuerbarer Energien.05.05.2023 | 0:22 min
    Wie er das angeht, kann man hier in Kenia gut beobachten: Scholz lobt den Gastgeber, hebt dessen Stärken hervor, übergeht beim öffentlichen Auftritt vor der Presse dessen Schwächen und macht Angebote, von denen beide Seiten profitieren können: regulärer Zuwanderung nach Deutschland, Unterstützung humanitärer Projekte in Kenia und Aussicht auf wachsende wirtschaftliche Zusammenarbeit, nicht nur bei erneuerbaren Energien.

    Kenia fühlt sich aufgewertet

    Der Gastgeber wiederum dankt es mit außergewöhnlich freundlichen Worten. Das Angebot des "guten Bruders" aus Deutschland scheint sein Sekundärziel nicht zu verfehlen: Kenia fühlt sich durch den Austausch anscheinend sichtlich aufgewertet. Eine Beziehung auf Augenhöhe erscheint bei der Pressebegegnung der beiden durchaus nicht ausgeschlossen.
    Ob das reicht, um das Land an eine neue, informelle Allianz der Multilateralisten zu binden, ist damit noch nicht gesagt. Und dennoch wird Scholz weiter dafür werben, mit Blick auf Zeiten, in denen Deutschland und Europa vielleicht nicht mehr vorne mitspielen und "gute Brüder" durchaus brauchen kann.

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