Der ukrainische Botschafter Makeiev bezeichnet den russischen Angriffskrieg in seiner Heimat als Stellvertreterkrieg, weicht aber von der ursprünglichen Definition des Begriffs ab.
Wenn es um den russischen Krieg in der Ukraine geht, fällt seit Monaten immer wieder auch ein Begriff: Stellvertreterkrieg.
"Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass die Verschickung deutscher Panzer gegen Russland in diesen Stellvertreterkrieg der Vereinigten Staaten eine noch stärkere Mobilisierung der russischen Gesellschaft zur Folge haben wird", erklärte beispielsweise jüngst die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) in einem Interview mit dem amerikanischen Alternativmedium "Democracy Now". Und sie ist kein Einzelfall.
Die Publizistin Alice Schwarzer, der in Halle lehrende Politikwissenschaftler Johannes Varwick oder die bekannte wie mittlerweile auch umstrittene Politologin Ulrike Guérot sprechen von einem Stellvertreterkrieg oder zumindest einer Art Stellvertreterkrieg der USA, der Nato und des Westens gegen Russland.
Die Ukraine möchte so schnell wie möglich EU-Mitglied werden. Die Gäste aus Brüssel müssen bei einem Gipfel in Kiew allzu große Erwartungen dämpfen - sagen aber weitere Hilfe zu.
Kreml: Westen rückt immer näher an die Grenzen Russlands
Es sind Aussagen, die zumindest bei Dagdelen wenig überraschen, seitens der Politik als auch der Wissenschaft aber auf sehr viel Kritik stoßen. Ein Vorwurf lautet dabei, dass die Befürworter der These von einem Stellvertreterkrieg auch russische Propagandanarrative verbreiten.
Auch der Kreml behauptet, dass die "militärische Sonderoperation" eine Reaktion auf den Westen sei, da dieser angeblich immer näher an die Grenzen Russlands rücke.
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Begriff "Stellvertreterkrieg" aus Zeit des Kalten Krieges
"Der Begriff 'Stellvertreterkrieg' stammt noch aus den Zeiten des Kalten Krieges", erklärt der österreichische Rechtswissenschaftler Ralph Janik, der sich vor allem auf das Völkerrecht spezialisiert hat.
"Ein Beispiel wäre Syrien, wo Bürgerkriegsparteien lange von externen Mächten unterstützt wurden, ohne dass diese direkt eingriffen", so der Experte weiter. "Das ist im Fall der Ukraine aber nicht der Fall, weil hier zwei Staaten gegeneinander kämpfen."
Doch nicht nur wegen dieses Umstands tut sich Janik, der in Wien zu Menschenrechten forscht, in diesem Fall mit dem Begriff schwer.
"Deutsche Waffen helfen Leben zu retten", sagt Oleksii Makeiev, der ukrainische Botschafter in Deutschland.
Ukrainischer Botschafter sieht Land im Stellvertreterkrieg
In diesem Zusammenhang mag ausgerechnet eine Aussage von Oleksii Makeiev überraschen, dem ukrainischen Botschafter in Deutschland. "Es gibt dafür einen Begriff im Deutschen: Stellvertreterkrieg", sagte dieser in einem Interview Mitte Januar.
Eine Brigade mit 80 bis 90 westlichen Panzern könne eine Wirkung in der Ukraine erzielen, erklärt Militärexperte Gustav Gressel.
Experte: Ukraine verteidigt auch unsere Werte
"Ich denke, dass er den Begriff anders auslegt und damit vielmehr sagen wollte, dass die Ukrainer nicht nur für sich selbst kämpfen, für ihre eigene Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Existenz, sondern zugleich diese Werte für uns alle verteidigen und in diesem Sinne stellvertretend eben auch für uns kämpfen", erklärt Eduard Klein, Redakteur der "Ukraine-Analysen" und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen.
Es sind Werte, die im absoluten Gegensatz stehen zum autoritären Russland und die laut Umfragen für die Ukrainer durch den Krieg sogar noch wichtiger wurden. Diese Werte machen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine völkerrechtlich ebenso wenig zu einem Stellvertreterkrieg des Westens gegen Russland, wie die militärische Unterstützung des Landes durch den Westen.
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