Ukraine-Krieg: Kein Stellvertreterkrieg, aber vertretend

    Krieg in der Ukraine:Kein Stellvertreterkrieg, aber vertretend

    von Thomas Dudek
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    Der ukrainische Botschafter Makeiev bezeichnet den russischen Angriffskrieg in seiner Heimat als Stellvertreterkrieg, weicht aber von der ursprünglichen Definition des Begriffs ab.

    Die ukrainische Armee feuert eine Haubitze
    Die ukrainische Armee feuert eine Haubitze (Archivbild).
    Quelle: Die ukrainische Armee der 43. schweren Artillerie-Brigade eine Haubitze

    Wenn es um den russischen Krieg in der Ukraine geht, fällt seit Monaten immer wieder auch ein Begriff: Stellvertreterkrieg.
    "Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass die Verschickung deutscher Panzer gegen Russland in diesen Stellvertreterkrieg der Vereinigten Staaten eine noch stärkere Mobilisierung der russischen Gesellschaft zur Folge haben wird", erklärte beispielsweise jüngst die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) in einem Interview mit dem amerikanischen Alternativmedium "Democracy Now". Und sie ist kein Einzelfall.
    Die Publizistin Alice Schwarzer, der in Halle lehrende Politikwissenschaftler Johannes Varwick oder die bekannte wie mittlerweile auch umstrittene Politologin Ulrike Guérot sprechen von einem Stellvertreterkrieg oder zumindest einer Art Stellvertreterkrieg der USA, der Nato und des Westens gegen Russland.

    Kreml: Westen rückt immer näher an die Grenzen Russlands

    Es sind Aussagen, die zumindest bei Dagdelen wenig überraschen, seitens der Politik als auch der Wissenschaft aber auf sehr viel Kritik stoßen. Ein Vorwurf lautet dabei, dass die Befürworter der These von einem Stellvertreterkrieg auch russische Propagandanarrative verbreiten.
    Auch der Kreml behauptet, dass die "militärische Sonderoperation" eine Reaktion auf den Westen sei, da dieser angeblich immer näher an die Grenzen Russlands rücke.

    Begriff "Stellvertreterkrieg" aus Zeit des Kalten Krieges

    "Der Begriff 'Stellvertreterkrieg' stammt noch aus den Zeiten des Kalten Krieges", erklärt der österreichische Rechtswissenschaftler Ralph Janik, der sich vor allem auf das Völkerrecht spezialisiert hat.

    Darunter versteht man einen Konflikt, in dem externe Mächte durch Unterstützung einzelner Parteien ihre Interessen verfolgen, aber an diesem nicht direkt beteiligt sind.

    Ralph Janik, Rechtswissenschaftler

    "Ein Beispiel wäre Syrien, wo Bürgerkriegsparteien lange von externen Mächten unterstützt wurden, ohne dass diese direkt eingriffen", so der Experte weiter. "Das ist im Fall der Ukraine aber nicht der Fall, weil hier zwei Staaten gegeneinander kämpfen."
    Doch nicht nur wegen dieses Umstands tut sich Janik, der in Wien zu Menschenrechten forscht, in diesem Fall mit dem Begriff schwer.

    Wenn hier von einem Stellvertreterkrieg gesprochen wird, dann spricht man der Ukraine auch ihren eigenen Willen und ihre Interessen ab. Sie kämpft aber für ihre Souveränität und territoriale Integrität.

    Ralph Janik, Rechtswissenschaftler

    Oleksii Makeiev | Ukrainischer Botschafter in Deutschland
    "Deutsche Waffen helfen Leben zu retten", sagt Oleksii Makeiev, der ukrainische Botschafter in Deutschland. 23.01.2023 | 6:06 min

    Ukrainischer Botschafter sieht Land im Stellvertreterkrieg

    In diesem Zusammenhang mag ausgerechnet eine Aussage von Oleksii Makeiev überraschen, dem ukrainischen Botschafter in Deutschland. "Es gibt dafür einen Begriff im Deutschen: Stellvertreterkrieg", sagte dieser in einem Interview Mitte Januar.

    Keiner kämpft sonst gegen Russland. Aber die Ukrainer machen es. Russland führt einen Krieg nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen Europa und die ganze zivilisierte, demokratische Welt.

    Oleksii Makeiev, Botschafter der Ukraine in Deutschland

    Experte: Ukraine verteidigt auch unsere Werte

    "Ich denke, dass er den Begriff anders auslegt und damit vielmehr sagen wollte, dass die Ukrainer nicht nur für sich selbst kämpfen, für ihre eigene Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Existenz, sondern zugleich diese Werte für uns alle verteidigen und in diesem Sinne stellvertretend eben auch für uns kämpfen", erklärt Eduard Klein, Redakteur der "Ukraine-Analysen" und Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen.
    Es sind Werte, die im absoluten Gegensatz stehen zum autoritären Russland und die laut Umfragen für die Ukrainer durch den Krieg sogar noch wichtiger wurden. Diese Werte machen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine völkerrechtlich ebenso wenig zu einem Stellvertreterkrieg des Westens gegen Russland, wie die militärische Unterstützung des Landes durch den Westen.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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