Muttertag:Shitstorm gegen Kita - CDU-Politiker in der Kritik

"Sturmfest" steht als erstes Wort in der Twitter-Kurzbiographie von Tilman Kuban. Eine Anspielung auf das Lied der Niedersachsen, denn von dort stammt der Bundestagsabgeordnete der CDU. Tilman Kuban steht im Sturm, er hat ihn selbst entfacht. Am Montag verfasste er unter dem Hashtag #muttertag diesen Tweet:

Kuban bezieht sich in seiner Kritik auf den Brief einer katholischen Kindertagesstätte aus dem Bistum Fulda. Die Kita hatten den Eltern in der vergangenen Woche geschrieben und um Verständnis gebeten, dass sie in diesem Jahr keine Geschenke für den Mutter- und Vatertag basteln würden.

Aus unterschiedlichen Gründen: Man wolle keine Menschen ausschließen. Die Konstellation Mutter-Vater-Kind(er) sei "nicht mehr die Norm in heutigen Familien". Und es klingt in dem Brief durch, dass die Personallage es nicht hergibt, individuelle Geschenke mit jedem Kind anzufertigen.

Die Kita schreibt ausdrücklich auch: "Mit dieser Entscheidung möchten wir keinesfalls die Bedeutung eines Mutter- oder Vatertags absprechen, sie leisten etwas Großes!" Tilman Kuban veröffentlicht diesen Brief mit seinem Tweet inklusive der Kontaktdaten, also der Anschrift der Kita.

Der Sturm im Netz tobt - auf unterschiedlichen Ebenen: Die inhaltliche beginnt im Kern mit der Frage, ob der Muttertag antiquiert ist oder nicht, wer heutzutage eine Familie ist, und sie endet dort, wo Identitätsdebatten heute enden, in Vorwürfen von Diskriminierung oder Wokeness, je nach Standpunkt. Das ist der populistische Sturm, den Tilman Kuban politisch nutzen wollte.

Er entfacht mit dem Veröffentlichen der Kontaktdaten der Kita einen zweiten Sturm und letztlich einen dritten, weil er Stunden nach dem ersten Tweet und den folgenden Protesten einen weiteren veröffentlicht, in dem er die Anschrift der Kita schwärzt "zum Schutz der Kinder und der Einrichtung" und den Brief nochmals veröffentlicht. Einige in der CDU wollten das als Schuldeingeständnis verstanden wissen.

Das Wort Entschuldigung steht in diesem Tweet allerdings nicht. Warum das einem Politiker passiert, der seit 2012 auf Twitter ist und zudem Volljurist, bleibt hier unbeantwortet. Tilman Kuban will sich auf Nachfrage zu dem Vorfall vorläufig öffentlich nicht äußern.

Doch das Internet vergisst nichts. Es gibt Screenshots des Briefes mit Anschrift, es gibt Programme, mit denen sich gelöschte Tweets wieder herstellen lassen. Auf Telegram und Twitter wurde der Originalbrief von rechtspopulistischen bis hin zu rechtsextremen Kreisen weiterverbreitet.

Das passierte teilweise auch schon vor Kubans Tweet am Wochenende vorher, aber der CDU-Bundestagsabgeordnete ist der, der der Debatte am Montag verstärkt Aufmerksamkeit verschafft. Und die Kita wird ihr Opfer: Beleidigungen, Hass und Hetze. Die hessische CDU, die im Herbst die Landtagswahl wiedergewinnen will, twittert zwei Tage nach Kubans Tweet am Mittwoch in Person ihres Generalsekretärs Manfred Pentz:

In diesem Tweet nennt der Generalsekretär auch den Ortsnamen der Kita. Jeder, der diesen Ort plus Kita googelt, findet die Adresse. Warum der Generalsekretär den Ortsnamen nennt, obwohl da der Shitstorm gegen die Kita schon 48 Stunden läuft und gerade die hessische CDU sensibel sein müsste für Hetze im Netz, bleibt auf Anfrage unbeantwortet.

Kritik an Tilman Kuban gibt es politisch von vielen Seiten, auch aus der eigenen Partei: "Ein typischer Kuban, hitzig, vorschnell", "nicht zu Ende gedacht", "Mangel an digitaler Kompetenz" heißt es intern. Öffentlich meldet sich Ruprecht Polenz, ehemaliger Generalsekretär der CDU, zu Wort auf Twitter:

Und die Redaktion katholisch.de, die im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz arbeitet, kommentiert: "Populisten wie Kuban spalten die Gesellschaft und tragen ihren Kulturkampf auf dem Rücken derjenigen aus, die die Gesellschaft zusammenhalten. Auf ein christliches Menschenbild könne sich solche populistische Politik nicht berufen. 'Der Biedermann ist selbst der Brandstifter'."

Auf dem Nachrichtenportal "t-online.de" war gestern die Schlagzeile zu lesen "Tilman Kuban schreibt Brief: CDU-Politiker entschuldigt sich". Die Schlagzeile war mit keinem Artikel hinterlegt. Tilman Kuban sagt dazu nichts. Bei der betroffenen Kita läuft seit Tagen ein Anrufbeantworter.

"Wenn Stürme brausen übers deutsche Vaterland. Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen", heißt es vollständig im Niedersachsenlied von 1926. "Sturmfest" bedeutet hier "einem feindlichen Sturm trotzend". Einen Shitstorm gegen eine Kita lostreten, wie Tilman Kuban es getan hat, diese Interpretation hat der Niedersachse nun exklusiv.