Wagenknecht-Partei? "Als One-Woman-Show kann ich das nicht"

    Interview

    Wagenknecht-Partei? :"Als One-Woman-Show kann ich das nicht"

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    Sahra Wagenknecht denkt offen darüber nach, eine neue Partei zu gründen. Was hält sie eigentlich davon ab?

    Archiv: Sahra Wagenknecht am 07.11.2019 in Berlin
    Sahra Wagenknecht arbeitet an ihrer politischen Karriere. Wie genau diese aussehen soll, weiß sie noch nicht.
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Frau Wagenknecht, Sie wollen nicht mehr für die Linke kandidieren und spielen öffentlich mit dem Gedanken, eine eigene Partei zu gründen. Warum sind Sie noch nicht ausgetreten? 
    Sahra Wagenknecht: Zum einen gibt es viele Mitglieder, die ähnlich denken wie ich und denen ich mich unverändert verbunden fühle. Zu unserer Friedenskundgebung etwa haben viele linke Kreisverbände mobilisiert und Busse organisiert. Zum anderen ist die Existenz der Bundestagsfraktion ein hohes Gut. Sie ohne Not zu gefährden, wäre unverantwortlich.
    Aber ich muss natürlich auch zur Kenntnis nehmen: Die Parteispitze verfolgt einen Kurs, der mit meiner Vorstellung vernünftiger linker Politik kaum noch etwas zu tun hat. Und sie kann sich auf eine klare Mehrheit unter den Funktionsträgern der Partei stützen. 

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    Interview
    ZDFheute: Wann sorgen Sie für Klarheit, ob Sie eine Partei gründen? 
    Wagenknecht: Eine Parteigründung hängt an Voraussetzungen, auch juristischer Art. Man muss Strukturen aufbauen. Die Erwartung, man könnte - selbst wenn man sich entschieden hätte - mal eben so eine Partei aus der Taufe heben, von einer Woche zur nächsten, das wäre zum Scheitern verurteilt. Mir schreiben jetzt viele: Sagen Sie mir Bescheid, wenn es losgeht, ich mache mit. Das freut mich natürlich, aber so einfach ist es leider nicht. 
    Neue Parteien haben immer das Risiko, dass nicht nur kluge und ehrlich engagierte Menschen mitmachen wollen, sondern auch schwierige Leute - teilweise solche, die schon alle möglichen Parteien hinter sich haben. Ich habe bei "Aufstehen" erlebt, dass so etwas ein Projekt zum Scheitern bringen kann.  
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    ZDFheute: Können Sie denn trotzdem sagen, bis wann Sie die Entscheidung treffen wollen? 
    Wagenknecht: Ich gehe davon aus, dass innerhalb des nächsten Dreivierteljahres die Entscheidungen fallen. Bis Ende des Jahres muss klar sein, wie es weitergeht.  
    ZDFheute: Fraktionschef Dietmar Bartsch hat gesagt, dass er Sie wieder mehr einbinden möchte. Hören Sie dieses Angebot? Wäre das ein Grund für Sie, doch zu bleiben? 
    Wagenknecht: Ich habe mit Dietmar Bartsch immer gut zusammengearbeitet, und natürlich hoffe ich, dass ich auch in überschaubarer Zeit wieder im Parlament reden kann. Aber wir haben ja auch die Parteispitze, die das deutlich anders sieht.  
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    ZDFheute: Sie als Person sind noch kein Parteiprogramm. Wieviel Zeit bräuchte es, ein solches Parteiprogramm zu erarbeiten? 
    Wagenknecht: Junge Parteien starten meistens mit einem rudimentären Programm, wo man erstmal nur zu wichtigen Fragen seine Position darstellt. Auch bei der Linken war es so, dass der Programmprozess erst in Gang gekommen ist, als die Linke schon existierte.
    Man sollte jetzt nicht den Anspruch haben, dass eine Partei, wenn sie gegründet wird, sofort ein 30-seitiges, ausformuliertes Parteiprogramm hat. Es geht um die grundsätzlichen Ziele: Frieden, Freiheit, soziale Gerechtigkeit. Eine Partei, die dafür glaubwürdig eintritt, wird gebraucht. 

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    ZDFheute: Ist denn für Sie auch die Möglichkeit denkbar, dass sie einfach nur aus der Partei austreten - und keine neue Partei gründen. 
    Wagenknecht: Vieles ist denkbar. Ich kann mir auch eine Perspektive als Schriftstellerin und Publizistin vorstellen. Aber ich möchte gerne politisch auch noch etwas bewegen, das sage ich ehrlich. Nur, ein solches Projekt zu beginnen, wenn man nicht wichtige Voraussetzungen gewährleisten kann - das werden wir nicht machen. Ich möchte meine politische Laufbahn nicht mit einem Flop abschließen.  
    ZDFheute: Haben Sie denn von anderen Fraktionsmitgliedern Signale, dass sie mitmachen würden bei der Parteigründung? 
    Wagenknecht: Es gibt viele Diskussionen und auch Interesse, klar.  

    Berlin direkt
    Quelle: ZDF

    Mehr zu dem Thema sehen Sie am Sonntag um 19:10 Uhr bei "Berlin direkt" im ZDF und in der ZDF-Mediathek.

    ZDFheute: Sie hatten mal einen Burnout, müssen sich immer wieder aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen. Spielt auch die Frage eine Rolle, ob sie überhaupt die Kraft haben für eine Parteigründung? 
    Wagenknecht: Das ist eine Frage, die ich mir natürlich stelle. Ich weiß, was ich kann und was nicht. Deshalb kann ein neues Projekt nur mit einem wirklich verlässlichen Team funktionieren, das mir auch viele von den Dingen abnimmt, für die ich schlicht kein Talent habe. Als One-Woman-Show kann ich das nicht.  
    ZDFheute: Danke für das Gespräch.  
    Das Interview führte Andrea Maurer, Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio 

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